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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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kam,, das Volk als solches hat aber keinen, denn es ist ein bloßer Begriff, eine
Abstraction. So war in allen Militärstaaten das Militär auch außer dem Dienst
bewaffnet einhergegangen, und man hatte Recht, gegen diese barbarische Sitte, die
einen beständigen Krieg voraussetzt, zu polemisiren; nun aber sagte man: wir wol¬
len alle mit Flinten, Pistolen und Schleppsäbeln ans den Straßen herumlaufen,
und das war noch absurder, denn das Militär wird wenigstens durch die Dis¬
ciplin vor allznargen Excessen bewahrt, wessen aber der beuaffuete Pöbel fähig
ist, das Jahren die neuen Frankfurter Geschichten. Treibt man diese Art von
Volksbewaffnung auf die Spitze, so stehen sich zuletzt Militär auf der einen,
Turner und Pöbel auf der ander" gegenüber, und das Ende ist wieder Militär¬
despotie.

Endlich fand man daS Organ des Volkswillens in dem Parlamente. Stän¬
dische Versammlungen haben schon früher bestanden, der Unterschied ist aber fol¬
gender. Einmal sollten die neuen Parlamente auf breitester demokratischer Grund¬
lage beruhen, sodann sollte sie constituircnde sein und außerdem über die Grenzen
des bisherigen Staatsgebiets hinausgehen und eine ideelle Staatseinheit erst her¬
vorbringen. Was das erste betrifft, so meinte man darunter Betheiligung eines
möglichst großen Kreises bei der Wahl; an sich ein vernünftiger Wunsch, bei dem
man nur zweierlei vergaß, einmal daß nur aus einem organisirten Ganzen ein
vernünftiger Beschluß hervorgehen kann, nie ans einer formlosen Masse, daß also
die Gemeinden, Kreise u. s. w. erst hätten organisirt werden müssen, ehe man
zweckmäßige Wahlen erwarten konnte, sodann, daß die Voraussetzung, ein Jeder
habe eine sreie Wahl, noch gar nicht die Wirklichkeit der Freiheit bedingt. Der
größere Theil der gegenwärtigen Generation ist unfrei, es mögen tausend Konvente
seine Freiheit decretiren, denn zur Freiheit gehört Einsicht; die oberschlesischen
Wasserpolacken werden aber nun und nimmermehr unterscheiden können, wer am
besten im Stande ist, für Deutschlands Recht zu arbeiten, sie lassen sich trotz des
Eigensinns durch äußere Umstände leiten, sie sind unfrei. Dieselben werden frei¬
lich, wenn es sich um ihre unmittelbaren Bedürfnisse handelte, wenigstens eine
relativ verständige Entscheidung zu treffen wissen. Die breiteste demokratische Grund¬
lage ist Sand, und auf Saud, d. h. auf formlose Massen von Atomen wollen
wir unsere Verfassung aufrichten!

Was das Zweite betrifft, so mußte die deutsche Nationalversammlung aller¬
dings eine constitnnende sein, denn sie sand -- in Bezug auf ihren Zweck---
nichts Bestehendes vor. Dieser Zweck mußte aber allerdings seine Grenze an dem
anderweitig Bestehenden finden und es war Gefahr vorhanden, daß sie eine trunk"
räh-t suchen würde, wo eine Reihe vortrefflicher Wohnungen stand. Die National¬
versammlung -- und nichts spricht so sehr für deu Geist des deutschen Volks --
hat das Richtige getroffen, sie hat sich selbst zu beschränken gewußt. Von dieser
Seite ist eine sehr ernste Gefahr glücklich vorüber, die von einer andern Seite,


kam,, das Volk als solches hat aber keinen, denn es ist ein bloßer Begriff, eine
Abstraction. So war in allen Militärstaaten das Militär auch außer dem Dienst
bewaffnet einhergegangen, und man hatte Recht, gegen diese barbarische Sitte, die
einen beständigen Krieg voraussetzt, zu polemisiren; nun aber sagte man: wir wol¬
len alle mit Flinten, Pistolen und Schleppsäbeln ans den Straßen herumlaufen,
und das war noch absurder, denn das Militär wird wenigstens durch die Dis¬
ciplin vor allznargen Excessen bewahrt, wessen aber der beuaffuete Pöbel fähig
ist, das Jahren die neuen Frankfurter Geschichten. Treibt man diese Art von
Volksbewaffnung auf die Spitze, so stehen sich zuletzt Militär auf der einen,
Turner und Pöbel auf der ander» gegenüber, und das Ende ist wieder Militär¬
despotie.

Endlich fand man daS Organ des Volkswillens in dem Parlamente. Stän¬
dische Versammlungen haben schon früher bestanden, der Unterschied ist aber fol¬
gender. Einmal sollten die neuen Parlamente auf breitester demokratischer Grund¬
lage beruhen, sodann sollte sie constituircnde sein und außerdem über die Grenzen
des bisherigen Staatsgebiets hinausgehen und eine ideelle Staatseinheit erst her¬
vorbringen. Was das erste betrifft, so meinte man darunter Betheiligung eines
möglichst großen Kreises bei der Wahl; an sich ein vernünftiger Wunsch, bei dem
man nur zweierlei vergaß, einmal daß nur aus einem organisirten Ganzen ein
vernünftiger Beschluß hervorgehen kann, nie ans einer formlosen Masse, daß also
die Gemeinden, Kreise u. s. w. erst hätten organisirt werden müssen, ehe man
zweckmäßige Wahlen erwarten konnte, sodann, daß die Voraussetzung, ein Jeder
habe eine sreie Wahl, noch gar nicht die Wirklichkeit der Freiheit bedingt. Der
größere Theil der gegenwärtigen Generation ist unfrei, es mögen tausend Konvente
seine Freiheit decretiren, denn zur Freiheit gehört Einsicht; die oberschlesischen
Wasserpolacken werden aber nun und nimmermehr unterscheiden können, wer am
besten im Stande ist, für Deutschlands Recht zu arbeiten, sie lassen sich trotz des
Eigensinns durch äußere Umstände leiten, sie sind unfrei. Dieselben werden frei¬
lich, wenn es sich um ihre unmittelbaren Bedürfnisse handelte, wenigstens eine
relativ verständige Entscheidung zu treffen wissen. Die breiteste demokratische Grund¬
lage ist Sand, und auf Saud, d. h. auf formlose Massen von Atomen wollen
wir unsere Verfassung aufrichten!

Was das Zweite betrifft, so mußte die deutsche Nationalversammlung aller¬
dings eine constitnnende sein, denn sie sand — in Bezug auf ihren Zweck—-
nichts Bestehendes vor. Dieser Zweck mußte aber allerdings seine Grenze an dem
anderweitig Bestehenden finden und es war Gefahr vorhanden, daß sie eine trunk»
räh-t suchen würde, wo eine Reihe vortrefflicher Wohnungen stand. Die National¬
versammlung — und nichts spricht so sehr für deu Geist des deutschen Volks —
hat das Richtige getroffen, sie hat sich selbst zu beschränken gewußt. Von dieser
Seite ist eine sehr ernste Gefahr glücklich vorüber, die von einer andern Seite,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/515>, abgerufen am 28.09.2024.