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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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den bestehenden Staat offen und mit Anwendung von Gewalt in seinen Grund-
vesten erschüttert, unbedingte Freiheit lassen. Wenn die demokratischen Vereine,
die unter einer gemeinsamen Leitung stehen, die offen die rothe Republik predi¬
gen, die eine nicht unbedeutende bewaffnete Mannschaft zu ihrer Verfügung ha¬
ben, die nicht nur der absoluten Regierung, sondern auch den gesetzlich constituir-
ten Gewalten, z. B. der Nationalversammlung gegenüber, die Souveränität des
Volks behaupten, die also die augenblickliche Neigung und Leidenschaft, sobald sie
die Kraft dazu habe", über das Gesetz stellen -- sobald diese Vereine anfangen,
von ihren theoretischen Ansichten praktische Anwendung zu macheu, wie es in dem
Aufstand Henkers gegen die badischen Kammern, i.n dem Verhalten der Berliner
vor der Abstimmung über den Stein'schen Antrag, endlich in dem verruchten At¬
tentat gegen die Nationalversammlung thatsächlich geschehen ist, --- so hat offenbar
der Staat das Recht, den ganzen Verein solidarisch verantwortlich zu machen,
und ihn überall zu schließen. Es ist eine andere Frage, ob er es für nothwen¬
dig und zweckmäßig hält; es handelt sich hier nur um das Recht. Im Lauf der
Zeit kommt es auch überall dazu; erst nach Schließung des Jacobinerelubs kam
die französische Republik zu einer gesetzlichen Konsistenz, es kommt nur darauf
an, den richtigen Zeitpunkt zu treffen. Denn der Staat kann keineswegs ein per¬
manenter Bürgerkrieg sein; dazu will ihn aber die Partei herabsetzen. Das As¬
sociationsrecht umsaßt zweierlei: einmal die Wirksamkeit für einen unmittelbaren
Zweck - - eine ungeheure Wirksamkeit, denn es sind ans ihr die Eisenbahnen her¬
vorgegangen und es muß durch sie das richtige Verhältniß von Arbeit und Ca¬
pital hergestellt werden; sodann die friedliche Agitation, bestimmte Wünsche auf
gesetzlichem Wege zur Geltung zu bringen, theils dnrch Petitionen, theils durch
Einwirkung auf die Wahlen der Volksvertreter. Die null,-ein-n-I-^v ki^no hat'
auf diesem Wege die großartige Umwälzung in der Gesetzgebung hervorgebracht,
die damals ganz Europa in Staunen und Bewunderung versetzte. Eine solche
consequente Arbeit ist aber unsern Demagogen zu unbequem, sie beschränken sich
darauf, die Eitelkeit der ungebildeten Volksklasse zu einem Pulses zu verleiten.
Es ist nicht zu fürchten, daß diese einen wesentlichen Erfolg erringt, die rothe
Republik hat wenig Chancen bei uns; allein wenn er besiegt wird, so sind wir
nicht viel besser daran, wir gerathen in den MNtärdespotismus.

Abgesehen von der unmittelbaren Gefahr -- die z. B. bei uns in Sachsen
nicht so groß sein dürfte, - sind diese Clubs darum so schädlich, weil sie das Volk
demoralistren. Wenn man nämlich vor einen aus Arbeitern, Gesellen, Gymna¬
siasten u. s. w. gebildeten Volkshaufen hiuträte und ihnen die laufenden Tagesfragen
auseinandersetzen wollte, so würden sie sich sehr langweilen, wenn man sie z. B. über
die Zweckmäßigkeit dieser oder jener Demarkationslinie in Posen, über den Vor¬
zug der Differentialzölle vor den Schutzzöllen und ähnliche complicirte Gegenstände
unterhalten wollte, denn es ginge ihnen zum Verständniß derselben nichts weni-


den bestehenden Staat offen und mit Anwendung von Gewalt in seinen Grund-
vesten erschüttert, unbedingte Freiheit lassen. Wenn die demokratischen Vereine,
die unter einer gemeinsamen Leitung stehen, die offen die rothe Republik predi¬
gen, die eine nicht unbedeutende bewaffnete Mannschaft zu ihrer Verfügung ha¬
ben, die nicht nur der absoluten Regierung, sondern auch den gesetzlich constituir-
ten Gewalten, z. B. der Nationalversammlung gegenüber, die Souveränität des
Volks behaupten, die also die augenblickliche Neigung und Leidenschaft, sobald sie
die Kraft dazu habe», über das Gesetz stellen — sobald diese Vereine anfangen,
von ihren theoretischen Ansichten praktische Anwendung zu macheu, wie es in dem
Aufstand Henkers gegen die badischen Kammern, i.n dem Verhalten der Berliner
vor der Abstimmung über den Stein'schen Antrag, endlich in dem verruchten At¬
tentat gegen die Nationalversammlung thatsächlich geschehen ist, —- so hat offenbar
der Staat das Recht, den ganzen Verein solidarisch verantwortlich zu machen,
und ihn überall zu schließen. Es ist eine andere Frage, ob er es für nothwen¬
dig und zweckmäßig hält; es handelt sich hier nur um das Recht. Im Lauf der
Zeit kommt es auch überall dazu; erst nach Schließung des Jacobinerelubs kam
die französische Republik zu einer gesetzlichen Konsistenz, es kommt nur darauf
an, den richtigen Zeitpunkt zu treffen. Denn der Staat kann keineswegs ein per¬
manenter Bürgerkrieg sein; dazu will ihn aber die Partei herabsetzen. Das As¬
sociationsrecht umsaßt zweierlei: einmal die Wirksamkeit für einen unmittelbaren
Zweck - - eine ungeheure Wirksamkeit, denn es sind ans ihr die Eisenbahnen her¬
vorgegangen und es muß durch sie das richtige Verhältniß von Arbeit und Ca¬
pital hergestellt werden; sodann die friedliche Agitation, bestimmte Wünsche auf
gesetzlichem Wege zur Geltung zu bringen, theils dnrch Petitionen, theils durch
Einwirkung auf die Wahlen der Volksvertreter. Die null,-ein-n-I-^v ki^no hat'
auf diesem Wege die großartige Umwälzung in der Gesetzgebung hervorgebracht,
die damals ganz Europa in Staunen und Bewunderung versetzte. Eine solche
consequente Arbeit ist aber unsern Demagogen zu unbequem, sie beschränken sich
darauf, die Eitelkeit der ungebildeten Volksklasse zu einem Pulses zu verleiten.
Es ist nicht zu fürchten, daß diese einen wesentlichen Erfolg erringt, die rothe
Republik hat wenig Chancen bei uns; allein wenn er besiegt wird, so sind wir
nicht viel besser daran, wir gerathen in den MNtärdespotismus.

Abgesehen von der unmittelbaren Gefahr — die z. B. bei uns in Sachsen
nicht so groß sein dürfte, - sind diese Clubs darum so schädlich, weil sie das Volk
demoralistren. Wenn man nämlich vor einen aus Arbeitern, Gesellen, Gymna¬
siasten u. s. w. gebildeten Volkshaufen hiuträte und ihnen die laufenden Tagesfragen
auseinandersetzen wollte, so würden sie sich sehr langweilen, wenn man sie z. B. über
die Zweckmäßigkeit dieser oder jener Demarkationslinie in Posen, über den Vor¬
zug der Differentialzölle vor den Schutzzöllen und ähnliche complicirte Gegenstände
unterhalten wollte, denn es ginge ihnen zum Verständniß derselben nichts weni-


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[0512] den bestehenden Staat offen und mit Anwendung von Gewalt in seinen Grund- vesten erschüttert, unbedingte Freiheit lassen. Wenn die demokratischen Vereine, die unter einer gemeinsamen Leitung stehen, die offen die rothe Republik predi¬ gen, die eine nicht unbedeutende bewaffnete Mannschaft zu ihrer Verfügung ha¬ ben, die nicht nur der absoluten Regierung, sondern auch den gesetzlich constituir- ten Gewalten, z. B. der Nationalversammlung gegenüber, die Souveränität des Volks behaupten, die also die augenblickliche Neigung und Leidenschaft, sobald sie die Kraft dazu habe», über das Gesetz stellen — sobald diese Vereine anfangen, von ihren theoretischen Ansichten praktische Anwendung zu macheu, wie es in dem Aufstand Henkers gegen die badischen Kammern, i.n dem Verhalten der Berliner vor der Abstimmung über den Stein'schen Antrag, endlich in dem verruchten At¬ tentat gegen die Nationalversammlung thatsächlich geschehen ist, —- so hat offenbar der Staat das Recht, den ganzen Verein solidarisch verantwortlich zu machen, und ihn überall zu schließen. Es ist eine andere Frage, ob er es für nothwen¬ dig und zweckmäßig hält; es handelt sich hier nur um das Recht. Im Lauf der Zeit kommt es auch überall dazu; erst nach Schließung des Jacobinerelubs kam die französische Republik zu einer gesetzlichen Konsistenz, es kommt nur darauf an, den richtigen Zeitpunkt zu treffen. Denn der Staat kann keineswegs ein per¬ manenter Bürgerkrieg sein; dazu will ihn aber die Partei herabsetzen. Das As¬ sociationsrecht umsaßt zweierlei: einmal die Wirksamkeit für einen unmittelbaren Zweck - - eine ungeheure Wirksamkeit, denn es sind ans ihr die Eisenbahnen her¬ vorgegangen und es muß durch sie das richtige Verhältniß von Arbeit und Ca¬ pital hergestellt werden; sodann die friedliche Agitation, bestimmte Wünsche auf gesetzlichem Wege zur Geltung zu bringen, theils dnrch Petitionen, theils durch Einwirkung auf die Wahlen der Volksvertreter. Die null,-ein-n-I-^v ki^no hat' auf diesem Wege die großartige Umwälzung in der Gesetzgebung hervorgebracht, die damals ganz Europa in Staunen und Bewunderung versetzte. Eine solche consequente Arbeit ist aber unsern Demagogen zu unbequem, sie beschränken sich darauf, die Eitelkeit der ungebildeten Volksklasse zu einem Pulses zu verleiten. Es ist nicht zu fürchten, daß diese einen wesentlichen Erfolg erringt, die rothe Republik hat wenig Chancen bei uns; allein wenn er besiegt wird, so sind wir nicht viel besser daran, wir gerathen in den MNtärdespotismus. Abgesehen von der unmittelbaren Gefahr — die z. B. bei uns in Sachsen nicht so groß sein dürfte, - sind diese Clubs darum so schädlich, weil sie das Volk demoralistren. Wenn man nämlich vor einen aus Arbeitern, Gesellen, Gymna¬ siasten u. s. w. gebildeten Volkshaufen hiuträte und ihnen die laufenden Tagesfragen auseinandersetzen wollte, so würden sie sich sehr langweilen, wenn man sie z. B. über die Zweckmäßigkeit dieser oder jener Demarkationslinie in Posen, über den Vor¬ zug der Differentialzölle vor den Schutzzöllen und ähnliche complicirte Gegenstände unterhalten wollte, denn es ginge ihnen zum Verständniß derselben nichts weni-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/512>, abgerufen am 29.06.2024.