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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Pieper. Zum Polizeipräsident würde ich Held vorschlagen, aber der Verdacht
seiner neuesten henkerischen Tendenzen macht ihn, obgleich er nicht nur ein
guter Wühler, sondern auch ein rechtschaffner Bummler ist, vor der Hand un¬
möglich, daher wäre der Conditor Karbe für diesen Posten am geeignetsten.
Wäre dann noch Dierschke, der kein Wolf ist, Präsident der Constituante, Ju¬
lius Redacteur der Hofzeitung oder Director der Seehandlung, so wäre dem
St --in. aat geholfen.




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Der August und mit ihm die Feierlichkeiten für den Reichsverweser sind vor¬
über, in allen Zeitungen sind die Unterlassungssünden der verschiedenen Ministe¬
rien ausposaunt und vom Publikum wieder vergessen; aber trotzdem muß ich noch¬
mals darauf zurückkommen, da man aus der Haltung der hiesigen Bürgerwehr
und der verschiedenen Freikorps die Gesinnung der Münchner im Allgemeinen
beurtheilen kann. Sie theilen nicht die Sondernngsgclüste, die man so gerne sähen
und ihnen beibringen möchte durch den Popanz der Gewerbsfreiheit, womit die
"Realitätenbesitzer" allerdings ins Bockshorn zu jagen sind; sie wünschen wirklich
ein einiges kräftiges Deutschland nud vindiciren der Centralgewalt allein, als der
Repräsentantin des ganzen deutschen Volkes, die Souveränität. Wie unbeliebt
mußte sich daher der Minister Thon-Dittmer machen, da er den harmlosen
Akt eines Lebehochs für den Reichsverweser den Bürgern verwehrte, nachdem er
ganz gegen die Vorschrift ein Hoch für deu König von Baiern vorangesetzt hatte,
was derselbe jedoch mißbilligt haben soll. Thon-Dittmers Niederlage gegenüber
der entschiedenen Haltung der Bürger war um so lächerlicher, als er dieselbe durch
die Erlaubniß zum Ausrücken zu bemänteln suchte. Nun erheben sich täglich mehr
Stimmen über seine Unmöglichkeit, von allen Theilen Baierns ruft mau ihm zu,
abzutreten, aber deutsche Minister besitzen nicht so viel Ehrgefühl wie englische
und französische, daß sie zurücktreten, wenn sie das Vertraue" der Nation verlo¬
ren haben, wie es bei dein ehemaligen Bürgermeister von Regensburg der Fall
ist, der mit dem gestickten Ministerrock auch neue Gesinnungen angezogen zu ha¬
ben scheint. Mehrere Carrikaturen auf denselben fanden deshalb ungeheuer" Ab¬
satz und besonders eine, die ihn ans einen Waagebalken sitzend darstellt, wo er
trotz der Gegenanstrenguug des Kriegsministers vou einem einzigen Landwehrmann
weit überwogen wird. Ueberhaupt fängt die Presse mehr und mehr an ein Ge¬
wicht zu bekommen und die Regierung sucht auch ihrerseits das Publikum zu bear-


Pieper. Zum Polizeipräsident würde ich Held vorschlagen, aber der Verdacht
seiner neuesten henkerischen Tendenzen macht ihn, obgleich er nicht nur ein
guter Wühler, sondern auch ein rechtschaffner Bummler ist, vor der Hand un¬
möglich, daher wäre der Conditor Karbe für diesen Posten am geeignetsten.
Wäre dann noch Dierschke, der kein Wolf ist, Präsident der Constituante, Ju¬
lius Redacteur der Hofzeitung oder Director der Seehandlung, so wäre dem
St —in. aat geholfen.




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Der August und mit ihm die Feierlichkeiten für den Reichsverweser sind vor¬
über, in allen Zeitungen sind die Unterlassungssünden der verschiedenen Ministe¬
rien ausposaunt und vom Publikum wieder vergessen; aber trotzdem muß ich noch¬
mals darauf zurückkommen, da man aus der Haltung der hiesigen Bürgerwehr
und der verschiedenen Freikorps die Gesinnung der Münchner im Allgemeinen
beurtheilen kann. Sie theilen nicht die Sondernngsgclüste, die man so gerne sähen
und ihnen beibringen möchte durch den Popanz der Gewerbsfreiheit, womit die
„Realitätenbesitzer" allerdings ins Bockshorn zu jagen sind; sie wünschen wirklich
ein einiges kräftiges Deutschland nud vindiciren der Centralgewalt allein, als der
Repräsentantin des ganzen deutschen Volkes, die Souveränität. Wie unbeliebt
mußte sich daher der Minister Thon-Dittmer machen, da er den harmlosen
Akt eines Lebehochs für den Reichsverweser den Bürgern verwehrte, nachdem er
ganz gegen die Vorschrift ein Hoch für deu König von Baiern vorangesetzt hatte,
was derselbe jedoch mißbilligt haben soll. Thon-Dittmers Niederlage gegenüber
der entschiedenen Haltung der Bürger war um so lächerlicher, als er dieselbe durch
die Erlaubniß zum Ausrücken zu bemänteln suchte. Nun erheben sich täglich mehr
Stimmen über seine Unmöglichkeit, von allen Theilen Baierns ruft mau ihm zu,
abzutreten, aber deutsche Minister besitzen nicht so viel Ehrgefühl wie englische
und französische, daß sie zurücktreten, wenn sie das Vertraue» der Nation verlo¬
ren haben, wie es bei dein ehemaligen Bürgermeister von Regensburg der Fall
ist, der mit dem gestickten Ministerrock auch neue Gesinnungen angezogen zu ha¬
ben scheint. Mehrere Carrikaturen auf denselben fanden deshalb ungeheuer» Ab¬
satz und besonders eine, die ihn ans einen Waagebalken sitzend darstellt, wo er
trotz der Gegenanstrenguug des Kriegsministers vou einem einzigen Landwehrmann
weit überwogen wird. Ueberhaupt fängt die Presse mehr und mehr an ein Ge¬
wicht zu bekommen und die Regierung sucht auch ihrerseits das Publikum zu bear-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/490>, abgerufen am 29.06.2024.