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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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allerdings ist der bisher nur ideale Schwerpunkt in sein materielles Recht einge¬
treten und die conservative Partei wird den Schauplatz ihrer Wirksamkeit dort
suchen, wo sich fernerhin die Geschicke Deutschlands entscheiden. Ich muß freilich
gestehen, daß eine solche Wendung der Dinge bei der grenzenlosen Unklarheit der
demokratischen Partei und bei der frivol theatralischen Weise, wie ein großer Theil
der Ungarn die Politik betreibt, jenseit der Grenzen aller Wahrscheinlichkeit liegt,
-- ich muß hinzusetzen, auch ganz außerhalb des Bereichs uuserer Wünsche. Eine
vollständige Erschütterung alles Credits wäre die Folge davon und eine neue
Krisis des revolutionären Fiebers, deren Ausgang Niemand absehen konnte.

Im andern Fall, wenn der Benus von Croatien seine Gegner besiegt und
seine siegreichen Truppen der Reaction zur Verfügung stellt, wenn er sich mit den
übrigen Heerführern und, wie es allen Anschein hat, mit der slavischen Partei
in Oestreich selber in Verbindung setzt, wenn das Cabinet sich zu einem entschei¬
denden Schritt entschließt -- dem Schritt nämlich, die Politik Metternichs in ei¬
ner liberalen Form fortzusetzen -- denn ich halte Preßfreiheit, Associationsrecht,
Geschworne, Kommunal- und Proviuzialfreiheit keineswegs für unvereinbar mit
dem Fortbestehen der alten Großmacht Oestreich -- dann wird der Schwerpunkt
des Reichs verrückt, die Nationalversammlung und das Rcichsregiment in ihrer
bisherigen Zusammensetzung unmöglich und die weitere Entwickelung unsers poli¬
tischen Processes wird nach Berlin verlegt. Je früher wir über diesen Punct ins
Klare kommen, je heilsamer wird es für uns sein; bis dahin müssen wir die
Fragen, die uns für den Augenblick beschäftigen, so ernsthaft sie aussehen, durch
Vertagung beseitigen.

Sehen Sie die Ereignisse, welche augenblicklich alle Gemüther in Anspruch
nehmen, unbefangen an, so schwindet viel von ihrer vermeintlichen Gefährlichkeit.

Zunächst die Abstimmung vom 7. September. Das Prinzip, um das es sich
dem Anschein nach handelt, war nnr das Aushängeschild. Die Frage, ob alle
Beschlüsse der constituirenden Versammlung ohne Weiteres durch die Regierung
ausgeführt werden müssen, klingt freilich prinzipiell genug, sie ist aber nicht der
Kern der Sache. Hätte das Ministerium zur gehörigen Zeit ein entschiedenes
Votum abgegeben, wie früher Rodbertns bei einer ähnlichen Frage, so wäre
das Schulzesche Amendement nicht durchgegangen. So hat es sich den schlimmen
Conflict selber zugezogen. Es hat die Versammlung provocirt in einer Zeit, wo
es bereits von zwei verschiedenen Seiten unterminirt war. Die Partei der Grund¬
besitzer konnte auch von einem Ministerium der Linken nichts Schlimmeres erwarten,
als die Maßregeln, mit denen Hansemann sie bedrohte; die Existenz der Radi¬
kalen war mit einer Negierung unvereinbar, das eine wohlorganisirte Polizei zu
halten beabsichtigte. Wo Constabler walten, ist für einen Held kein Bleiben
mehr. Kühlwetter scandalisirte den Berliner Freiheitsdrang, ohne doch Kraft
genug zu gewinnen, ernsthaft die Ordnung aufrechtzuhalten; Hansemann mit


allerdings ist der bisher nur ideale Schwerpunkt in sein materielles Recht einge¬
treten und die conservative Partei wird den Schauplatz ihrer Wirksamkeit dort
suchen, wo sich fernerhin die Geschicke Deutschlands entscheiden. Ich muß freilich
gestehen, daß eine solche Wendung der Dinge bei der grenzenlosen Unklarheit der
demokratischen Partei und bei der frivol theatralischen Weise, wie ein großer Theil
der Ungarn die Politik betreibt, jenseit der Grenzen aller Wahrscheinlichkeit liegt,
— ich muß hinzusetzen, auch ganz außerhalb des Bereichs uuserer Wünsche. Eine
vollständige Erschütterung alles Credits wäre die Folge davon und eine neue
Krisis des revolutionären Fiebers, deren Ausgang Niemand absehen konnte.

Im andern Fall, wenn der Benus von Croatien seine Gegner besiegt und
seine siegreichen Truppen der Reaction zur Verfügung stellt, wenn er sich mit den
übrigen Heerführern und, wie es allen Anschein hat, mit der slavischen Partei
in Oestreich selber in Verbindung setzt, wenn das Cabinet sich zu einem entschei¬
denden Schritt entschließt — dem Schritt nämlich, die Politik Metternichs in ei¬
ner liberalen Form fortzusetzen — denn ich halte Preßfreiheit, Associationsrecht,
Geschworne, Kommunal- und Proviuzialfreiheit keineswegs für unvereinbar mit
dem Fortbestehen der alten Großmacht Oestreich — dann wird der Schwerpunkt
des Reichs verrückt, die Nationalversammlung und das Rcichsregiment in ihrer
bisherigen Zusammensetzung unmöglich und die weitere Entwickelung unsers poli¬
tischen Processes wird nach Berlin verlegt. Je früher wir über diesen Punct ins
Klare kommen, je heilsamer wird es für uns sein; bis dahin müssen wir die
Fragen, die uns für den Augenblick beschäftigen, so ernsthaft sie aussehen, durch
Vertagung beseitigen.

Sehen Sie die Ereignisse, welche augenblicklich alle Gemüther in Anspruch
nehmen, unbefangen an, so schwindet viel von ihrer vermeintlichen Gefährlichkeit.

Zunächst die Abstimmung vom 7. September. Das Prinzip, um das es sich
dem Anschein nach handelt, war nnr das Aushängeschild. Die Frage, ob alle
Beschlüsse der constituirenden Versammlung ohne Weiteres durch die Regierung
ausgeführt werden müssen, klingt freilich prinzipiell genug, sie ist aber nicht der
Kern der Sache. Hätte das Ministerium zur gehörigen Zeit ein entschiedenes
Votum abgegeben, wie früher Rodbertns bei einer ähnlichen Frage, so wäre
das Schulzesche Amendement nicht durchgegangen. So hat es sich den schlimmen
Conflict selber zugezogen. Es hat die Versammlung provocirt in einer Zeit, wo
es bereits von zwei verschiedenen Seiten unterminirt war. Die Partei der Grund¬
besitzer konnte auch von einem Ministerium der Linken nichts Schlimmeres erwarten,
als die Maßregeln, mit denen Hansemann sie bedrohte; die Existenz der Radi¬
kalen war mit einer Negierung unvereinbar, das eine wohlorganisirte Polizei zu
halten beabsichtigte. Wo Constabler walten, ist für einen Held kein Bleiben
mehr. Kühlwetter scandalisirte den Berliner Freiheitsdrang, ohne doch Kraft
genug zu gewinnen, ernsthaft die Ordnung aufrechtzuhalten; Hansemann mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/478>, abgerufen am 29.06.2024.