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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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achten, durch Zahl und Kraft stark genug sind, es ohne Hilfe einer fremden Auto¬
rität zu schützen. Sie betrifft das Königthum nur, insofern es das Symbol des
Staats und in seinem Namen jede Handlung des Staats vorgenommen wird. Das
Königthum ist aber mehr, als ein symbolischer Name, es ist ein integrirendes
Glied des konstitutionellen Organismus, es übt eine bestimmte wirkliche Funktion.
Wenn hier der constitutionelle Staat der Republik entgegengesetzt wird, so han¬
delt es sich um die Vertheidigung der Freiheit gegen die obenerwähnte Formlosigkeit,
welche Absolutismus, monarchischer oder ochlokratischer, ist, wo unmittelbar gegen
jede Einzelheit der Bestimmung das Ganze als solches sich bewegt. In diesem
Falle ist der Despotismus eines Einzelnen dem einer Versammlung vorzuziehn. In
dem ersteren kann Einheit und Plan einer gebildeten Subjectivität sich ausdrücken,
in der letzteren niemals, wenn sie allein steht, ohne andere Bestimmtheiten neben
sich zu haben. Nicht umsonst hat man das constitutionelle System den politischen
Gedanken der neuen Zeiten im Gegensatz zur Roheit der unmittelbaren Staatsformen
des Alterthums genannt. Constitutionell bedeutet diese bestimmte Organisation, in
der die politischen Thätigkeiten geschieden sind. Der erste theoretische Ausdruck dieses
Gedankens, Montesquieu's Lehre von der Trennung der Gewalten, ist unvollkom¬
men, weil er die Gewalten mechanisch isolirt und cvordinirt. Sie sind subordi-
nire, aber nicht unmittelbar, sondern so, daß die untergeordneten Glieder als be¬
sondere Systeme relativ selbstständig sind. Sie sind subordinire, d. h. bestimmt,
nur in Bezug auf das Ganze, nicht in Bezug auf jede Einzelheit ihrer Thätig¬
keit. Das Gegentheil ist ein insusorischer Zustand, auf den uns die Roheit und
die Conventsgelüsie unserer Linken zurückbringen möchten. Denken wir uns die
ausführende Gewalt ohne permanenten Träger, blos Ministerien, die aus den
Majoritäten hervorgehen, so werden diese bald zum Vollziehnngsausschnß, zum
blos mechanischen Instrument der Versammlung herabsinken. Dieser Grundsatz
gilt ebenso für die Republik und er ist in Amerika sanctionirt. Der Präsident
ist nicht unverletzlich, er kann sür Verbrechen von dem Kongreß abgesetzt und dann
von dem gewöhnlichen Gericht weiter zur Rechenschaft gezogen werden. Aber er
ist politisch unverantwortlich, er ist nicht gebunden, der Majorität zu weichen.
Was unterscheidet nun den Präsidenten von dem constitutionellen Monarchen? Die
Lebensdauer der Amtsbekleidung und die Erblichkeit. Die Lebenslänglichkeit ist
der Wahl in kurzen Perioden, welche den Staat alle Augenblicke einer zwecklosen
Intrigue preisgibt, entschieden vorzuziehn. Die Erblichkeit ist allerdings irratio¬
nell. Es fragt sich nur, ob mehr als die Wahl. Beides ist Zufall, der durch
die Institutionen unschädlich gemacht werden muß. Es fragt sich, ob man sich
dem Zufall des durch momentane Umstände bedingten Willens lieber unterwirft,
oder dem Zufall der Natur. Das ist wieder Sache des Zufalls, der Gewohnheit,
des Geschmacks, der Umstände, z. B. ob die Dynastie so discreditirt ist, wie in
Frankreich oder ob man noch Pietät gegen sie hegt ans dankbaren Erinnerungen.


achten, durch Zahl und Kraft stark genug sind, es ohne Hilfe einer fremden Auto¬
rität zu schützen. Sie betrifft das Königthum nur, insofern es das Symbol des
Staats und in seinem Namen jede Handlung des Staats vorgenommen wird. Das
Königthum ist aber mehr, als ein symbolischer Name, es ist ein integrirendes
Glied des konstitutionellen Organismus, es übt eine bestimmte wirkliche Funktion.
Wenn hier der constitutionelle Staat der Republik entgegengesetzt wird, so han¬
delt es sich um die Vertheidigung der Freiheit gegen die obenerwähnte Formlosigkeit,
welche Absolutismus, monarchischer oder ochlokratischer, ist, wo unmittelbar gegen
jede Einzelheit der Bestimmung das Ganze als solches sich bewegt. In diesem
Falle ist der Despotismus eines Einzelnen dem einer Versammlung vorzuziehn. In
dem ersteren kann Einheit und Plan einer gebildeten Subjectivität sich ausdrücken,
in der letzteren niemals, wenn sie allein steht, ohne andere Bestimmtheiten neben
sich zu haben. Nicht umsonst hat man das constitutionelle System den politischen
Gedanken der neuen Zeiten im Gegensatz zur Roheit der unmittelbaren Staatsformen
des Alterthums genannt. Constitutionell bedeutet diese bestimmte Organisation, in
der die politischen Thätigkeiten geschieden sind. Der erste theoretische Ausdruck dieses
Gedankens, Montesquieu's Lehre von der Trennung der Gewalten, ist unvollkom¬
men, weil er die Gewalten mechanisch isolirt und cvordinirt. Sie sind subordi-
nire, aber nicht unmittelbar, sondern so, daß die untergeordneten Glieder als be¬
sondere Systeme relativ selbstständig sind. Sie sind subordinire, d. h. bestimmt,
nur in Bezug auf das Ganze, nicht in Bezug auf jede Einzelheit ihrer Thätig¬
keit. Das Gegentheil ist ein insusorischer Zustand, auf den uns die Roheit und
die Conventsgelüsie unserer Linken zurückbringen möchten. Denken wir uns die
ausführende Gewalt ohne permanenten Träger, blos Ministerien, die aus den
Majoritäten hervorgehen, so werden diese bald zum Vollziehnngsausschnß, zum
blos mechanischen Instrument der Versammlung herabsinken. Dieser Grundsatz
gilt ebenso für die Republik und er ist in Amerika sanctionirt. Der Präsident
ist nicht unverletzlich, er kann sür Verbrechen von dem Kongreß abgesetzt und dann
von dem gewöhnlichen Gericht weiter zur Rechenschaft gezogen werden. Aber er
ist politisch unverantwortlich, er ist nicht gebunden, der Majorität zu weichen.
Was unterscheidet nun den Präsidenten von dem constitutionellen Monarchen? Die
Lebensdauer der Amtsbekleidung und die Erblichkeit. Die Lebenslänglichkeit ist
der Wahl in kurzen Perioden, welche den Staat alle Augenblicke einer zwecklosen
Intrigue preisgibt, entschieden vorzuziehn. Die Erblichkeit ist allerdings irratio¬
nell. Es fragt sich nur, ob mehr als die Wahl. Beides ist Zufall, der durch
die Institutionen unschädlich gemacht werden muß. Es fragt sich, ob man sich
dem Zufall des durch momentane Umstände bedingten Willens lieber unterwirft,
oder dem Zufall der Natur. Das ist wieder Sache des Zufalls, der Gewohnheit,
des Geschmacks, der Umstände, z. B. ob die Dynastie so discreditirt ist, wie in
Frankreich oder ob man noch Pietät gegen sie hegt ans dankbaren Erinnerungen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/476>, abgerufen am 29.06.2024.