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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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und so müßte es kommen, denn eine republikanische Erhebung kann nicht in einer
Hauptstadt entschieden werden, die Spaltung, nicht um des Princips, sondern um
der Ordnung willen, würde durch jedes Dorf, jedes Städtchen hindurchgehu --
denken Sie sich überall die Masse als den Haupthelden der Handlung, so würde
der Mittelstand allein ohne die bestehende Ordnung kein Gegengewicht abgeben:
zu charakterlos, Dank dem alten Regime, um dem Gegner durch Kraft zu im-
poniren, zu unsicher in der Erkenntniß des Richtigen, um anders, als mit hal¬
bem Muthe für beschränkte Interessen aufzutreten. Aus dem Kampf der rohen
Leidenschaften würden die vollendeten Egoisten als Despoten hervorgehn und das
Vaterland durch innere Schwäche für immer zur untergeordneten Rolle gleich Ita¬
lien Herabsinken, von der Gefahr der Eroberung abgesehn. Sie sehen die Gefahr.
Nun wende ich mich zu denen, die uns ihr preisgeben wollen ans Zähigkeit der
Doktrin. Sie sind doch auch aus Doktrin Republikaner, denn die Schwärmereien
von unbekannten Idealen sind wohl vor der Wirklichkeit verschwunden!

Die republikanische Doctrin ist bald sehr einfach, bald mehr gelehrt, Sache
der theoretischen Consequenz. Die einen ihrer Anhänger sehen in den Jesuiten
und den Fürsten die Ursache alles erdenklichen Uebels, das ans der Erde vorge¬
kommen und glauben, daß Nichts gut gehen könne, so lange nicht die Fürsten bis
auf den Namen vertilgt. Das ist eine Philosophie der Geschichte. Es ist Nichts
davon zu sagen. Eine andere Doctrin lautet etwa so: Der constitutionelle Kö¬
nig kaun nach dem englischen Ausdruck nur Gutes thun, d. h. er kann Nichts
thun, er ist eigentlich ein Strohmann. Es ist zu begreifen, daß dieses Raison-
nement bei allen Strohköpfen Eingang findet. Gebildeter lautet diese Doctrin:
Der wahrhaft konstitutionelle Staat ist Republik, denn das öffentliche Wesen wird
durch einen freien Organismus, nicht durch den Einzelnen und seine Dienerschaft,
in dessen Namen gleichwohl noch immer das Ganze geführt wird, hervorgebracht.
Diesen Leuten ist es also nur um die Aufklärung zu thun. Sie sind mit dem
constitutionellen Staat zufrieden, aber es ärgert sie, wenn man ihn falsch auffaßt,
das Königthum für die Hauptsache hält, diese gothische Zierrath, welche das wahre
Bewußtsein der Freiheit verdunkelt. Also weg damit! Sie vergessen, daß unser
Volk die öffentliche Ordnung nur als den Ausfluß einer höchsten persönlichen Auto¬
rität, rein passiv als etwas Fremdes obwohl Nützliches aufzufassen gewohnt ist
und daß sie erst dann als der nothwendige Wille des Volks erkannt werden kann,
wenn dieses sich gewöhnt hat, sie selbst hervorzubringen. Das verträgt sich prak¬
tisch mit dem Königthum, soweit dieses nur noch eine theoretische Existenz ist. Daß
die Theorie gleich der Praxis werde, ist jedenfalls Sache der Theorie und Kri¬
tik, nicht der Revolution. Wenn das Königthum nur noch eine hohle Form wäre,
würde es keine Vertheidiger finden. Es ist aber mehr, so lange die Mehrzahl
mit dem König das Gesetz los zu werden glaubt. Das ist eine pädagogische Rück¬
sicht, die nur gelten würde, bis die, welche das Gesetz um seiner selbst willen


und so müßte es kommen, denn eine republikanische Erhebung kann nicht in einer
Hauptstadt entschieden werden, die Spaltung, nicht um des Princips, sondern um
der Ordnung willen, würde durch jedes Dorf, jedes Städtchen hindurchgehu —
denken Sie sich überall die Masse als den Haupthelden der Handlung, so würde
der Mittelstand allein ohne die bestehende Ordnung kein Gegengewicht abgeben:
zu charakterlos, Dank dem alten Regime, um dem Gegner durch Kraft zu im-
poniren, zu unsicher in der Erkenntniß des Richtigen, um anders, als mit hal¬
bem Muthe für beschränkte Interessen aufzutreten. Aus dem Kampf der rohen
Leidenschaften würden die vollendeten Egoisten als Despoten hervorgehn und das
Vaterland durch innere Schwäche für immer zur untergeordneten Rolle gleich Ita¬
lien Herabsinken, von der Gefahr der Eroberung abgesehn. Sie sehen die Gefahr.
Nun wende ich mich zu denen, die uns ihr preisgeben wollen ans Zähigkeit der
Doktrin. Sie sind doch auch aus Doktrin Republikaner, denn die Schwärmereien
von unbekannten Idealen sind wohl vor der Wirklichkeit verschwunden!

Die republikanische Doctrin ist bald sehr einfach, bald mehr gelehrt, Sache
der theoretischen Consequenz. Die einen ihrer Anhänger sehen in den Jesuiten
und den Fürsten die Ursache alles erdenklichen Uebels, das ans der Erde vorge¬
kommen und glauben, daß Nichts gut gehen könne, so lange nicht die Fürsten bis
auf den Namen vertilgt. Das ist eine Philosophie der Geschichte. Es ist Nichts
davon zu sagen. Eine andere Doctrin lautet etwa so: Der constitutionelle Kö¬
nig kaun nach dem englischen Ausdruck nur Gutes thun, d. h. er kann Nichts
thun, er ist eigentlich ein Strohmann. Es ist zu begreifen, daß dieses Raison-
nement bei allen Strohköpfen Eingang findet. Gebildeter lautet diese Doctrin:
Der wahrhaft konstitutionelle Staat ist Republik, denn das öffentliche Wesen wird
durch einen freien Organismus, nicht durch den Einzelnen und seine Dienerschaft,
in dessen Namen gleichwohl noch immer das Ganze geführt wird, hervorgebracht.
Diesen Leuten ist es also nur um die Aufklärung zu thun. Sie sind mit dem
constitutionellen Staat zufrieden, aber es ärgert sie, wenn man ihn falsch auffaßt,
das Königthum für die Hauptsache hält, diese gothische Zierrath, welche das wahre
Bewußtsein der Freiheit verdunkelt. Also weg damit! Sie vergessen, daß unser
Volk die öffentliche Ordnung nur als den Ausfluß einer höchsten persönlichen Auto¬
rität, rein passiv als etwas Fremdes obwohl Nützliches aufzufassen gewohnt ist
und daß sie erst dann als der nothwendige Wille des Volks erkannt werden kann,
wenn dieses sich gewöhnt hat, sie selbst hervorzubringen. Das verträgt sich prak¬
tisch mit dem Königthum, soweit dieses nur noch eine theoretische Existenz ist. Daß
die Theorie gleich der Praxis werde, ist jedenfalls Sache der Theorie und Kri¬
tik, nicht der Revolution. Wenn das Königthum nur noch eine hohle Form wäre,
würde es keine Vertheidiger finden. Es ist aber mehr, so lange die Mehrzahl
mit dem König das Gesetz los zu werden glaubt. Das ist eine pädagogische Rück¬
sicht, die nur gelten würde, bis die, welche das Gesetz um seiner selbst willen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/475>, abgerufen am 29.06.2024.