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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Feind belagert und diesmal kam Niemand zu ihrem Entsatz; denn auch die Her¬
zen der Köchinnen, Stubenmädchen, Ammen und Mägde bluteten über deu Be¬
schluß der Herrinnen; sie hatten sich rein vom Zwist der Nationalitäten gehalten, sie
waren aus einer höhern Warte stehen geblieben als auf der Zinne der Partei:
auf dem Standpunkt der Liebe. Sie hingen an den Grenadieren nicht "weil,"
sondern "obwohl" sie für Windischgrätz gefochten hatten und Sie können sich den¬
ken, welche Musik ein Heer von Greuadierinnen hervorzubringen im Stande
ist, die sich in ihrem Theuerster gekränkt fühlen, die passendsten Musikwerk¬
zeuge, Pfannen, Kochtöpfe, Kessel u. s. w. leistete" dabei nicht so viel wie ihre
Stimmen.

Ich sagte "nicht weil", sondern "obwohl", aber eigentlich auch "weil"; die¬
ser Punkt verdient eine nähere Beleuchtung, weil er für unsere socialen Zustände
bezeichnend sein dürfte.

Wenn etwas von einer Prager Patriotin noch inniger gehaßt werden kann
als Windischgrätz, Schuselta oder die Juden, so sind'S in diesem Augenblick die
Grenadiere. Nicht mit Unrecht; doch sollten die "Damen" eingedenk sein, daß
Frankfurt an der Schlechtigkeit der Grenadiere unschuldig ist. Die Bärenmützen,,
die sich in der Pftngstwoche so schmählich benommen haben, sind Fleisch von ih¬
rem Fleisch und Bein von ihrem Bein; es sind ur- und naturwüchsige Slaven.
Früher waren die Grenadiere bei jedem Quarticrwechscl unentbehrlich, sie verdien,
den dabei manchen Groschen Zulage, und tranken manchen Krug treffliches Bier.
Dies haben sie nun ans immer verscherzt, denu in der Pfingstwoche erwachte in
ihnen jener unangenehme Instinkt, der auch den Kosaken, Kroaten und andern
slavischen Brüdern angeboren ist: die übertriebene Sympathie nämlich für fremdes
Eigenthum. Der HaSliuger des imvion i^Kluc, der die edlern Instinkte der Men-
schennatur, der das Ehrgefühl und Selbstgefühl so glücklich ertödtete, hat diesen
Naturtrieb dem slavischen Militär niemals austreiben können. So verführen denn
die Retter der Ordnung in Prag schlimmer als die Ritter der rothen Republik
in Paris. Wenn die preußischen Soldaten in der Berliner Märznacht brutal wur¬
den, so war's Rache und blinde Wuth über die mörderischen Angrisse aus Dach-
und Kcllerluken: die böhmischen Grenadiere rächten und entschädigten sich. Im
Uhrenlager des Bürgers Suchy haben sie vollständig aufgeräumt; wo sie aus
Maugel an Zeit oder Gelegenheit nicht stehlen konnten, verwüsteten sie was zu
verwüsten war. Offiziere selbst bestätigen, daß es so zuging, aber mau hätte
ganze Compagnien erschießen müssen, um dem Vandalismus zu steuern; und ich
fürchte, mit diesem Beispiel vor Augen, daß unsere Heldenarmee in Italien, na¬
mentlich die Söhne Kroatiens, von den französischen und italienischen Zeitungen
in diesem Punkt nicht übertrieben verleumdet worden ist. Indessen Soldat bleibt
Soldat, einiger Ritterfinn klebt ihm an, selbst wenn er plündert, und die kost¬
barsten Schätze, die er stiehlt, schenkt er seinem Schatz. Begreifen Sie jetzt die


Feind belagert und diesmal kam Niemand zu ihrem Entsatz; denn auch die Her¬
zen der Köchinnen, Stubenmädchen, Ammen und Mägde bluteten über deu Be¬
schluß der Herrinnen; sie hatten sich rein vom Zwist der Nationalitäten gehalten, sie
waren aus einer höhern Warte stehen geblieben als auf der Zinne der Partei:
auf dem Standpunkt der Liebe. Sie hingen an den Grenadieren nicht „weil,"
sondern „obwohl" sie für Windischgrätz gefochten hatten und Sie können sich den¬
ken, welche Musik ein Heer von Greuadierinnen hervorzubringen im Stande
ist, die sich in ihrem Theuerster gekränkt fühlen, die passendsten Musikwerk¬
zeuge, Pfannen, Kochtöpfe, Kessel u. s. w. leistete» dabei nicht so viel wie ihre
Stimmen.

Ich sagte „nicht weil", sondern „obwohl", aber eigentlich auch „weil"; die¬
ser Punkt verdient eine nähere Beleuchtung, weil er für unsere socialen Zustände
bezeichnend sein dürfte.

Wenn etwas von einer Prager Patriotin noch inniger gehaßt werden kann
als Windischgrätz, Schuselta oder die Juden, so sind'S in diesem Augenblick die
Grenadiere. Nicht mit Unrecht; doch sollten die „Damen" eingedenk sein, daß
Frankfurt an der Schlechtigkeit der Grenadiere unschuldig ist. Die Bärenmützen,,
die sich in der Pftngstwoche so schmählich benommen haben, sind Fleisch von ih¬
rem Fleisch und Bein von ihrem Bein; es sind ur- und naturwüchsige Slaven.
Früher waren die Grenadiere bei jedem Quarticrwechscl unentbehrlich, sie verdien,
den dabei manchen Groschen Zulage, und tranken manchen Krug treffliches Bier.
Dies haben sie nun ans immer verscherzt, denu in der Pfingstwoche erwachte in
ihnen jener unangenehme Instinkt, der auch den Kosaken, Kroaten und andern
slavischen Brüdern angeboren ist: die übertriebene Sympathie nämlich für fremdes
Eigenthum. Der HaSliuger des imvion i^Kluc, der die edlern Instinkte der Men-
schennatur, der das Ehrgefühl und Selbstgefühl so glücklich ertödtete, hat diesen
Naturtrieb dem slavischen Militär niemals austreiben können. So verführen denn
die Retter der Ordnung in Prag schlimmer als die Ritter der rothen Republik
in Paris. Wenn die preußischen Soldaten in der Berliner Märznacht brutal wur¬
den, so war's Rache und blinde Wuth über die mörderischen Angrisse aus Dach-
und Kcllerluken: die böhmischen Grenadiere rächten und entschädigten sich. Im
Uhrenlager des Bürgers Suchy haben sie vollständig aufgeräumt; wo sie aus
Maugel an Zeit oder Gelegenheit nicht stehlen konnten, verwüsteten sie was zu
verwüsten war. Offiziere selbst bestätigen, daß es so zuging, aber mau hätte
ganze Compagnien erschießen müssen, um dem Vandalismus zu steuern; und ich
fürchte, mit diesem Beispiel vor Augen, daß unsere Heldenarmee in Italien, na¬
mentlich die Söhne Kroatiens, von den französischen und italienischen Zeitungen
in diesem Punkt nicht übertrieben verleumdet worden ist. Indessen Soldat bleibt
Soldat, einiger Ritterfinn klebt ihm an, selbst wenn er plündert, und die kost¬
barsten Schätze, die er stiehlt, schenkt er seinem Schatz. Begreifen Sie jetzt die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/432>, abgerufen am 28.09.2024.