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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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die Nationalgarde war damals ohne Unterschied der Nationalität zusammengesetzt.
Wer aber unsern Pöbel kennt, wird sich schwerlich durch die Hanswurstereien ein¬
lullen lassen, von denen sein Auftreten begleitet zu sein pflegt; er ist, trotz sei¬
ner unfreiwilligen Komik, kein zu verachtender Gegner, und das Lachen vergeht
Einem zuweilen bei der Erinnerung, wie oft seit vier Monaten ans der lächerli¬
chen Grimasse eine grausenhafte und blutige ward.

Seit einiger Zeit hat sich das schöne Geschlecht an die Spitze der Bewegung
gestellt. Die Weiber gehöre" hier, wie in Polen, zu den Ultras und die Bigotterie
dient grade wie in Posen als Sauerteig des Deutschenhasses; wie man den Bauern
früher einredete, sie wurden für Frankfurt eine Extraroboth leisten und ihre Söhne
würden eine doppelte Kapitulation in der Armee dienen müssen, so haben die
frommen Pragcrinncn sich in den Kopf gesetzt, Frankfurt wolle ihnen den Katho¬
licismus rauben, den heiligen Nepomuk noch einmal in die Moldau werfen und
den Sanct WenzeSlaus germanifiren. Deutschthum und Deutschkathvlizisinns sind
ihnen identisch. Hirschberger'S und Pauli's Predigten in Wien bestärken Alt und
Jung noch mehr in diesem Wahn und der deutsche Name ist also jetzt doppelt
schwarz angeschrieben.

Auf dem Roßmarkt im Saale des Wirthshauses zum Erzherzog Stephan war
unlängst ein weibliches Meeting, von dem Sie gewiß gehört haben. Selbst pa¬
riser Blätter sprachen von der großartigen Demonstration der "it-imvs sino^"
Die Mehrzahl bestand ans Damen--der Halle, nämlich ans Grnnweibcrn, Obst-
höckerinnen, Milchkärrnerinncn u dergl.; die Elite bildeten Putzmacherinnen, Bal-
letnymphen und spröde Kinder vom Theaterchor. Aber der Geist Wlasta's kam
über sie und es wurde, theils czechisch, theils gebrochen deutsch, mit aller Gewalt
weiblicher Kehlen geschrieen. Die Nednerinnen stiegen auf einen mit Vorhängen
wie eine Bühne drapirten Tisch an der Wand und hinter dem Vorhang stand als
Souffleur der frühere Redacteur des Abendblattes, Swoboda. Es ward natür¬
lich eine weibliche Protestation gegen die Kundmachung des Fürsten Windischgrätz
beschlossen und nach Wien gesandt. Originell waren die Aussagen einiger "Da¬
men," die auf deutsch den Verlauf des Barrikadenkampfes als Augenzeuge" schil¬
derten und sich für die Unschuld ihrer vielgeliebten Landsleute ereiferten; die Ca-
lembourgs, die durch falsche Participien und Geschlechter dabei entstanden, erhöh¬
ten, wenn nicht die Beweiskraft, doch die Anmuth und Würde ihrer Reden.
Allein außerdem wurde eine praktische Demonstration beschlossen, welche bald eine"
Bürgerkrieg neuer Art entzündet hätte. Alle Patrioten verpflichteten sich, ihren
Dienstboten jeden Verkehr mit deu verhaßten Grenadieren, bei Strafe der Entlas¬
sung, zu verbieten. Den Grenadieren blutete das Herz darüber und sie schickten
sich an, den feindlichen Weibern eine gewaltige militärische Katzenmusik zu brin¬
gen, als ein Offizier sie zur rechten Zeit von diesem unritterlichen Beginnen ab¬
hielt. Aber wenige Tage darauf wurden die "Damen" von einem ebenbürtigen


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die Nationalgarde war damals ohne Unterschied der Nationalität zusammengesetzt.
Wer aber unsern Pöbel kennt, wird sich schwerlich durch die Hanswurstereien ein¬
lullen lassen, von denen sein Auftreten begleitet zu sein pflegt; er ist, trotz sei¬
ner unfreiwilligen Komik, kein zu verachtender Gegner, und das Lachen vergeht
Einem zuweilen bei der Erinnerung, wie oft seit vier Monaten ans der lächerli¬
chen Grimasse eine grausenhafte und blutige ward.

Seit einiger Zeit hat sich das schöne Geschlecht an die Spitze der Bewegung
gestellt. Die Weiber gehöre» hier, wie in Polen, zu den Ultras und die Bigotterie
dient grade wie in Posen als Sauerteig des Deutschenhasses; wie man den Bauern
früher einredete, sie wurden für Frankfurt eine Extraroboth leisten und ihre Söhne
würden eine doppelte Kapitulation in der Armee dienen müssen, so haben die
frommen Pragcrinncn sich in den Kopf gesetzt, Frankfurt wolle ihnen den Katho¬
licismus rauben, den heiligen Nepomuk noch einmal in die Moldau werfen und
den Sanct WenzeSlaus germanifiren. Deutschthum und Deutschkathvlizisinns sind
ihnen identisch. Hirschberger'S und Pauli's Predigten in Wien bestärken Alt und
Jung noch mehr in diesem Wahn und der deutsche Name ist also jetzt doppelt
schwarz angeschrieben.

Auf dem Roßmarkt im Saale des Wirthshauses zum Erzherzog Stephan war
unlängst ein weibliches Meeting, von dem Sie gewiß gehört haben. Selbst pa¬
riser Blätter sprachen von der großartigen Demonstration der „it-imvs sino^"
Die Mehrzahl bestand ans Damen—der Halle, nämlich ans Grnnweibcrn, Obst-
höckerinnen, Milchkärrnerinncn u dergl.; die Elite bildeten Putzmacherinnen, Bal-
letnymphen und spröde Kinder vom Theaterchor. Aber der Geist Wlasta's kam
über sie und es wurde, theils czechisch, theils gebrochen deutsch, mit aller Gewalt
weiblicher Kehlen geschrieen. Die Nednerinnen stiegen auf einen mit Vorhängen
wie eine Bühne drapirten Tisch an der Wand und hinter dem Vorhang stand als
Souffleur der frühere Redacteur des Abendblattes, Swoboda. Es ward natür¬
lich eine weibliche Protestation gegen die Kundmachung des Fürsten Windischgrätz
beschlossen und nach Wien gesandt. Originell waren die Aussagen einiger „Da¬
men," die auf deutsch den Verlauf des Barrikadenkampfes als Augenzeuge» schil¬
derten und sich für die Unschuld ihrer vielgeliebten Landsleute ereiferten; die Ca-
lembourgs, die durch falsche Participien und Geschlechter dabei entstanden, erhöh¬
ten, wenn nicht die Beweiskraft, doch die Anmuth und Würde ihrer Reden.
Allein außerdem wurde eine praktische Demonstration beschlossen, welche bald eine»
Bürgerkrieg neuer Art entzündet hätte. Alle Patrioten verpflichteten sich, ihren
Dienstboten jeden Verkehr mit deu verhaßten Grenadieren, bei Strafe der Entlas¬
sung, zu verbieten. Den Grenadieren blutete das Herz darüber und sie schickten
sich an, den feindlichen Weibern eine gewaltige militärische Katzenmusik zu brin¬
gen, als ein Offizier sie zur rechten Zeit von diesem unritterlichen Beginnen ab¬
hielt. Aber wenige Tage darauf wurden die „Damen" von einem ebenbürtigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/431>, abgerufen am 29.06.2024.