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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Folge haben konnte, und von dieser Seite betrachtet war die Politik Metternichs
eine Folge der geographischen Lage der östreichischen Staaten. --

Jetzt aber hat ein europäischer Orkan auch die Volkswellen Ihres Ostens
aufgewühlt und ihr Drang geht in diesem Augenblicke entschieden abwärts von
Oestreich. Für Rußland ist jetzt die Zeit gekommen, wo es seinen Ban im Sü¬
den beendigen muß, und wie ihm die Herrschaft über das schwarze Meer und
Constantinopel für das Gedeihen des Dniester - und Dnieprgebietes nöthig
war, so führt jetzt die Herrschaft über Constantinopel und die Donaufürstenthümer
zum Erwerb Bosniens, Serbicus und Dalnuuiens, das heißt zur Herrschaft
über deu Archipel und das adriatische Meer. Wenn Nußland die Moldau und
Walachei besetzt, so werde" Serbien und Bosnien seine Jagdgebiete und die Küsten
des adriatischen Meeres fallen ihm mit beiden von selbst zu. Wahrscheinlich wird
Kaiser Nikolaus die gegenwärtige Krisis Oestreichs uicht benutzen, dies Occnpa-
tionsmanöver vollständig auszuführen, aber er würde bei dem ersten Ungewitter
in England, welches er in der irischen und Chartistcnfrage sowohl, als in Pa-
Pincaus canadischen Agitationen herandämmern sieht, den treuherzigen Glauben
an ein europäisches Gleichgewicht der Kräfte zur Fabel machen. Unterdeß durch -
wühlen die Agenten seiner Politiker Serbien und Bosnien und der Vladika von
Montenegro ist ein junger, ehrgeiziger Manu, welcher die Kraft und Intelligenz
fühlt eine politische Rolle zu spielen. Dagegen aber liegt es im höchsten Interesse
Deutschlands und des übrigen Europa, daß Oestreich die dringende Gefahr, in
welcher seine Außenländer stehen, begreife und deu Muth gewinne ihr zu be¬
gegnen, und noch ist es, trotz allen Schwierigkeiten, mit welchen Ihre Regierung
im Innern zu kämpfen hat, möglich, die große Aufgabe, welche dem Kaiserstaat
Oestreich gesetzt war, zu lösen, noch ist es möglich die schwankenden Besitznuge"
einem starken Gegner gegenüber zu befestigen, und ohne Kampf, ohne Intriguen
eine vollständigere Arrondirung zu gewinnen, welche Ihnen Bosnien und Serbien
anzieht und bei einer Krisis der Türkei mit Oestreich vereinigt. Eine Linie,
welche von Widdin nach dem Busen von Salvnik gezogen wird, ist die natür¬
liche Demarcationslinie zwischen türkischen Ost- und Westslaven, zwischen Rußland
und Oestreich, zwischen dem schwarzen und adriatischen Meer, sie kann die Schei-
dungslinie werden zwischen despotischer Concentration und freier volksthümliche>
Entwicklung. Die Politik, welche dahin führt, ist einfach und ehrlich, es ist
die Politik der Freiheit und Vernunft.

Zuvor erst einen Blick auf Oestreichs deutsche Staaten und ihre Stellung.
^ Schwierigkeiten eines Anschlusses an das übrige Deutschland, welcher vou
^ Fortschrittspartei in Wien ersehnt, in den Provinzen meist mit Gleichgiltig-
el oder Widerwillen erwartet wird, können dnrch die Wahl selbst eines öftres
Gstwn Prinzen zum Fürst Primas des deutschen Reichs nicht gehoben werden,
' ^"eben, sie fangen erst reckt an. Den" alsdann muß sich der östreichische
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Folge haben konnte, und von dieser Seite betrachtet war die Politik Metternichs
eine Folge der geographischen Lage der östreichischen Staaten. —

Jetzt aber hat ein europäischer Orkan auch die Volkswellen Ihres Ostens
aufgewühlt und ihr Drang geht in diesem Augenblicke entschieden abwärts von
Oestreich. Für Rußland ist jetzt die Zeit gekommen, wo es seinen Ban im Sü¬
den beendigen muß, und wie ihm die Herrschaft über das schwarze Meer und
Constantinopel für das Gedeihen des Dniester - und Dnieprgebietes nöthig
war, so führt jetzt die Herrschaft über Constantinopel und die Donaufürstenthümer
zum Erwerb Bosniens, Serbicus und Dalnuuiens, das heißt zur Herrschaft
über deu Archipel und das adriatische Meer. Wenn Nußland die Moldau und
Walachei besetzt, so werde» Serbien und Bosnien seine Jagdgebiete und die Küsten
des adriatischen Meeres fallen ihm mit beiden von selbst zu. Wahrscheinlich wird
Kaiser Nikolaus die gegenwärtige Krisis Oestreichs uicht benutzen, dies Occnpa-
tionsmanöver vollständig auszuführen, aber er würde bei dem ersten Ungewitter
in England, welches er in der irischen und Chartistcnfrage sowohl, als in Pa-
Pincaus canadischen Agitationen herandämmern sieht, den treuherzigen Glauben
an ein europäisches Gleichgewicht der Kräfte zur Fabel machen. Unterdeß durch -
wühlen die Agenten seiner Politiker Serbien und Bosnien und der Vladika von
Montenegro ist ein junger, ehrgeiziger Manu, welcher die Kraft und Intelligenz
fühlt eine politische Rolle zu spielen. Dagegen aber liegt es im höchsten Interesse
Deutschlands und des übrigen Europa, daß Oestreich die dringende Gefahr, in
welcher seine Außenländer stehen, begreife und deu Muth gewinne ihr zu be¬
gegnen, und noch ist es, trotz allen Schwierigkeiten, mit welchen Ihre Regierung
im Innern zu kämpfen hat, möglich, die große Aufgabe, welche dem Kaiserstaat
Oestreich gesetzt war, zu lösen, noch ist es möglich die schwankenden Besitznuge»
einem starken Gegner gegenüber zu befestigen, und ohne Kampf, ohne Intriguen
eine vollständigere Arrondirung zu gewinnen, welche Ihnen Bosnien und Serbien
anzieht und bei einer Krisis der Türkei mit Oestreich vereinigt. Eine Linie,
welche von Widdin nach dem Busen von Salvnik gezogen wird, ist die natür¬
liche Demarcationslinie zwischen türkischen Ost- und Westslaven, zwischen Rußland
und Oestreich, zwischen dem schwarzen und adriatischen Meer, sie kann die Schei-
dungslinie werden zwischen despotischer Concentration und freier volksthümliche>
Entwicklung. Die Politik, welche dahin führt, ist einfach und ehrlich, es ist
die Politik der Freiheit und Vernunft.

Zuvor erst einen Blick auf Oestreichs deutsche Staaten und ihre Stellung.
^ Schwierigkeiten eines Anschlusses an das übrige Deutschland, welcher vou
^ Fortschrittspartei in Wien ersehnt, in den Provinzen meist mit Gleichgiltig-
el oder Widerwillen erwartet wird, können dnrch die Wahl selbst eines öftres
Gstwn Prinzen zum Fürst Primas des deutschen Reichs nicht gehoben werden,
' ^"eben, sie fangen erst reckt an. Den» alsdann muß sich der östreichische
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/37>, abgerufen am 26.06.2024.