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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Zuversicht, die Schicksale Siebenbürgens würden weder in Klansenbnrg, noch in
Pesth, sondern in Bukarest und Jassy entschieden werden.

Große Besorgnisse erregte bei der Bevölkerung Siebenbürgens der Umstand,
daß Nußland anch zu den Walachen seine Emissäre schickte, um dieselben für sich
zu gewinnen und mit der Besetzung der Donaufürstenthümer und vielleicht anch --
bei einer nationalen Erhebung der Walachen zu Gunsten Rußlands -- mit- der
Einnahme Siebenbürgens leichter fertig zu werden. Aber Rußlands Pläne schei¬
terten, da die Walachen wohl eine nationale Erhebung, aber keinen rnsstschen
Schutz und keine russische Freiheit sich herbeiwünschten. Am klarsten zeigte sich
dies bei der Revolution in Bukarest am S3. Juni, in Folge deren Alles, was
russisch war, die Walachei verließ.

Der sehnlichste Wunsch der Magyaren war durch die Vereinigung Sieben¬
bürgens mit Ungarn befriedigt. Der Landtag dauerte noch fort, da er die Be¬
stätigung des Unionögesetzes vom Kaiser abwartete. Als diese erlangt war, wurde
M 18. Juli in einer feierlichen Sitzung der letzte Landtag Siebenbürgens ge¬
schlossen und die meisten Stände begaben sich nach Pesth. Die Szekler waren,
wenn anch nur einigermaßen, beruhigt durch den Beschluß des Landtags vom 2.
Juni, dem zufolge dir bisherigen Militärgrenzverhältnisse derselben aufgehoben
und die unter den Waffen stehenden Szekler für Nationalgarten erklärt wurden.
Zugleich versprach man ihnen, das Ministerium werde dafür sorgen, daß künftig
die amtlichen Schriften und Kommandoworte bei denselben magyarisch seien. Dieser
Versprechungen ungeachtet, ließen sie sich nur sehr ungerne zum Zuge gegen die auf-
gestandenen Serben bewegen, ja als die Nationalgarde der Szekler in Marosch-
Vascharhely mobil gemacht werden sollte, riß sie nnter dem Wuthgeschrei: "ist
das die Union!" die ungarischen Farben herab und trat sie in den Schmutz.
Unduldsam aber, wie früher, waren die Magvaren gegen die Sachsen und Wa¬
lachen. Der alte Haß war nicht eingeschlafen. Dies zeigte sich wieder, als in
Broos Magyaren und Walachen am 2. Juni einen feierlichen Umzug zu Ehren der
Union hielten. Vor der Wohnung der magyarischen Beamten wurden die Fahnen
geschwenkt und ihnen ein Lebehoch gebracht; an den Wohnungen der sächsische,, Be¬
amten dagegen wurden die Fahnen mit dem Stiel aufwärts vorbeigeiragen und
denselben ein "Nieder" gerufen. Bei einem an demselben Abend gefeierten Gelage
trank ein magyarischer Freiherr auf den Untergang aller Sachsen, und als die
Genossen seinem Beispiele nicht nachfolgen wollten, wurden blos einige biedere
Sachsen hervorgehoben, denen man einstimmig den Untergang von Herzen wünschte.
Stürmisch und gewaltthätig ging es in Broos bei der Abgeordnetenwahl zum
Pesther Reichstage zu. Die Deutsche" wurden ans alle Weise an ihrer freien
Willensäußerung verhindert, ein deutscher Redner sogar durch Steinwürfe (der
magyarische Polizeidirector machte dabei den Anfang!) zu>n Stillschweige"! geiMHM
Sämmtliche Deutsche wählten nicht mit und die Wahl fiel zum Nachtheil aller


Zuversicht, die Schicksale Siebenbürgens würden weder in Klansenbnrg, noch in
Pesth, sondern in Bukarest und Jassy entschieden werden.

Große Besorgnisse erregte bei der Bevölkerung Siebenbürgens der Umstand,
daß Nußland anch zu den Walachen seine Emissäre schickte, um dieselben für sich
zu gewinnen und mit der Besetzung der Donaufürstenthümer und vielleicht anch —
bei einer nationalen Erhebung der Walachen zu Gunsten Rußlands — mit- der
Einnahme Siebenbürgens leichter fertig zu werden. Aber Rußlands Pläne schei¬
terten, da die Walachen wohl eine nationale Erhebung, aber keinen rnsstschen
Schutz und keine russische Freiheit sich herbeiwünschten. Am klarsten zeigte sich
dies bei der Revolution in Bukarest am S3. Juni, in Folge deren Alles, was
russisch war, die Walachei verließ.

Der sehnlichste Wunsch der Magyaren war durch die Vereinigung Sieben¬
bürgens mit Ungarn befriedigt. Der Landtag dauerte noch fort, da er die Be¬
stätigung des Unionögesetzes vom Kaiser abwartete. Als diese erlangt war, wurde
M 18. Juli in einer feierlichen Sitzung der letzte Landtag Siebenbürgens ge¬
schlossen und die meisten Stände begaben sich nach Pesth. Die Szekler waren,
wenn anch nur einigermaßen, beruhigt durch den Beschluß des Landtags vom 2.
Juni, dem zufolge dir bisherigen Militärgrenzverhältnisse derselben aufgehoben
und die unter den Waffen stehenden Szekler für Nationalgarten erklärt wurden.
Zugleich versprach man ihnen, das Ministerium werde dafür sorgen, daß künftig
die amtlichen Schriften und Kommandoworte bei denselben magyarisch seien. Dieser
Versprechungen ungeachtet, ließen sie sich nur sehr ungerne zum Zuge gegen die auf-
gestandenen Serben bewegen, ja als die Nationalgarde der Szekler in Marosch-
Vascharhely mobil gemacht werden sollte, riß sie nnter dem Wuthgeschrei: „ist
das die Union!" die ungarischen Farben herab und trat sie in den Schmutz.
Unduldsam aber, wie früher, waren die Magvaren gegen die Sachsen und Wa¬
lachen. Der alte Haß war nicht eingeschlafen. Dies zeigte sich wieder, als in
Broos Magyaren und Walachen am 2. Juni einen feierlichen Umzug zu Ehren der
Union hielten. Vor der Wohnung der magyarischen Beamten wurden die Fahnen
geschwenkt und ihnen ein Lebehoch gebracht; an den Wohnungen der sächsische,, Be¬
amten dagegen wurden die Fahnen mit dem Stiel aufwärts vorbeigeiragen und
denselben ein „Nieder" gerufen. Bei einem an demselben Abend gefeierten Gelage
trank ein magyarischer Freiherr auf den Untergang aller Sachsen, und als die
Genossen seinem Beispiele nicht nachfolgen wollten, wurden blos einige biedere
Sachsen hervorgehoben, denen man einstimmig den Untergang von Herzen wünschte.
Stürmisch und gewaltthätig ging es in Broos bei der Abgeordnetenwahl zum
Pesther Reichstage zu. Die Deutsche» wurden ans alle Weise an ihrer freien
Willensäußerung verhindert, ein deutscher Redner sogar durch Steinwürfe (der
magyarische Polizeidirector machte dabei den Anfang!) zu>n Stillschweige»! geiMHM
Sämmtliche Deutsche wählten nicht mit und die Wahl fiel zum Nachtheil aller


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[0364] Zuversicht, die Schicksale Siebenbürgens würden weder in Klansenbnrg, noch in Pesth, sondern in Bukarest und Jassy entschieden werden. Große Besorgnisse erregte bei der Bevölkerung Siebenbürgens der Umstand, daß Nußland anch zu den Walachen seine Emissäre schickte, um dieselben für sich zu gewinnen und mit der Besetzung der Donaufürstenthümer und vielleicht anch — bei einer nationalen Erhebung der Walachen zu Gunsten Rußlands — mit- der Einnahme Siebenbürgens leichter fertig zu werden. Aber Rußlands Pläne schei¬ terten, da die Walachen wohl eine nationale Erhebung, aber keinen rnsstschen Schutz und keine russische Freiheit sich herbeiwünschten. Am klarsten zeigte sich dies bei der Revolution in Bukarest am S3. Juni, in Folge deren Alles, was russisch war, die Walachei verließ. Der sehnlichste Wunsch der Magyaren war durch die Vereinigung Sieben¬ bürgens mit Ungarn befriedigt. Der Landtag dauerte noch fort, da er die Be¬ stätigung des Unionögesetzes vom Kaiser abwartete. Als diese erlangt war, wurde M 18. Juli in einer feierlichen Sitzung der letzte Landtag Siebenbürgens ge¬ schlossen und die meisten Stände begaben sich nach Pesth. Die Szekler waren, wenn anch nur einigermaßen, beruhigt durch den Beschluß des Landtags vom 2. Juni, dem zufolge dir bisherigen Militärgrenzverhältnisse derselben aufgehoben und die unter den Waffen stehenden Szekler für Nationalgarten erklärt wurden. Zugleich versprach man ihnen, das Ministerium werde dafür sorgen, daß künftig die amtlichen Schriften und Kommandoworte bei denselben magyarisch seien. Dieser Versprechungen ungeachtet, ließen sie sich nur sehr ungerne zum Zuge gegen die auf- gestandenen Serben bewegen, ja als die Nationalgarde der Szekler in Marosch- Vascharhely mobil gemacht werden sollte, riß sie nnter dem Wuthgeschrei: „ist das die Union!" die ungarischen Farben herab und trat sie in den Schmutz. Unduldsam aber, wie früher, waren die Magvaren gegen die Sachsen und Wa¬ lachen. Der alte Haß war nicht eingeschlafen. Dies zeigte sich wieder, als in Broos Magyaren und Walachen am 2. Juni einen feierlichen Umzug zu Ehren der Union hielten. Vor der Wohnung der magyarischen Beamten wurden die Fahnen geschwenkt und ihnen ein Lebehoch gebracht; an den Wohnungen der sächsische,, Be¬ amten dagegen wurden die Fahnen mit dem Stiel aufwärts vorbeigeiragen und denselben ein „Nieder" gerufen. Bei einem an demselben Abend gefeierten Gelage trank ein magyarischer Freiherr auf den Untergang aller Sachsen, und als die Genossen seinem Beispiele nicht nachfolgen wollten, wurden blos einige biedere Sachsen hervorgehoben, denen man einstimmig den Untergang von Herzen wünschte. Stürmisch und gewaltthätig ging es in Broos bei der Abgeordnetenwahl zum Pesther Reichstage zu. Die Deutsche» wurden ans alle Weise an ihrer freien Willensäußerung verhindert, ein deutscher Redner sogar durch Steinwürfe (der magyarische Polizeidirector machte dabei den Anfang!) zu>n Stillschweige»! geiMHM Sämmtliche Deutsche wählten nicht mit und die Wahl fiel zum Nachtheil aller

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/364>, abgerufen am 29.06.2024.