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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Deutschen auf den Magyaren Leszai und den walachischen Erzpriester Poppolvitsch.
Gegen eine solche, allem Recht Hohn sprechende Wahl protestirte die Nations¬
universität auss Entschiedenste, weil an der Aufrechthaltung gerade des Brooser
Deutschthums sehr viel lag. Noch eigenmächtiger verfuhren die Magyaren mit
Sächsisch-Reen, das schon seit Jahren beim Hofe seine Erhebung zu einer Stadt
betrieb, da es von der Gespauuschaftsbehörde so gut wie getrennt dastand. Als
Marktflecken mit eigenem Magistrat zählte es mehr als "00 Wähler; allein die
Magyaren betrachteten es als Dorf, entwarfen eine Liste von 45 Wählern und
forderten auch diese auf, 1^ Tagereise weit nach Thorenburg (Thorda) zu ziehen,
wo die Wahl stattfinden solle. So suchten die Magyaren das neue Wahlgesetz
in ihrem Sinne auszubeuten.

Ein noch weit empfindlicherer Schlag traf in Gesetzesform die sächsische Geist¬
lichkeit, indem der Landtag die Zehnten derselben aufhob, ohne zu bedenken, daß
die sächsischen Pfarrer an den Fiskus die drückenden Abgaben für das laufende Jahr
schon gezahlt hatten. Dagegen legte die Synode augsburgischen Bekenntnisses
beim Kaiser, beim Ministerium und beim Gubernium Verwahrung ein; sie weigerte
sich nicht, die Zehnten fahren zu lassen, sie wollte nur die zukünftige Besoldung
festgestellt wissen, bevor sie ein altes Recht aus den Händen ließ und vor allen
Dingen wollte sie denselben die wohlverdienten Einkünfte für das laufende Jahr
sichern. --

- Nichtsdestoweniger hatten die Magyaren erreicht, was sie durch jenen Beschluß,
beabsichtigt hatten; hie und da verweigerten die sächsischen Bauern den Zehnten
und mußten mit Waffengewalt zur Abgabe desselben gezwungen werden, da die
Zehntabgabe auf einem Vertrage beruht, welcher nicht von den Magyaren aufge¬
hoben werden konnte, ohne augenblicklichen Ersatz dafür zu leisten.

Dies Alles zeigte deutlich, daß sich die Magyaren viele Mühe gaben, den
Sachsen ein Recht nach dem andern zu entreißen. Besonders bestrebten sich Einige
von ihnen, die öffentliche Meinung, vorzüglich Deutschlands, zu bestechen, indem
sie in aller Eile den ausländischen Zeitungen in ihrem Interesse geschriebene Be¬
richte zusandten und bisweilen Miene machten, die Freiheit der deutschen Presse in
Siebenbürgen, der gefährlichsten Waffe der Sachsen gegen den MagyariSmnS, ein
wenig zu beschränken. Ihre Erbitterung über den siebenbürger Boten war a"
ßerordentlich, weil dieser die Blutthat der Szekler bei Mihalezfalva gemäß der von
den Walachen verfaßten Darlegung des Thatbestandes schonungslos veröffentlicht
hatte. Ganz vorzüglich machte es sich die magyarische Zeitung in Klauscnburg
zur Hauptaufgabe, die tüchtigsten Männer der Sachsen und Walachen zu verdäch¬
tigen. Wie weit dies Treibe" der Presse ging, kann man daraus ersehen, daß
eine sogar zur Errichtung einer Freischaar gegen die Sachsen und Walachen auf¬
forderte. Sogar im Landtagssaal hatten die Lügengerüchte, die über Hei man u -
stqdt verbreitet waren, Eingang gefunden. Der Antrag eines magyarischen Ab-


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Deutschen auf den Magyaren Leszai und den walachischen Erzpriester Poppolvitsch.
Gegen eine solche, allem Recht Hohn sprechende Wahl protestirte die Nations¬
universität auss Entschiedenste, weil an der Aufrechthaltung gerade des Brooser
Deutschthums sehr viel lag. Noch eigenmächtiger verfuhren die Magyaren mit
Sächsisch-Reen, das schon seit Jahren beim Hofe seine Erhebung zu einer Stadt
betrieb, da es von der Gespauuschaftsbehörde so gut wie getrennt dastand. Als
Marktflecken mit eigenem Magistrat zählte es mehr als «00 Wähler; allein die
Magyaren betrachteten es als Dorf, entwarfen eine Liste von 45 Wählern und
forderten auch diese auf, 1^ Tagereise weit nach Thorenburg (Thorda) zu ziehen,
wo die Wahl stattfinden solle. So suchten die Magyaren das neue Wahlgesetz
in ihrem Sinne auszubeuten.

Ein noch weit empfindlicherer Schlag traf in Gesetzesform die sächsische Geist¬
lichkeit, indem der Landtag die Zehnten derselben aufhob, ohne zu bedenken, daß
die sächsischen Pfarrer an den Fiskus die drückenden Abgaben für das laufende Jahr
schon gezahlt hatten. Dagegen legte die Synode augsburgischen Bekenntnisses
beim Kaiser, beim Ministerium und beim Gubernium Verwahrung ein; sie weigerte
sich nicht, die Zehnten fahren zu lassen, sie wollte nur die zukünftige Besoldung
festgestellt wissen, bevor sie ein altes Recht aus den Händen ließ und vor allen
Dingen wollte sie denselben die wohlverdienten Einkünfte für das laufende Jahr
sichern. —

- Nichtsdestoweniger hatten die Magyaren erreicht, was sie durch jenen Beschluß,
beabsichtigt hatten; hie und da verweigerten die sächsischen Bauern den Zehnten
und mußten mit Waffengewalt zur Abgabe desselben gezwungen werden, da die
Zehntabgabe auf einem Vertrage beruht, welcher nicht von den Magyaren aufge¬
hoben werden konnte, ohne augenblicklichen Ersatz dafür zu leisten.

Dies Alles zeigte deutlich, daß sich die Magyaren viele Mühe gaben, den
Sachsen ein Recht nach dem andern zu entreißen. Besonders bestrebten sich Einige
von ihnen, die öffentliche Meinung, vorzüglich Deutschlands, zu bestechen, indem
sie in aller Eile den ausländischen Zeitungen in ihrem Interesse geschriebene Be¬
richte zusandten und bisweilen Miene machten, die Freiheit der deutschen Presse in
Siebenbürgen, der gefährlichsten Waffe der Sachsen gegen den MagyariSmnS, ein
wenig zu beschränken. Ihre Erbitterung über den siebenbürger Boten war a»
ßerordentlich, weil dieser die Blutthat der Szekler bei Mihalezfalva gemäß der von
den Walachen verfaßten Darlegung des Thatbestandes schonungslos veröffentlicht
hatte. Ganz vorzüglich machte es sich die magyarische Zeitung in Klauscnburg
zur Hauptaufgabe, die tüchtigsten Männer der Sachsen und Walachen zu verdäch¬
tigen. Wie weit dies Treibe» der Presse ging, kann man daraus ersehen, daß
eine sogar zur Errichtung einer Freischaar gegen die Sachsen und Walachen auf¬
forderte. Sogar im Landtagssaal hatten die Lügengerüchte, die über Hei man u -
stqdt verbreitet waren, Eingang gefunden. Der Antrag eines magyarischen Ab-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/365>, abgerufen am 29.06.2024.