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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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mit großer Mehrheit für die Abgeordneten. Hermannstadt, das seine Abgeordneten
vom Landtag abberufen hatte, jedoch sein Beispiel von keinem andern Kreise be¬
folgt sah, fand sich veranlaßt, die Abgeordneten nach ihrer Rechtfertigung wieder
zurückzuschicken. Alle sächsischen Kreise fingen jedoch an, in der Unionssache sich zu
beruhigen, als sie erfuhren, der Kaiser habe schon am 29. Mai --- also noch be¬
vor die Union von den Stauden ausgesprochen war -- die Verwaltung Sieben¬
bürgens dem Palatin von Ungarn übertragen; noch mehr, als die Kunde kam,
der Kaiser habe die Union bestätigt und die sächsische Deputation, die, von der
Unionsnachricht in Wien überrascht, sogleich nach Insbruck eilte, am -1. Juni mit
der Erklärung in ihre Heimath entlassen: ihre Besorgnisse seien ungegründet; er
werde wie bisher so auch fernerhin seine treuen Sachsen in ihren Rechten und
Freiheiten beschützen. Die Onigteit zwischen den Parteien unter den sächsischen
Kreisen kam jedoch erst auf der verstärkte" Nationsnniversität, die in Hermann¬
stadt am 20. Juni zusammentrat, zu Staude und nun konnten wieder kräftige und
entschlossene Schritte zur Behauptung der Bolksrechte gethan werden. Es wurde
festgestellt, was vom ungarischen Reichstag verlangt werde" sollte, um sür die Zu¬
kunft als freies deutsches Volt dastehen zu können. Am l. Juli stattete die De¬
putation, die in Deutschland gewesen war, über ihre Sendung Bericht ab. Un¬
beschreiblich war die Rührung, die damals alle Anwesende ergriffen hatte, bei Er¬
wähnung der innigen Theilnahme Deutschlands an den nationalen Bestrebungen
der siebenbürger Sachsen und vou dem Augenblicke an war das Band der
Freundschaft zwischen den siebenbürger Sachsen und dein deutschen Mutterlande
unauflöslich festgeschlungen. Gleichzeitig wurde eine neue Deputation nach Frank-
furt am Main gewählt, die, mit den nöthigen Vollmachten versehen, bei der con-
stituirenden Rationalversammlung im Falle eines Bündnisses mit Ungarn für die
Berücksichtigung ihres Volksthums wirken sollte. Am 2. Juli ging die verstärkte
Nationsnniversität auseinander, nachdem sich die Mitglieder derselben gegenseitig
den feierlichen und erhebenden Schwur geleistet hatte", entschlossen und vereint
aufzutreten und Jeder in seinem Kreise das Wohl des Volkes zu befördern.

Zwischen den Magyaren und Walachen war es noch in den ersten Tagen des
Landtages zum Blutvergießen gekommen. Die walachischen Bewohner von Kos
lard und Mihalezfalva am Marosch hatten, dnrch Aufwiegler verführt, das Ei¬
genthum ihrer Grundherren angegriffen und die Untersuchungscommission abgewie¬
sen. Darauf besetzten jene zwei Compagnien Szet'ter, die in Uzon den Gehorsam
verweigert hatten, und die Bürgergarde von Nagy-Enyed das Dorf Kvslard. Als
ein gleiches Schicksal anch den Mihalczfalvaern drohte, riefen diese ihre Nachbar-
dörfer zu Hilfe und widersetzten sich 3000 Mann stark am 2. Juni dem Einzug
der Szekler in ihr Dorf, indem sie dieselben Gewaltthätigkeiten gegen ihre Weibev
und Mädchen fürchteten, wie dies schon in Koslard geschehen war. Beinahe fünf


mit großer Mehrheit für die Abgeordneten. Hermannstadt, das seine Abgeordneten
vom Landtag abberufen hatte, jedoch sein Beispiel von keinem andern Kreise be¬
folgt sah, fand sich veranlaßt, die Abgeordneten nach ihrer Rechtfertigung wieder
zurückzuschicken. Alle sächsischen Kreise fingen jedoch an, in der Unionssache sich zu
beruhigen, als sie erfuhren, der Kaiser habe schon am 29. Mai -— also noch be¬
vor die Union von den Stauden ausgesprochen war — die Verwaltung Sieben¬
bürgens dem Palatin von Ungarn übertragen; noch mehr, als die Kunde kam,
der Kaiser habe die Union bestätigt und die sächsische Deputation, die, von der
Unionsnachricht in Wien überrascht, sogleich nach Insbruck eilte, am -1. Juni mit
der Erklärung in ihre Heimath entlassen: ihre Besorgnisse seien ungegründet; er
werde wie bisher so auch fernerhin seine treuen Sachsen in ihren Rechten und
Freiheiten beschützen. Die Onigteit zwischen den Parteien unter den sächsischen
Kreisen kam jedoch erst auf der verstärkte» Nationsnniversität, die in Hermann¬
stadt am 20. Juni zusammentrat, zu Staude und nun konnten wieder kräftige und
entschlossene Schritte zur Behauptung der Bolksrechte gethan werden. Es wurde
festgestellt, was vom ungarischen Reichstag verlangt werde» sollte, um sür die Zu¬
kunft als freies deutsches Volt dastehen zu können. Am l. Juli stattete die De¬
putation, die in Deutschland gewesen war, über ihre Sendung Bericht ab. Un¬
beschreiblich war die Rührung, die damals alle Anwesende ergriffen hatte, bei Er¬
wähnung der innigen Theilnahme Deutschlands an den nationalen Bestrebungen
der siebenbürger Sachsen und vou dem Augenblicke an war das Band der
Freundschaft zwischen den siebenbürger Sachsen und dein deutschen Mutterlande
unauflöslich festgeschlungen. Gleichzeitig wurde eine neue Deputation nach Frank-
furt am Main gewählt, die, mit den nöthigen Vollmachten versehen, bei der con-
stituirenden Rationalversammlung im Falle eines Bündnisses mit Ungarn für die
Berücksichtigung ihres Volksthums wirken sollte. Am 2. Juli ging die verstärkte
Nationsnniversität auseinander, nachdem sich die Mitglieder derselben gegenseitig
den feierlichen und erhebenden Schwur geleistet hatte», entschlossen und vereint
aufzutreten und Jeder in seinem Kreise das Wohl des Volkes zu befördern.

Zwischen den Magyaren und Walachen war es noch in den ersten Tagen des
Landtages zum Blutvergießen gekommen. Die walachischen Bewohner von Kos
lard und Mihalezfalva am Marosch hatten, dnrch Aufwiegler verführt, das Ei¬
genthum ihrer Grundherren angegriffen und die Untersuchungscommission abgewie¬
sen. Darauf besetzten jene zwei Compagnien Szet'ter, die in Uzon den Gehorsam
verweigert hatten, und die Bürgergarde von Nagy-Enyed das Dorf Kvslard. Als
ein gleiches Schicksal anch den Mihalczfalvaern drohte, riefen diese ihre Nachbar-
dörfer zu Hilfe und widersetzten sich 3000 Mann stark am 2. Juni dem Einzug
der Szekler in ihr Dorf, indem sie dieselben Gewaltthätigkeiten gegen ihre Weibev
und Mädchen fürchteten, wie dies schon in Koslard geschehen war. Beinahe fünf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/362>, abgerufen am 29.06.2024.