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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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besänftigen. Allein, als er dem versammelten Volke üm l. Inn den Hergang
der Unionsverhandlnngen erzählte, war er nicht im Stände, seinen Zuhörern die
Meinung zu rauben, als ob durch jene Wünsche die Sachsen der Gnade der Ma-
gyaren sammt und sonders wären überliefert worden. Das Volk konnte oder wollte
nicht einsehen, daß nnter den damaligen Umständen jene Wünsche ihm mehr zu
bringen versprachen, als Bedingungen. Allenthalben wurde über die verrätherische
Handlungsweise der Landtagsabgeordneten, besonders des Abgeordneten Gooß, ein
Wuthgeschrei erhoben, sie sollte" abberufen und in Anklagestand versetzt werden.
Noch bevor sie sich vertheidigen konnten, hatte die öffentliche Meinung über sie den
Stab schon gebrochen. Also drückten einige Sachsen, hingerissen durch eine Liebe
zu ihrem Voll'sehnen, die bis zum blindesten Fanatismus gesteigert war, jenen
Männern ihren Dank aus, die hellen Auges ihre" Blick auf die Vergangenheit,
wie auf die Gegenwart und Zukunft ihres Volles heftete", die im entscheidenden
Augenblick mit der Hand auf den" Herzen, ohne sich pedantisch a" ein Blatt Papier
anzuklammern, "ur ans das Beste ihres Volks lossteuernd, durch einen kühne",
unerschrockene" Schritt ihrem Volksstamm das Lebe" zu rette" gehofft hatte".
Verrath an der deutsche" Sache hatte Keiner geübt.

Wie Hermannstadt, so legten fast alle sächsischen Kreise gegen den ihrer Mei-
nung nach zu voreiligen Uniousbeschlnß Verwahrung ein; nur Kronstäbe nicht.
Hermannstadt rief seine Abgeordneten zurück: Kronstäbe billigte das Benehmen
der seinigen und verlangte sogar, die Nationsunivcrsität solle sich auflasen "ut der
Nativilsgraf a" die Spitze der Landtagsabgeordneten "ach Klanscnburg gehen.
Der Zwiespalt zwischen den beide" Städten nahm einen sehr ernsten Charakter an.
Das in Kronstäbe erscheinende siebenbürger Wochenblatt wurde in Hermannstadt
verpönt; der Verleger desselben, Buchdrucker Gött, sah sich sogar genöthigt, de"
Vorwurf des Verraths am Sachseuthum durch die Erklärung vo" sich abzuwälzen,
er werde, wie früher nnter dem allmächtigen Hofkanzler Josika, unter dessen frei-
heitsfeindlicher Bcrwaltuug er mehrere Male des freien Wortes wegen mit His->
calactiou belegt wurde und eine geheime Ageuleustclle in Wien >>-!'. zurückgewie-
fe" hatte, so auch jetzt fortfahre", der heiligen deutscheu Sache treu zu bleibe"
bis zum letzten Athemzuge. Die Ausgleichung der Parteien hoffte mau auf einer
große" Volksversammlung zu erziele". Doch diese kam nicht zu Stande. Wäh-
rend "un in Hermannstadt sogar die sächsischen Frauen den Schutz der Kaiserin
anriefe", während in Hermannstadt ein Cvmitv von Männern des VolkSvertrancus
aus sämmtlichen Sachsenkreise" sich zu bilden anfing, um die Wünsche und Ansich¬
ten des Volkes zu vertreten, während Hermannstadt neuerdings den Walachei,, von
denen ein Theil gleichzeitig an den Sachsen treulos wurde, sich freundlich näherte,
gewann in den übrige" Kreisen nach reiflicher Erwägung der Umstände die gute
Sache der Landtagsabgeordneten die Oberhand. Schäßbnrg, anfangs in zwei
Heerlager getheilt, entschied sich, wie später Medwisch, in einer Volksversammlung


besänftigen. Allein, als er dem versammelten Volke üm l. Inn den Hergang
der Unionsverhandlnngen erzählte, war er nicht im Stände, seinen Zuhörern die
Meinung zu rauben, als ob durch jene Wünsche die Sachsen der Gnade der Ma-
gyaren sammt und sonders wären überliefert worden. Das Volk konnte oder wollte
nicht einsehen, daß nnter den damaligen Umständen jene Wünsche ihm mehr zu
bringen versprachen, als Bedingungen. Allenthalben wurde über die verrätherische
Handlungsweise der Landtagsabgeordneten, besonders des Abgeordneten Gooß, ein
Wuthgeschrei erhoben, sie sollte» abberufen und in Anklagestand versetzt werden.
Noch bevor sie sich vertheidigen konnten, hatte die öffentliche Meinung über sie den
Stab schon gebrochen. Also drückten einige Sachsen, hingerissen durch eine Liebe
zu ihrem Voll'sehnen, die bis zum blindesten Fanatismus gesteigert war, jenen
Männern ihren Dank aus, die hellen Auges ihre» Blick auf die Vergangenheit,
wie auf die Gegenwart und Zukunft ihres Volles heftete», die im entscheidenden
Augenblick mit der Hand auf den« Herzen, ohne sich pedantisch a» ein Blatt Papier
anzuklammern, »ur ans das Beste ihres Volks lossteuernd, durch einen kühne»,
unerschrockene» Schritt ihrem Volksstamm das Lebe» zu rette» gehofft hatte».
Verrath an der deutsche» Sache hatte Keiner geübt.

Wie Hermannstadt, so legten fast alle sächsischen Kreise gegen den ihrer Mei-
nung nach zu voreiligen Uniousbeschlnß Verwahrung ein; nur Kronstäbe nicht.
Hermannstadt rief seine Abgeordneten zurück: Kronstäbe billigte das Benehmen
der seinigen und verlangte sogar, die Nationsunivcrsität solle sich auflasen »ut der
Nativilsgraf a» die Spitze der Landtagsabgeordneten »ach Klanscnburg gehen.
Der Zwiespalt zwischen den beide» Städten nahm einen sehr ernsten Charakter an.
Das in Kronstäbe erscheinende siebenbürger Wochenblatt wurde in Hermannstadt
verpönt; der Verleger desselben, Buchdrucker Gött, sah sich sogar genöthigt, de»
Vorwurf des Verraths am Sachseuthum durch die Erklärung vo» sich abzuwälzen,
er werde, wie früher nnter dem allmächtigen Hofkanzler Josika, unter dessen frei-
heitsfeindlicher Bcrwaltuug er mehrere Male des freien Wortes wegen mit His->
calactiou belegt wurde und eine geheime Ageuleustclle in Wien >>-!'. zurückgewie-
fe» hatte, so auch jetzt fortfahre», der heiligen deutscheu Sache treu zu bleibe»
bis zum letzten Athemzuge. Die Ausgleichung der Parteien hoffte mau auf einer
große» Volksversammlung zu erziele». Doch diese kam nicht zu Stande. Wäh-
rend »un in Hermannstadt sogar die sächsischen Frauen den Schutz der Kaiserin
anriefe», während in Hermannstadt ein Cvmitv von Männern des VolkSvertrancus
aus sämmtlichen Sachsenkreise» sich zu bilden anfing, um die Wünsche und Ansich¬
ten des Volkes zu vertreten, während Hermannstadt neuerdings den Walachei,, von
denen ein Theil gleichzeitig an den Sachsen treulos wurde, sich freundlich näherte,
gewann in den übrige» Kreisen nach reiflicher Erwägung der Umstände die gute
Sache der Landtagsabgeordneten die Oberhand. Schäßbnrg, anfangs in zwei
Heerlager getheilt, entschied sich, wie später Medwisch, in einer Volksversammlung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/361>, abgerufen am 28.09.2024.