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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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neu" Demokraten, die "Republikaner" Nichts, als zu schreien: keinen König, ke'l.
man König!

Diejenigen Demokraten, die wir als die Männer der positiven, praktischen
und staatsmännischen Wirksamkeit charakterisiren wollen, sind bis jetzt sehr verein¬
zelt gewesen und wo sie wirklich in einer Körperschaft Zusammenhalt hatten, konnte
diese keinen festen Boden finden, da sie unsicher zwischen jener radikal-demokra¬
tischen und der specifisch konstitutionellen schwankte. Wie wir unserem Breslau das
Lob ertheilen mußten, daß seine demokratische Partei sich die Ausschreitungen
der übrigen weniger hat zu Schulden kommen lassen, so hoffen wir, daß es
auch den Ruhm haben wird, diese neue Gestaltung der Demokratie zuerst zu or-
ganisiren. Die neue Fraktion will uicht darauf versessen sein, ihre Prinzipien
vorzureiten, sondern sie untersucht, wie sie für die Verwirklichung derselben poli¬
tisch wirksam auftritt, wie sie dieselben praktisch mit der Wirklichkeit vermittle.
Deshalb ist sie anch nicht rein negativ, sie braucht nicht erst mit dem Zerstören
fertig zu sein, ehe sie ans Aufbauen kommt, sondern, wie im Wachsen der Natur
das Vergehn unmittelbar auch das Entstehen ist, so geschieht durch sie das Auf¬
heben des Alten nnr dadurch, daß sie ein Neues aus ihm schasst. Sie beginnt nicht
damit, daß sie das Königthum zerstört, sondern daß sie Männer bildet, welche
sich selbst zu regieren wissen. Sie soll bei der .Kritik nicht den Gegenstand, bei der
Abstraction nicht den Inhalt verlieren und bei der UnVollkommenheit der Wirk¬
lichkeit nicht die ganze Wirklichkeit selbst, sondern nur ihre UnvoMommenheiten auf¬
heben und sie selbst zum Vollendeteren zu gestalten streben.

Klar stellt sich dieser Gegensatz in drei Punkten heraus, Z) bei Lösung der
sozialen Frage, 2) darin, ob man als Tendenz der Vereinigung eine bestimmte
Staatsform ausspricht, und Z) in der deutschen Frage.

Die soziale Frage will die neue Partei nicht durch Garantie der Arbeit oder
gar der Wohlfahrt gelöst wissen. Sie hält das nicht allein für unmöglich, son¬
dern nicht einmal für wünschenswerth, für verninftig. Wir wollen nicht die ganze
Geschichte mit Füßen treten, alles Vorhandene, das Gute wie das Schlechte,
fortrasiren und dann ans dieser Oede dem Genie der Demagogen vertrauen, eine
neue, noch nie dagewesene soziale Republik zu gründen; wir wollen fortbauen auf
dem vorhandenen Boden mit den gegebenen Elementen, und nicht auf die Ge¬
fahr hin, alle geistige, Errungenschaft des Nationallebens zu verlieren und uns
Alle als Lampe wiederzufinden, uns von der Aussicht fortreißen lassen, alle einst
mäßig zu arbeiten und mäßig zu essen. Wir wissen, daß die Männer, welche
der Theorie des sozialen Staates angehören, die nothwendigsten Elemente und
Anregungen für das Leben des Geistes und die Entwicklung des Charakters ne-
giren, wenn die ganze Individualität der Gesammtheit anheimgegeben wird, wenn
der Einzelne an sie seine Arbeit, sein Verdienst ausgibt und alles ihm Eigenchüm-


neu" Demokraten, die „Republikaner" Nichts, als zu schreien: keinen König, ke'l.
man König!

Diejenigen Demokraten, die wir als die Männer der positiven, praktischen
und staatsmännischen Wirksamkeit charakterisiren wollen, sind bis jetzt sehr verein¬
zelt gewesen und wo sie wirklich in einer Körperschaft Zusammenhalt hatten, konnte
diese keinen festen Boden finden, da sie unsicher zwischen jener radikal-demokra¬
tischen und der specifisch konstitutionellen schwankte. Wie wir unserem Breslau das
Lob ertheilen mußten, daß seine demokratische Partei sich die Ausschreitungen
der übrigen weniger hat zu Schulden kommen lassen, so hoffen wir, daß es
auch den Ruhm haben wird, diese neue Gestaltung der Demokratie zuerst zu or-
ganisiren. Die neue Fraktion will uicht darauf versessen sein, ihre Prinzipien
vorzureiten, sondern sie untersucht, wie sie für die Verwirklichung derselben poli¬
tisch wirksam auftritt, wie sie dieselben praktisch mit der Wirklichkeit vermittle.
Deshalb ist sie anch nicht rein negativ, sie braucht nicht erst mit dem Zerstören
fertig zu sein, ehe sie ans Aufbauen kommt, sondern, wie im Wachsen der Natur
das Vergehn unmittelbar auch das Entstehen ist, so geschieht durch sie das Auf¬
heben des Alten nnr dadurch, daß sie ein Neues aus ihm schasst. Sie beginnt nicht
damit, daß sie das Königthum zerstört, sondern daß sie Männer bildet, welche
sich selbst zu regieren wissen. Sie soll bei der .Kritik nicht den Gegenstand, bei der
Abstraction nicht den Inhalt verlieren und bei der UnVollkommenheit der Wirk¬
lichkeit nicht die ganze Wirklichkeit selbst, sondern nur ihre UnvoMommenheiten auf¬
heben und sie selbst zum Vollendeteren zu gestalten streben.

Klar stellt sich dieser Gegensatz in drei Punkten heraus, Z) bei Lösung der
sozialen Frage, 2) darin, ob man als Tendenz der Vereinigung eine bestimmte
Staatsform ausspricht, und Z) in der deutschen Frage.

Die soziale Frage will die neue Partei nicht durch Garantie der Arbeit oder
gar der Wohlfahrt gelöst wissen. Sie hält das nicht allein für unmöglich, son¬
dern nicht einmal für wünschenswerth, für verninftig. Wir wollen nicht die ganze
Geschichte mit Füßen treten, alles Vorhandene, das Gute wie das Schlechte,
fortrasiren und dann ans dieser Oede dem Genie der Demagogen vertrauen, eine
neue, noch nie dagewesene soziale Republik zu gründen; wir wollen fortbauen auf
dem vorhandenen Boden mit den gegebenen Elementen, und nicht auf die Ge¬
fahr hin, alle geistige, Errungenschaft des Nationallebens zu verlieren und uns
Alle als Lampe wiederzufinden, uns von der Aussicht fortreißen lassen, alle einst
mäßig zu arbeiten und mäßig zu essen. Wir wissen, daß die Männer, welche
der Theorie des sozialen Staates angehören, die nothwendigsten Elemente und
Anregungen für das Leben des Geistes und die Entwicklung des Charakters ne-
giren, wenn die ganze Individualität der Gesammtheit anheimgegeben wird, wenn
der Einzelne an sie seine Arbeit, sein Verdienst ausgibt und alles ihm Eigenchüm-


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[0355] neu" Demokraten, die „Republikaner" Nichts, als zu schreien: keinen König, ke'l. man König! Diejenigen Demokraten, die wir als die Männer der positiven, praktischen und staatsmännischen Wirksamkeit charakterisiren wollen, sind bis jetzt sehr verein¬ zelt gewesen und wo sie wirklich in einer Körperschaft Zusammenhalt hatten, konnte diese keinen festen Boden finden, da sie unsicher zwischen jener radikal-demokra¬ tischen und der specifisch konstitutionellen schwankte. Wie wir unserem Breslau das Lob ertheilen mußten, daß seine demokratische Partei sich die Ausschreitungen der übrigen weniger hat zu Schulden kommen lassen, so hoffen wir, daß es auch den Ruhm haben wird, diese neue Gestaltung der Demokratie zuerst zu or- ganisiren. Die neue Fraktion will uicht darauf versessen sein, ihre Prinzipien vorzureiten, sondern sie untersucht, wie sie für die Verwirklichung derselben poli¬ tisch wirksam auftritt, wie sie dieselben praktisch mit der Wirklichkeit vermittle. Deshalb ist sie anch nicht rein negativ, sie braucht nicht erst mit dem Zerstören fertig zu sein, ehe sie ans Aufbauen kommt, sondern, wie im Wachsen der Natur das Vergehn unmittelbar auch das Entstehen ist, so geschieht durch sie das Auf¬ heben des Alten nnr dadurch, daß sie ein Neues aus ihm schasst. Sie beginnt nicht damit, daß sie das Königthum zerstört, sondern daß sie Männer bildet, welche sich selbst zu regieren wissen. Sie soll bei der .Kritik nicht den Gegenstand, bei der Abstraction nicht den Inhalt verlieren und bei der UnVollkommenheit der Wirk¬ lichkeit nicht die ganze Wirklichkeit selbst, sondern nur ihre UnvoMommenheiten auf¬ heben und sie selbst zum Vollendeteren zu gestalten streben. Klar stellt sich dieser Gegensatz in drei Punkten heraus, Z) bei Lösung der sozialen Frage, 2) darin, ob man als Tendenz der Vereinigung eine bestimmte Staatsform ausspricht, und Z) in der deutschen Frage. Die soziale Frage will die neue Partei nicht durch Garantie der Arbeit oder gar der Wohlfahrt gelöst wissen. Sie hält das nicht allein für unmöglich, son¬ dern nicht einmal für wünschenswerth, für verninftig. Wir wollen nicht die ganze Geschichte mit Füßen treten, alles Vorhandene, das Gute wie das Schlechte, fortrasiren und dann ans dieser Oede dem Genie der Demagogen vertrauen, eine neue, noch nie dagewesene soziale Republik zu gründen; wir wollen fortbauen auf dem vorhandenen Boden mit den gegebenen Elementen, und nicht auf die Ge¬ fahr hin, alle geistige, Errungenschaft des Nationallebens zu verlieren und uns Alle als Lampe wiederzufinden, uns von der Aussicht fortreißen lassen, alle einst mäßig zu arbeiten und mäßig zu essen. Wir wissen, daß die Männer, welche der Theorie des sozialen Staates angehören, die nothwendigsten Elemente und Anregungen für das Leben des Geistes und die Entwicklung des Charakters ne- giren, wenn die ganze Individualität der Gesammtheit anheimgegeben wird, wenn der Einzelne an sie seine Arbeit, sein Verdienst ausgibt und alles ihm Eigenchüm-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/355>, abgerufen am 29.06.2024.