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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Präsidium von Julius Fröbel die deutsche Jugend mit kindlichem EnthusiaSNUs
den Beschluß faßte: Die demokratische Republik, in der die Gesammt¬
heit die Garantie der Freiheit und Wohlfahrt jedes Einzelnen
übernimmt, ist die einzig haltbare Verfassung für Deutschland.'
Unsere beiden Abgeordneten , die anfangs nicht mit ganzem Herzen einstimmen
wollten, so daß wir selbst von einem der Begeisterten sie "Unentschieden" nennen
hörten, die sich scheuten, "die Consequenzen zu ziehen," brachten uns doch zuletzt
den famosen Paragraphen nebst dem Enthusiasmus dafür auch nach Breslau.
Längere Zeit nahm man keine Veranlassung, die Aufmerksamkeit auf diese Congreß-
beschlüsse zu lenken; man ging aber an die Ausführung der Aufforderung, in den
einzelnen Landschaften die Partei durch Provinzialverbäude zu centralisiren. ZU
diesem Behuf hatte man auf den 15. Juli eine" Proviuzialcongreß der'
schlesischen Demokraten ausgeschrieben. In der letzten Club-Sitzung
vor. demselben wurden die Breslauer Abgeordneten dazu gewählt, der Frankftirter
Paragraph wurde vorgebracht und gefragt, ob derselbe vom Club als der seinige
anerkannt werde. Zwar gewann er hierbei die Majorität. Berthold Auerbach
aber, der wiederum die Opposition gegen den §. machte und unter den gewählten
Abgeordneten war, erklärte, wenn er als Deputirter sich auf diesen Paragraphen
stützen solle, so könne er das Amt nicht annehmen. Indeß in der nächsten Aus¬
schußsitzung erklärte man ihm, er sei an diesen Beschluß nicht gebunden, denn es
sei das kein Statut. Als nun die Abgeordneten der meisten Prvvmzialvereine,
die sich wegen des schlechten Klanges des Namens "Demokrat" demokratisch-con-
stitutionell nennen müssen, erklärten, sie konnten nur dann an dem Congresse Theil
nehmen, wenn man die Republik nicht an die Spitze stelle und bei dem Ausspre¬
chen des Princips der Volkssouveräintat die Frage nach der Staatsform offen lasse,
da singen auch die Abgeordneten des Clubs an zu achten, woher der Wind käme,
und um dem Club nicht den Einfluß auf die Provinz entgehen zu lassen, redeten
und stimmten sie fast alle mit denselben Gründen, die sie kürzlich von Auerbach
und Friedmann gegen sich selbst gehört hatten, gegen den Paragraphen , so daß
dieser vom Provinzialverbande nicht angenommen wurde. So hatte die Oppo¬
sitionspartei im Kongreß, die Anhänger der Arbeitsgarantie im Club die Ober-
Hand. Jetzt frägt Auerbach, dem man gesagt, er sei an den Paragraphen nicht
gebunden, ob die andern Alle auch nicht an ihn gebunden seien? Eine neue De¬
batte entsteht. Tüchtige Redner, namentlich Assessor Breinersdorf, ein Theil der
ersten Autoritäten des Clubs, sprachen gegen Garantie der Arbeit, noch nie war
ihr Auftreten so stark "ut das Gewicht ihrer Gründe so bedeutend gewesen und
doch -- was ergibt die Abstimmung? - der Beschluß, die Arbeit sei zu garan-
tiren, wird von Neuem angenommen! Und warum? Weil es sich diesmal um
die "sociale Frage" handelte und --- wie Einzelne glaubten und glauben machten
-- um Wohl und Wehe der arbeitenden Klasse, Garantie der Arbeit? Großes


Präsidium von Julius Fröbel die deutsche Jugend mit kindlichem EnthusiaSNUs
den Beschluß faßte: Die demokratische Republik, in der die Gesammt¬
heit die Garantie der Freiheit und Wohlfahrt jedes Einzelnen
übernimmt, ist die einzig haltbare Verfassung für Deutschland.'
Unsere beiden Abgeordneten , die anfangs nicht mit ganzem Herzen einstimmen
wollten, so daß wir selbst von einem der Begeisterten sie „Unentschieden" nennen
hörten, die sich scheuten, „die Consequenzen zu ziehen," brachten uns doch zuletzt
den famosen Paragraphen nebst dem Enthusiasmus dafür auch nach Breslau.
Längere Zeit nahm man keine Veranlassung, die Aufmerksamkeit auf diese Congreß-
beschlüsse zu lenken; man ging aber an die Ausführung der Aufforderung, in den
einzelnen Landschaften die Partei durch Provinzialverbäude zu centralisiren. ZU
diesem Behuf hatte man auf den 15. Juli eine» Proviuzialcongreß der'
schlesischen Demokraten ausgeschrieben. In der letzten Club-Sitzung
vor. demselben wurden die Breslauer Abgeordneten dazu gewählt, der Frankftirter
Paragraph wurde vorgebracht und gefragt, ob derselbe vom Club als der seinige
anerkannt werde. Zwar gewann er hierbei die Majorität. Berthold Auerbach
aber, der wiederum die Opposition gegen den §. machte und unter den gewählten
Abgeordneten war, erklärte, wenn er als Deputirter sich auf diesen Paragraphen
stützen solle, so könne er das Amt nicht annehmen. Indeß in der nächsten Aus¬
schußsitzung erklärte man ihm, er sei an diesen Beschluß nicht gebunden, denn es
sei das kein Statut. Als nun die Abgeordneten der meisten Prvvmzialvereine,
die sich wegen des schlechten Klanges des Namens „Demokrat" demokratisch-con-
stitutionell nennen müssen, erklärten, sie konnten nur dann an dem Congresse Theil
nehmen, wenn man die Republik nicht an die Spitze stelle und bei dem Ausspre¬
chen des Princips der Volkssouveräintat die Frage nach der Staatsform offen lasse,
da singen auch die Abgeordneten des Clubs an zu achten, woher der Wind käme,
und um dem Club nicht den Einfluß auf die Provinz entgehen zu lassen, redeten
und stimmten sie fast alle mit denselben Gründen, die sie kürzlich von Auerbach
und Friedmann gegen sich selbst gehört hatten, gegen den Paragraphen , so daß
dieser vom Provinzialverbande nicht angenommen wurde. So hatte die Oppo¬
sitionspartei im Kongreß, die Anhänger der Arbeitsgarantie im Club die Ober-
Hand. Jetzt frägt Auerbach, dem man gesagt, er sei an den Paragraphen nicht
gebunden, ob die andern Alle auch nicht an ihn gebunden seien? Eine neue De¬
batte entsteht. Tüchtige Redner, namentlich Assessor Breinersdorf, ein Theil der
ersten Autoritäten des Clubs, sprachen gegen Garantie der Arbeit, noch nie war
ihr Auftreten so stark »ut das Gewicht ihrer Gründe so bedeutend gewesen und
doch — was ergibt die Abstimmung? - der Beschluß, die Arbeit sei zu garan-
tiren, wird von Neuem angenommen! Und warum? Weil es sich diesmal um
die „sociale Frage" handelte und —- wie Einzelne glaubten und glauben machten
— um Wohl und Wehe der arbeitenden Klasse, Garantie der Arbeit? Großes


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[0353] Präsidium von Julius Fröbel die deutsche Jugend mit kindlichem EnthusiaSNUs den Beschluß faßte: Die demokratische Republik, in der die Gesammt¬ heit die Garantie der Freiheit und Wohlfahrt jedes Einzelnen übernimmt, ist die einzig haltbare Verfassung für Deutschland.' Unsere beiden Abgeordneten , die anfangs nicht mit ganzem Herzen einstimmen wollten, so daß wir selbst von einem der Begeisterten sie „Unentschieden" nennen hörten, die sich scheuten, „die Consequenzen zu ziehen," brachten uns doch zuletzt den famosen Paragraphen nebst dem Enthusiasmus dafür auch nach Breslau. Längere Zeit nahm man keine Veranlassung, die Aufmerksamkeit auf diese Congreß- beschlüsse zu lenken; man ging aber an die Ausführung der Aufforderung, in den einzelnen Landschaften die Partei durch Provinzialverbäude zu centralisiren. ZU diesem Behuf hatte man auf den 15. Juli eine» Proviuzialcongreß der' schlesischen Demokraten ausgeschrieben. In der letzten Club-Sitzung vor. demselben wurden die Breslauer Abgeordneten dazu gewählt, der Frankftirter Paragraph wurde vorgebracht und gefragt, ob derselbe vom Club als der seinige anerkannt werde. Zwar gewann er hierbei die Majorität. Berthold Auerbach aber, der wiederum die Opposition gegen den §. machte und unter den gewählten Abgeordneten war, erklärte, wenn er als Deputirter sich auf diesen Paragraphen stützen solle, so könne er das Amt nicht annehmen. Indeß in der nächsten Aus¬ schußsitzung erklärte man ihm, er sei an diesen Beschluß nicht gebunden, denn es sei das kein Statut. Als nun die Abgeordneten der meisten Prvvmzialvereine, die sich wegen des schlechten Klanges des Namens „Demokrat" demokratisch-con- stitutionell nennen müssen, erklärten, sie konnten nur dann an dem Congresse Theil nehmen, wenn man die Republik nicht an die Spitze stelle und bei dem Ausspre¬ chen des Princips der Volkssouveräintat die Frage nach der Staatsform offen lasse, da singen auch die Abgeordneten des Clubs an zu achten, woher der Wind käme, und um dem Club nicht den Einfluß auf die Provinz entgehen zu lassen, redeten und stimmten sie fast alle mit denselben Gründen, die sie kürzlich von Auerbach und Friedmann gegen sich selbst gehört hatten, gegen den Paragraphen , so daß dieser vom Provinzialverbande nicht angenommen wurde. So hatte die Oppo¬ sitionspartei im Kongreß, die Anhänger der Arbeitsgarantie im Club die Ober- Hand. Jetzt frägt Auerbach, dem man gesagt, er sei an den Paragraphen nicht gebunden, ob die andern Alle auch nicht an ihn gebunden seien? Eine neue De¬ batte entsteht. Tüchtige Redner, namentlich Assessor Breinersdorf, ein Theil der ersten Autoritäten des Clubs, sprachen gegen Garantie der Arbeit, noch nie war ihr Auftreten so stark »ut das Gewicht ihrer Gründe so bedeutend gewesen und doch — was ergibt die Abstimmung? - der Beschluß, die Arbeit sei zu garan- tiren, wird von Neuem angenommen! Und warum? Weil es sich diesmal um die „sociale Frage" handelte und —- wie Einzelne glaubten und glauben machten — um Wohl und Wehe der arbeitenden Klasse, Garantie der Arbeit? Großes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/353>, abgerufen am 29.06.2024.