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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Die EntwiMtMg der demokratischen Partei
in B r e s l a n.



Herr Redacteur! Seit lange hat Ihr Blatt von dem polirischen Leben
Breslaus keine Notiz genommen. Es mag das darin seinen Grund haben, daß
die stabile reactionäre Partei, die auch hier manchen Stoff zu pikanten Betrach¬
tungen gegeben hätte, der Polemik der Grenzboten bisher ferner gestanden und
dagegen die demokratische Partei, gegen deren Extravaganzen sie so heilsame Op¬
position gemacht haben, sich dergleichen hier weniger hat zu Schulden kommen
lassen (???). Dennoch war diese Partei in Breslau, so wie die übrigen radical
demokratischen Vereine Deutschlands, mit Ihren Angriffen gegen die Demagogen
und die Volksherrlichkeit nichts weniger als einverstanden, und so gab es bis jetzt
keine hervortretende Fraktion des politischen Publikums, die mit Ihrem Blatte
Harmoniren und in ihm den Ausdruck seiner Gestnnnng niederlegen konnte. Eine
solch? Fraktion ist aber jetzt in, Begriffe sich in Breslau zu bilden. Man kann
erwarten, daß sie sich dem Staudpunkte der Grenzboten anschließen und dieselben
in ihrer Polemik sowohl gegen die Mißgriffe manches Voltssouveraius, als nach
der entgegengesehen Seite unterstützen wird. Erlauben Sie, daß'Referent Ihnen
über die hiesigen demokratischen Parteien, über Entstehung und Stellung der neuen
Fraction eine nähere Darstellung gibt.

Ueber die Ereignisse während der Revolution im März und April lassen Sie
mich hinweggehen. Man hat unserer Volkspartei ans jenen Wochen viel Uebles
nachgesagt, ein "Spießbürger," so nennt er sich selbst hat ein ganzes Buch ge¬
schrieben über die damaligen Niederträchtigkeiten der "Demokraten;" wir wollen
darüber nicht rechten, es war damals überall die Zeit der Barrikadeulust und der
Mafsenherrschast, eine Aufregung, die unvermeidlich war und weit mehr von unter
herauf gährte, als von den Demagogen ans angestiftet gewesen wäre und im
Gegensatz zu der Armuth, dem todesgleichen Zustande des Absolutismus in ihrer
Rührigkeit und Thätigkeit doch einen unläugbaren Fortschritt zeigte.

Zur Zeit der Wahlen hatte die demokratische Partei hierselbst ein glänzendes
Uebergewicht. Der "demokratische Kind>" der als ihr Mittelpunkt zu be¬
trachten ist, braute im Ganzen unter den Abgeordneten der Stadt fünf von seinen


Grwzhvten, III. ,848, 44
Die EntwiMtMg der demokratischen Partei
in B r e s l a n.



Herr Redacteur! Seit lange hat Ihr Blatt von dem polirischen Leben
Breslaus keine Notiz genommen. Es mag das darin seinen Grund haben, daß
die stabile reactionäre Partei, die auch hier manchen Stoff zu pikanten Betrach¬
tungen gegeben hätte, der Polemik der Grenzboten bisher ferner gestanden und
dagegen die demokratische Partei, gegen deren Extravaganzen sie so heilsame Op¬
position gemacht haben, sich dergleichen hier weniger hat zu Schulden kommen
lassen (???). Dennoch war diese Partei in Breslau, so wie die übrigen radical
demokratischen Vereine Deutschlands, mit Ihren Angriffen gegen die Demagogen
und die Volksherrlichkeit nichts weniger als einverstanden, und so gab es bis jetzt
keine hervortretende Fraktion des politischen Publikums, die mit Ihrem Blatte
Harmoniren und in ihm den Ausdruck seiner Gestnnnng niederlegen konnte. Eine
solch? Fraktion ist aber jetzt in, Begriffe sich in Breslau zu bilden. Man kann
erwarten, daß sie sich dem Staudpunkte der Grenzboten anschließen und dieselben
in ihrer Polemik sowohl gegen die Mißgriffe manches Voltssouveraius, als nach
der entgegengesehen Seite unterstützen wird. Erlauben Sie, daß'Referent Ihnen
über die hiesigen demokratischen Parteien, über Entstehung und Stellung der neuen
Fraction eine nähere Darstellung gibt.

Ueber die Ereignisse während der Revolution im März und April lassen Sie
mich hinweggehen. Man hat unserer Volkspartei ans jenen Wochen viel Uebles
nachgesagt, ein „Spießbürger," so nennt er sich selbst hat ein ganzes Buch ge¬
schrieben über die damaligen Niederträchtigkeiten der „Demokraten;" wir wollen
darüber nicht rechten, es war damals überall die Zeit der Barrikadeulust und der
Mafsenherrschast, eine Aufregung, die unvermeidlich war und weit mehr von unter
herauf gährte, als von den Demagogen ans angestiftet gewesen wäre und im
Gegensatz zu der Armuth, dem todesgleichen Zustande des Absolutismus in ihrer
Rührigkeit und Thätigkeit doch einen unläugbaren Fortschritt zeigte.

Zur Zeit der Wahlen hatte die demokratische Partei hierselbst ein glänzendes
Uebergewicht. Der „demokratische Kind>" der als ihr Mittelpunkt zu be¬
trachten ist, braute im Ganzen unter den Abgeordneten der Stadt fünf von seinen


Grwzhvten, III. ,848, 44
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[0349] Die EntwiMtMg der demokratischen Partei in B r e s l a n. Herr Redacteur! Seit lange hat Ihr Blatt von dem polirischen Leben Breslaus keine Notiz genommen. Es mag das darin seinen Grund haben, daß die stabile reactionäre Partei, die auch hier manchen Stoff zu pikanten Betrach¬ tungen gegeben hätte, der Polemik der Grenzboten bisher ferner gestanden und dagegen die demokratische Partei, gegen deren Extravaganzen sie so heilsame Op¬ position gemacht haben, sich dergleichen hier weniger hat zu Schulden kommen lassen (???). Dennoch war diese Partei in Breslau, so wie die übrigen radical demokratischen Vereine Deutschlands, mit Ihren Angriffen gegen die Demagogen und die Volksherrlichkeit nichts weniger als einverstanden, und so gab es bis jetzt keine hervortretende Fraktion des politischen Publikums, die mit Ihrem Blatte Harmoniren und in ihm den Ausdruck seiner Gestnnnng niederlegen konnte. Eine solch? Fraktion ist aber jetzt in, Begriffe sich in Breslau zu bilden. Man kann erwarten, daß sie sich dem Staudpunkte der Grenzboten anschließen und dieselben in ihrer Polemik sowohl gegen die Mißgriffe manches Voltssouveraius, als nach der entgegengesehen Seite unterstützen wird. Erlauben Sie, daß'Referent Ihnen über die hiesigen demokratischen Parteien, über Entstehung und Stellung der neuen Fraction eine nähere Darstellung gibt. Ueber die Ereignisse während der Revolution im März und April lassen Sie mich hinweggehen. Man hat unserer Volkspartei ans jenen Wochen viel Uebles nachgesagt, ein „Spießbürger," so nennt er sich selbst hat ein ganzes Buch ge¬ schrieben über die damaligen Niederträchtigkeiten der „Demokraten;" wir wollen darüber nicht rechten, es war damals überall die Zeit der Barrikadeulust und der Mafsenherrschast, eine Aufregung, die unvermeidlich war und weit mehr von unter herauf gährte, als von den Demagogen ans angestiftet gewesen wäre und im Gegensatz zu der Armuth, dem todesgleichen Zustande des Absolutismus in ihrer Rührigkeit und Thätigkeit doch einen unläugbaren Fortschritt zeigte. Zur Zeit der Wahlen hatte die demokratische Partei hierselbst ein glänzendes Uebergewicht. Der „demokratische Kind>" der als ihr Mittelpunkt zu be¬ trachten ist, braute im Ganzen unter den Abgeordneten der Stadt fünf von seinen Grwzhvten, III. ,848, 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/349>, abgerufen am 26.06.2024.