Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gen. Es handelt sich dem zu Folge um einen Zustand, wie Oestreich in Ober-
italien längst angeboten, Dänemark aber Schleswig verweigert hat. Der Erbfol¬
gestreit ist eine Sache für sich und eine dynastische Angelegenheit, welche deshalb
nicht weiter in Parallele zu setzen ist und mit der Einverleibung eines Theils
von Schleswig in den deutschen Staatenbund oder künstigen Bundesstaat verhält
es sich ebenso, weil in Italien bis jetzt weder Staatenbund, noch Bundesstaat be¬
steht. Sobald der eine oder andere entstehen sollte, würde aber allerdings die
Parallele hierauf auszudehnen und der Zutritt der lombardisch-venetianischen Lande,
was auch sonst ihr Schicksal sei, mit Fug und Recht beansprucht werden können.
An sich also stellt Deutschland für Schleswig keineswegs Bedingungen und For¬
derungen auf, die Oestreich seinerseits in Oberitalien zu gewähren nicht bereit
wäre. Weit entfernt daher, daß die Consequenz es uns auferlegte zwischen Schles¬
wig und Oberitalien zu wählen, würde, wenn lediglich nach der Consequenz und
der Parallele mit den Schleswig'schen Zuständen zu entscheiden wäre, Oestreich
das Recht, die ganzen lombardisch-venetianischen Provinzen zu behalten, nicht ab¬
zusprechen sein.

Demungeachtet glauben wir nicht, daß Oestreich deu "wöchentlichen Waffen¬
stillstand mit Karl Albert benutzen wird, um einen Frieden auf dieser Grund¬
lage zu erreichen. Wir glauben nämlich, daß sowohl vom finanziellen und natio¬
nalökonomischen, als von dem höheren politischen Standpunkte aus, die Klugheit
Oestreich gebietet, in seinen Forderungen weniger weit zu gehen, als es eigent¬
lich berechtigt wäre. Hier fällt es als ein großes Gewicht in die Wagschale,
daß die italienische Halbinsel in einer großartigen Umgestaltung, das Volk in
einer Bewegung und Gährung der Geister begriffen ist, welche zwar für den Au¬
genblick sich wohl zurückdrängen und aufhalten, nicht aber unterdrücken und gänz¬
lich verhindern läßt. Immer auf's Neue würde die Bewegung sich gegen Oest¬
reich und wegen Oestreich gegen Deutschland richten; immer auf's Neue würden
Geld- und Menschenopfer gebracht werden müssen, um widerspenstige Unterthanen
im Zaum zu halten und die Zugehörigkeit könnte stets nur eine äußerliche, im
Kriege unzuverlässige, im Frieden wenig nützliche, mit Noth und Mühe -- und
wer weiß auch dann auf wie lauge? -- haltbare Verbindung abgeben. Gegen
diese Deduktion wird es an Einwendungen im überöstreichischen Sinne, welcher
meinen möchte, daß mit denselben Gründen auch die Lostrennung aller slavischen
Länder gefordert werden könne, nicht fehlen. Diesen zu begegnen, reicht es hin,
auf die wesentlich andere Stellung der Italiener und Slaven innerhalb des öst¬
reichischen Gesammtstaates hinzuweisen. Den Slaven kommt zu Statten, daß sie
die Ueberzahl der Einwohnerschaft bilden und in einer naturgemäßen Verbin¬
dung sich befinden, was man von den Lombarden und Venetianern nicht sagen
kann. Bei den slavischen Völkern ist es sodann noch viel ausgemachter, als bei


gen. Es handelt sich dem zu Folge um einen Zustand, wie Oestreich in Ober-
italien längst angeboten, Dänemark aber Schleswig verweigert hat. Der Erbfol¬
gestreit ist eine Sache für sich und eine dynastische Angelegenheit, welche deshalb
nicht weiter in Parallele zu setzen ist und mit der Einverleibung eines Theils
von Schleswig in den deutschen Staatenbund oder künstigen Bundesstaat verhält
es sich ebenso, weil in Italien bis jetzt weder Staatenbund, noch Bundesstaat be¬
steht. Sobald der eine oder andere entstehen sollte, würde aber allerdings die
Parallele hierauf auszudehnen und der Zutritt der lombardisch-venetianischen Lande,
was auch sonst ihr Schicksal sei, mit Fug und Recht beansprucht werden können.
An sich also stellt Deutschland für Schleswig keineswegs Bedingungen und For¬
derungen auf, die Oestreich seinerseits in Oberitalien zu gewähren nicht bereit
wäre. Weit entfernt daher, daß die Consequenz es uns auferlegte zwischen Schles¬
wig und Oberitalien zu wählen, würde, wenn lediglich nach der Consequenz und
der Parallele mit den Schleswig'schen Zuständen zu entscheiden wäre, Oestreich
das Recht, die ganzen lombardisch-venetianischen Provinzen zu behalten, nicht ab¬
zusprechen sein.

Demungeachtet glauben wir nicht, daß Oestreich deu «wöchentlichen Waffen¬
stillstand mit Karl Albert benutzen wird, um einen Frieden auf dieser Grund¬
lage zu erreichen. Wir glauben nämlich, daß sowohl vom finanziellen und natio¬
nalökonomischen, als von dem höheren politischen Standpunkte aus, die Klugheit
Oestreich gebietet, in seinen Forderungen weniger weit zu gehen, als es eigent¬
lich berechtigt wäre. Hier fällt es als ein großes Gewicht in die Wagschale,
daß die italienische Halbinsel in einer großartigen Umgestaltung, das Volk in
einer Bewegung und Gährung der Geister begriffen ist, welche zwar für den Au¬
genblick sich wohl zurückdrängen und aufhalten, nicht aber unterdrücken und gänz¬
lich verhindern läßt. Immer auf's Neue würde die Bewegung sich gegen Oest¬
reich und wegen Oestreich gegen Deutschland richten; immer auf's Neue würden
Geld- und Menschenopfer gebracht werden müssen, um widerspenstige Unterthanen
im Zaum zu halten und die Zugehörigkeit könnte stets nur eine äußerliche, im
Kriege unzuverlässige, im Frieden wenig nützliche, mit Noth und Mühe — und
wer weiß auch dann auf wie lauge? — haltbare Verbindung abgeben. Gegen
diese Deduktion wird es an Einwendungen im überöstreichischen Sinne, welcher
meinen möchte, daß mit denselben Gründen auch die Lostrennung aller slavischen
Länder gefordert werden könne, nicht fehlen. Diesen zu begegnen, reicht es hin,
auf die wesentlich andere Stellung der Italiener und Slaven innerhalb des öst¬
reichischen Gesammtstaates hinzuweisen. Den Slaven kommt zu Statten, daß sie
die Ueberzahl der Einwohnerschaft bilden und in einer naturgemäßen Verbin¬
dung sich befinden, was man von den Lombarden und Venetianern nicht sagen
kann. Bei den slavischen Völkern ist es sodann noch viel ausgemachter, als bei


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0328" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277758"/>
          <p xml:id="ID_1068" prev="#ID_1067"> gen. Es handelt sich dem zu Folge um einen Zustand, wie Oestreich in Ober-<lb/>
italien längst angeboten, Dänemark aber Schleswig verweigert hat. Der Erbfol¬<lb/>
gestreit ist eine Sache für sich und eine dynastische Angelegenheit, welche deshalb<lb/>
nicht weiter in Parallele zu setzen ist und mit der Einverleibung eines Theils<lb/>
von Schleswig in den deutschen Staatenbund oder künstigen Bundesstaat verhält<lb/>
es sich ebenso, weil in Italien bis jetzt weder Staatenbund, noch Bundesstaat be¬<lb/>
steht. Sobald der eine oder andere entstehen sollte, würde aber allerdings die<lb/>
Parallele hierauf auszudehnen und der Zutritt der lombardisch-venetianischen Lande,<lb/>
was auch sonst ihr Schicksal sei, mit Fug und Recht beansprucht werden können.<lb/>
An sich also stellt Deutschland für Schleswig keineswegs Bedingungen und For¬<lb/>
derungen auf, die Oestreich seinerseits in Oberitalien zu gewähren nicht bereit<lb/>
wäre. Weit entfernt daher, daß die Consequenz es uns auferlegte zwischen Schles¬<lb/>
wig und Oberitalien zu wählen, würde, wenn lediglich nach der Consequenz und<lb/>
der Parallele mit den Schleswig'schen Zuständen zu entscheiden wäre, Oestreich<lb/>
das Recht, die ganzen lombardisch-venetianischen Provinzen zu behalten, nicht ab¬<lb/>
zusprechen sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1069" next="#ID_1070"> Demungeachtet glauben wir nicht, daß Oestreich deu «wöchentlichen Waffen¬<lb/>
stillstand mit Karl Albert benutzen wird, um einen Frieden auf dieser Grund¬<lb/>
lage zu erreichen. Wir glauben nämlich, daß sowohl vom finanziellen und natio¬<lb/>
nalökonomischen, als von dem höheren politischen Standpunkte aus, die Klugheit<lb/>
Oestreich gebietet, in seinen Forderungen weniger weit zu gehen, als es eigent¬<lb/>
lich berechtigt wäre. Hier fällt es als ein großes Gewicht in die Wagschale,<lb/>
daß die italienische Halbinsel in einer großartigen Umgestaltung, das Volk in<lb/>
einer Bewegung und Gährung der Geister begriffen ist, welche zwar für den Au¬<lb/>
genblick sich wohl zurückdrängen und aufhalten, nicht aber unterdrücken und gänz¬<lb/>
lich verhindern läßt. Immer auf's Neue würde die Bewegung sich gegen Oest¬<lb/>
reich und wegen Oestreich gegen Deutschland richten; immer auf's Neue würden<lb/>
Geld- und Menschenopfer gebracht werden müssen, um widerspenstige Unterthanen<lb/>
im Zaum zu halten und die Zugehörigkeit könnte stets nur eine äußerliche, im<lb/>
Kriege unzuverlässige, im Frieden wenig nützliche, mit Noth und Mühe &#x2014; und<lb/>
wer weiß auch dann auf wie lauge? &#x2014; haltbare Verbindung abgeben. Gegen<lb/>
diese Deduktion wird es an Einwendungen im überöstreichischen Sinne, welcher<lb/>
meinen möchte, daß mit denselben Gründen auch die Lostrennung aller slavischen<lb/>
Länder gefordert werden könne, nicht fehlen. Diesen zu begegnen, reicht es hin,<lb/>
auf die wesentlich andere Stellung der Italiener und Slaven innerhalb des öst¬<lb/>
reichischen Gesammtstaates hinzuweisen. Den Slaven kommt zu Statten, daß sie<lb/>
die Ueberzahl der Einwohnerschaft bilden und in einer naturgemäßen Verbin¬<lb/>
dung sich befinden, was man von den Lombarden und Venetianern nicht sagen<lb/>
kann. Bei den slavischen Völkern ist es sodann noch viel ausgemachter, als bei</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0328] gen. Es handelt sich dem zu Folge um einen Zustand, wie Oestreich in Ober- italien längst angeboten, Dänemark aber Schleswig verweigert hat. Der Erbfol¬ gestreit ist eine Sache für sich und eine dynastische Angelegenheit, welche deshalb nicht weiter in Parallele zu setzen ist und mit der Einverleibung eines Theils von Schleswig in den deutschen Staatenbund oder künstigen Bundesstaat verhält es sich ebenso, weil in Italien bis jetzt weder Staatenbund, noch Bundesstaat be¬ steht. Sobald der eine oder andere entstehen sollte, würde aber allerdings die Parallele hierauf auszudehnen und der Zutritt der lombardisch-venetianischen Lande, was auch sonst ihr Schicksal sei, mit Fug und Recht beansprucht werden können. An sich also stellt Deutschland für Schleswig keineswegs Bedingungen und For¬ derungen auf, die Oestreich seinerseits in Oberitalien zu gewähren nicht bereit wäre. Weit entfernt daher, daß die Consequenz es uns auferlegte zwischen Schles¬ wig und Oberitalien zu wählen, würde, wenn lediglich nach der Consequenz und der Parallele mit den Schleswig'schen Zuständen zu entscheiden wäre, Oestreich das Recht, die ganzen lombardisch-venetianischen Provinzen zu behalten, nicht ab¬ zusprechen sein. Demungeachtet glauben wir nicht, daß Oestreich deu «wöchentlichen Waffen¬ stillstand mit Karl Albert benutzen wird, um einen Frieden auf dieser Grund¬ lage zu erreichen. Wir glauben nämlich, daß sowohl vom finanziellen und natio¬ nalökonomischen, als von dem höheren politischen Standpunkte aus, die Klugheit Oestreich gebietet, in seinen Forderungen weniger weit zu gehen, als es eigent¬ lich berechtigt wäre. Hier fällt es als ein großes Gewicht in die Wagschale, daß die italienische Halbinsel in einer großartigen Umgestaltung, das Volk in einer Bewegung und Gährung der Geister begriffen ist, welche zwar für den Au¬ genblick sich wohl zurückdrängen und aufhalten, nicht aber unterdrücken und gänz¬ lich verhindern läßt. Immer auf's Neue würde die Bewegung sich gegen Oest¬ reich und wegen Oestreich gegen Deutschland richten; immer auf's Neue würden Geld- und Menschenopfer gebracht werden müssen, um widerspenstige Unterthanen im Zaum zu halten und die Zugehörigkeit könnte stets nur eine äußerliche, im Kriege unzuverlässige, im Frieden wenig nützliche, mit Noth und Mühe — und wer weiß auch dann auf wie lauge? — haltbare Verbindung abgeben. Gegen diese Deduktion wird es an Einwendungen im überöstreichischen Sinne, welcher meinen möchte, daß mit denselben Gründen auch die Lostrennung aller slavischen Länder gefordert werden könne, nicht fehlen. Diesen zu begegnen, reicht es hin, auf die wesentlich andere Stellung der Italiener und Slaven innerhalb des öst¬ reichischen Gesammtstaates hinzuweisen. Den Slaven kommt zu Statten, daß sie die Ueberzahl der Einwohnerschaft bilden und in einer naturgemäßen Verbin¬ dung sich befinden, was man von den Lombarden und Venetianern nicht sagen kann. Bei den slavischen Völkern ist es sodann noch viel ausgemachter, als bei

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/328
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/328>, abgerufen am 26.06.2024.