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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Das Wort: Italien soll frei sein, heißt im Munde eines Engländers und Fran¬
zosen nicht viel mehr, als: der deutsche Einfluß soll dem englisch-französischen
Platz machen. Wir können hierüber schon jetzt Beobachtungen anstellen. So weit
der eine Einfluß zurückweicht, so weit rückt der andere vor und wenn die franzö¬
sischen Blätter von der Intervention reden, so finden sie sick veranlaßt, als etwas
gleichsam besonders Rühmenswerthes hervorzuheben, daß Frankreich nicht die Be¬
dingung einer Entschädigung durch Gebictsvergrößcrung stelle! Also heute, "utar
den jetzigen Umständen nicht, aber unter anderen? unter anderen unbedenklich?
Jeder kann dies Geständniß zwischen den Zeilen lesen und auch zwischen den
englischen Zeilen ist viel zu lesen.

Dies erinnert uns an Schleswig, das Steckenpferd der englischen Presse.
Hier will man uns den großen Widerspruch nachweisen. Italien und Schleswig!
Dort fest halten, hier erobern wollen, das beiße mit vollster Inkonsequenz bald
dieses, bald jenes Prinzip anwenden nach der Lehre der Nützliäkeit mit Verläuft-
uung der Gerechtigkeit. Liest man hierüber die Times und andere, so sollte man
meinen, es gebe kein streitsüchtigeres Volk, als das deutsche. Das mag schlimm
sein, schlimmer ist es, daß Argumentationen von dieser Seite auch viele Anhänger
in Deutschland zählen.

In Oberitalien handelt es sich ganz und gar nicht allein um nationale Frei¬
heit, sondern um vollständige politische Unabhängigkeit und staatliche Absonderung.
Jedes Band zwischen Oestreich und den lombardisch-venetianischen Provinzen
soll getrennt werden. Die Provinzen weisen mithin selbst eine Personalunion ab
und dieses Verlangen stellen sie, ohne durch Verträge oder dadurch unterstützt zu
sein, daß sie sich der Unabhängigkeit fähig erwiesen hätten. Man kann die Zeit,
wo sie politisch Bedeutendes aus eigener Kraft, ohne Anlehnung und Rückhalt,
unternommen hätten, nach Jahrhunderten messen. Eine ganz verschiedene Rich¬
tung hat die Bewegung in Schleswig. Der Aufstand ist hier nur zur Abschüt-
telung einer unerträglichen und kleinlichen Unterdrückung des Deutschthums, zur
Erlangung nationaler und politischer Gleichberechtigung, administrativer Trennung,
zur Abwehr einer nicht nur gegen das Naturrecht, sondern auch gegen Gesetze und
Verträge verstoßenden Realunion, die noch nicht existirte, vielmehr erst gewaltsa¬
mer Weise aufgedrungen werden sollte, endlich zur Wahrung der unzertrennlichen
Verbindung mit Holstein, zur Erhaltung des Zusammenhanges mit Deutschland
gemacht worden, nicht im Entferntesten aber, um sich als ein eigener unabhängi¬
ger Staat, eine Monarchie Schleswig-Holstein oder eine Republik Nordalbingien
zu konstituiren. Ob nicht die fortwährende dänische Hartnäckigkeit zu solchen Ge¬
lüsten führen kann, kommt nicht in Betracht, wie auch diese Gelüste nicht durch¬
dringen werden. Im Allgemeinen verwahrte man auch noch jetzt sich nur gegen
die Realunion und was daran hängt, aber der Personalunion will man sich sü-


4t*

Das Wort: Italien soll frei sein, heißt im Munde eines Engländers und Fran¬
zosen nicht viel mehr, als: der deutsche Einfluß soll dem englisch-französischen
Platz machen. Wir können hierüber schon jetzt Beobachtungen anstellen. So weit
der eine Einfluß zurückweicht, so weit rückt der andere vor und wenn die franzö¬
sischen Blätter von der Intervention reden, so finden sie sick veranlaßt, als etwas
gleichsam besonders Rühmenswerthes hervorzuheben, daß Frankreich nicht die Be¬
dingung einer Entschädigung durch Gebictsvergrößcrung stelle! Also heute, »utar
den jetzigen Umständen nicht, aber unter anderen? unter anderen unbedenklich?
Jeder kann dies Geständniß zwischen den Zeilen lesen und auch zwischen den
englischen Zeilen ist viel zu lesen.

Dies erinnert uns an Schleswig, das Steckenpferd der englischen Presse.
Hier will man uns den großen Widerspruch nachweisen. Italien und Schleswig!
Dort fest halten, hier erobern wollen, das beiße mit vollster Inkonsequenz bald
dieses, bald jenes Prinzip anwenden nach der Lehre der Nützliäkeit mit Verläuft-
uung der Gerechtigkeit. Liest man hierüber die Times und andere, so sollte man
meinen, es gebe kein streitsüchtigeres Volk, als das deutsche. Das mag schlimm
sein, schlimmer ist es, daß Argumentationen von dieser Seite auch viele Anhänger
in Deutschland zählen.

In Oberitalien handelt es sich ganz und gar nicht allein um nationale Frei¬
heit, sondern um vollständige politische Unabhängigkeit und staatliche Absonderung.
Jedes Band zwischen Oestreich und den lombardisch-venetianischen Provinzen
soll getrennt werden. Die Provinzen weisen mithin selbst eine Personalunion ab
und dieses Verlangen stellen sie, ohne durch Verträge oder dadurch unterstützt zu
sein, daß sie sich der Unabhängigkeit fähig erwiesen hätten. Man kann die Zeit,
wo sie politisch Bedeutendes aus eigener Kraft, ohne Anlehnung und Rückhalt,
unternommen hätten, nach Jahrhunderten messen. Eine ganz verschiedene Rich¬
tung hat die Bewegung in Schleswig. Der Aufstand ist hier nur zur Abschüt-
telung einer unerträglichen und kleinlichen Unterdrückung des Deutschthums, zur
Erlangung nationaler und politischer Gleichberechtigung, administrativer Trennung,
zur Abwehr einer nicht nur gegen das Naturrecht, sondern auch gegen Gesetze und
Verträge verstoßenden Realunion, die noch nicht existirte, vielmehr erst gewaltsa¬
mer Weise aufgedrungen werden sollte, endlich zur Wahrung der unzertrennlichen
Verbindung mit Holstein, zur Erhaltung des Zusammenhanges mit Deutschland
gemacht worden, nicht im Entferntesten aber, um sich als ein eigener unabhängi¬
ger Staat, eine Monarchie Schleswig-Holstein oder eine Republik Nordalbingien
zu konstituiren. Ob nicht die fortwährende dänische Hartnäckigkeit zu solchen Ge¬
lüsten führen kann, kommt nicht in Betracht, wie auch diese Gelüste nicht durch¬
dringen werden. Im Allgemeinen verwahrte man auch noch jetzt sich nur gegen
die Realunion und was daran hängt, aber der Personalunion will man sich sü-


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[0327] Das Wort: Italien soll frei sein, heißt im Munde eines Engländers und Fran¬ zosen nicht viel mehr, als: der deutsche Einfluß soll dem englisch-französischen Platz machen. Wir können hierüber schon jetzt Beobachtungen anstellen. So weit der eine Einfluß zurückweicht, so weit rückt der andere vor und wenn die franzö¬ sischen Blätter von der Intervention reden, so finden sie sick veranlaßt, als etwas gleichsam besonders Rühmenswerthes hervorzuheben, daß Frankreich nicht die Be¬ dingung einer Entschädigung durch Gebictsvergrößcrung stelle! Also heute, »utar den jetzigen Umständen nicht, aber unter anderen? unter anderen unbedenklich? Jeder kann dies Geständniß zwischen den Zeilen lesen und auch zwischen den englischen Zeilen ist viel zu lesen. Dies erinnert uns an Schleswig, das Steckenpferd der englischen Presse. Hier will man uns den großen Widerspruch nachweisen. Italien und Schleswig! Dort fest halten, hier erobern wollen, das beiße mit vollster Inkonsequenz bald dieses, bald jenes Prinzip anwenden nach der Lehre der Nützliäkeit mit Verläuft- uung der Gerechtigkeit. Liest man hierüber die Times und andere, so sollte man meinen, es gebe kein streitsüchtigeres Volk, als das deutsche. Das mag schlimm sein, schlimmer ist es, daß Argumentationen von dieser Seite auch viele Anhänger in Deutschland zählen. In Oberitalien handelt es sich ganz und gar nicht allein um nationale Frei¬ heit, sondern um vollständige politische Unabhängigkeit und staatliche Absonderung. Jedes Band zwischen Oestreich und den lombardisch-venetianischen Provinzen soll getrennt werden. Die Provinzen weisen mithin selbst eine Personalunion ab und dieses Verlangen stellen sie, ohne durch Verträge oder dadurch unterstützt zu sein, daß sie sich der Unabhängigkeit fähig erwiesen hätten. Man kann die Zeit, wo sie politisch Bedeutendes aus eigener Kraft, ohne Anlehnung und Rückhalt, unternommen hätten, nach Jahrhunderten messen. Eine ganz verschiedene Rich¬ tung hat die Bewegung in Schleswig. Der Aufstand ist hier nur zur Abschüt- telung einer unerträglichen und kleinlichen Unterdrückung des Deutschthums, zur Erlangung nationaler und politischer Gleichberechtigung, administrativer Trennung, zur Abwehr einer nicht nur gegen das Naturrecht, sondern auch gegen Gesetze und Verträge verstoßenden Realunion, die noch nicht existirte, vielmehr erst gewaltsa¬ mer Weise aufgedrungen werden sollte, endlich zur Wahrung der unzertrennlichen Verbindung mit Holstein, zur Erhaltung des Zusammenhanges mit Deutschland gemacht worden, nicht im Entferntesten aber, um sich als ein eigener unabhängi¬ ger Staat, eine Monarchie Schleswig-Holstein oder eine Republik Nordalbingien zu konstituiren. Ob nicht die fortwährende dänische Hartnäckigkeit zu solchen Ge¬ lüsten führen kann, kommt nicht in Betracht, wie auch diese Gelüste nicht durch¬ dringen werden. Im Allgemeinen verwahrte man auch noch jetzt sich nur gegen die Realunion und was daran hängt, aber der Personalunion will man sich sü- 4t*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/327>, abgerufen am 26.06.2024.