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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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der radikalen Partei liegen sich überall einander in den Haaren und durch die Ent¬
scheidung in der Amnestiefrage und durch den Ausschluß Hecker's hat die National-
versammlung den ernsten Willen bethätigt, ihren Rechtsboden zu wahren. Die
Feuerprobe des neuen Rechtszustandes -- die Lösung der materiellen Fragen, steht
d -Z--j- emnächst bevor.




Der Krieg in Italien.



Die östreichischen Waffen haben glänzende Erfolge errungen. Trotz deS un¬
geheuern Umschwunges in Wien und wochenlanger Anarchie, Noth und Erschöpfung
hat ein vom Vaterlande fast im Stich gelassenes Heer sich frei von Demoralisation
zu erhalten, dem überlegenen Feind einen unerschütterlichen Damm entgegen zu
setzen gewußt und endlich, sobald es nur jenen Zuschuß von Mitteln empfangen
hatte, der den Sieg möglich machte, ihn auch sofort glorreich errungen. Das
gedemüthigte Mailand sieht die verhöhnten "Tedeschi" als Sieger in seinen
Mauern, das stumpf gewordene Schwert Italiens sucht die Scheide und wenn
man die wuth- und schreckerfüllte Halbinsel überschaut, so weiß man wahrlich nicht,
was größer war, die frühere Ueberhebung oder die jetzige Mutlosigkeit. Es wird
auch Niemand unter uns sich finden, der des Sieges deutscher Tapferkeit sich nicht
freute, mit Ausnahme etwa der kleinen Partei, welche bei der Durchführung ihrer
Plane auf die Schwäche des Vaterlandes rechnen muß. An die Folgen jenes
Sieges aber knüpfen sich gleichermaßen Hoffnung und Besorgniß. Wird, so hört
man fragen, dieser Sieg den Frieden erzengen oder einen europäischen Krieg ent¬
flammen? wird Oestreich, vom Siegestaumel unbethört, seine Forderungen mäßig
stellen? wird es der höheren Politik und dem deutschen Interesse einige Quadrat'
zueilen Landes zu opfern verstehen? wird es begreifen, daß Deurschland, welches
in Schleswig für die Freiheit der Nationalität kämpft, in Italien unmöglich für
die Unterdrückung einer freien Nation sein Blut verspritzen darf? wird in Frank¬
furt die Centralgewalt den "unverbrüchlichen Rechten der italienischen Nation und
Freiheit" Rechnung tragen?

In der Art, wie diese Fragen gewöhnlich aufgeworfen werden, sind sie ein¬
seitig und enthalten in sich ihre klare Antwort, die nicht minder einseitig ist, weil
von falschen Voraussetzungen ausgegangen wird. Es wird dadurch Deutschland
ein Weg vorgeschrieben, den nicht sein Interesse dictirt, sondern fremdes, das
Interesse Englands und vor Allem Frankreichs, vielleicht auch das Interesse


der radikalen Partei liegen sich überall einander in den Haaren und durch die Ent¬
scheidung in der Amnestiefrage und durch den Ausschluß Hecker's hat die National-
versammlung den ernsten Willen bethätigt, ihren Rechtsboden zu wahren. Die
Feuerprobe des neuen Rechtszustandes — die Lösung der materiellen Fragen, steht
d -Z--j- emnächst bevor.




Der Krieg in Italien.



Die östreichischen Waffen haben glänzende Erfolge errungen. Trotz deS un¬
geheuern Umschwunges in Wien und wochenlanger Anarchie, Noth und Erschöpfung
hat ein vom Vaterlande fast im Stich gelassenes Heer sich frei von Demoralisation
zu erhalten, dem überlegenen Feind einen unerschütterlichen Damm entgegen zu
setzen gewußt und endlich, sobald es nur jenen Zuschuß von Mitteln empfangen
hatte, der den Sieg möglich machte, ihn auch sofort glorreich errungen. Das
gedemüthigte Mailand sieht die verhöhnten „Tedeschi" als Sieger in seinen
Mauern, das stumpf gewordene Schwert Italiens sucht die Scheide und wenn
man die wuth- und schreckerfüllte Halbinsel überschaut, so weiß man wahrlich nicht,
was größer war, die frühere Ueberhebung oder die jetzige Mutlosigkeit. Es wird
auch Niemand unter uns sich finden, der des Sieges deutscher Tapferkeit sich nicht
freute, mit Ausnahme etwa der kleinen Partei, welche bei der Durchführung ihrer
Plane auf die Schwäche des Vaterlandes rechnen muß. An die Folgen jenes
Sieges aber knüpfen sich gleichermaßen Hoffnung und Besorgniß. Wird, so hört
man fragen, dieser Sieg den Frieden erzengen oder einen europäischen Krieg ent¬
flammen? wird Oestreich, vom Siegestaumel unbethört, seine Forderungen mäßig
stellen? wird es der höheren Politik und dem deutschen Interesse einige Quadrat'
zueilen Landes zu opfern verstehen? wird es begreifen, daß Deurschland, welches
in Schleswig für die Freiheit der Nationalität kämpft, in Italien unmöglich für
die Unterdrückung einer freien Nation sein Blut verspritzen darf? wird in Frank¬
furt die Centralgewalt den „unverbrüchlichen Rechten der italienischen Nation und
Freiheit" Rechnung tragen?

In der Art, wie diese Fragen gewöhnlich aufgeworfen werden, sind sie ein¬
seitig und enthalten in sich ihre klare Antwort, die nicht minder einseitig ist, weil
von falschen Voraussetzungen ausgegangen wird. Es wird dadurch Deutschland
ein Weg vorgeschrieben, den nicht sein Interesse dictirt, sondern fremdes, das
Interesse Englands und vor Allem Frankreichs, vielleicht auch das Interesse


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[0324] der radikalen Partei liegen sich überall einander in den Haaren und durch die Ent¬ scheidung in der Amnestiefrage und durch den Ausschluß Hecker's hat die National- versammlung den ernsten Willen bethätigt, ihren Rechtsboden zu wahren. Die Feuerprobe des neuen Rechtszustandes — die Lösung der materiellen Fragen, steht d -Z--j- emnächst bevor. Der Krieg in Italien. Die östreichischen Waffen haben glänzende Erfolge errungen. Trotz deS un¬ geheuern Umschwunges in Wien und wochenlanger Anarchie, Noth und Erschöpfung hat ein vom Vaterlande fast im Stich gelassenes Heer sich frei von Demoralisation zu erhalten, dem überlegenen Feind einen unerschütterlichen Damm entgegen zu setzen gewußt und endlich, sobald es nur jenen Zuschuß von Mitteln empfangen hatte, der den Sieg möglich machte, ihn auch sofort glorreich errungen. Das gedemüthigte Mailand sieht die verhöhnten „Tedeschi" als Sieger in seinen Mauern, das stumpf gewordene Schwert Italiens sucht die Scheide und wenn man die wuth- und schreckerfüllte Halbinsel überschaut, so weiß man wahrlich nicht, was größer war, die frühere Ueberhebung oder die jetzige Mutlosigkeit. Es wird auch Niemand unter uns sich finden, der des Sieges deutscher Tapferkeit sich nicht freute, mit Ausnahme etwa der kleinen Partei, welche bei der Durchführung ihrer Plane auf die Schwäche des Vaterlandes rechnen muß. An die Folgen jenes Sieges aber knüpfen sich gleichermaßen Hoffnung und Besorgniß. Wird, so hört man fragen, dieser Sieg den Frieden erzengen oder einen europäischen Krieg ent¬ flammen? wird Oestreich, vom Siegestaumel unbethört, seine Forderungen mäßig stellen? wird es der höheren Politik und dem deutschen Interesse einige Quadrat' zueilen Landes zu opfern verstehen? wird es begreifen, daß Deurschland, welches in Schleswig für die Freiheit der Nationalität kämpft, in Italien unmöglich für die Unterdrückung einer freien Nation sein Blut verspritzen darf? wird in Frank¬ furt die Centralgewalt den „unverbrüchlichen Rechten der italienischen Nation und Freiheit" Rechnung tragen? In der Art, wie diese Fragen gewöhnlich aufgeworfen werden, sind sie ein¬ seitig und enthalten in sich ihre klare Antwort, die nicht minder einseitig ist, weil von falschen Voraussetzungen ausgegangen wird. Es wird dadurch Deutschland ein Weg vorgeschrieben, den nicht sein Interesse dictirt, sondern fremdes, das Interesse Englands und vor Allem Frankreichs, vielleicht auch das Interesse

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/324>, abgerufen am 26.06.2024.