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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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ständen schritt man dann zur Tagesordnung, nämlich der Unionsfrage, denn von
der Beobachtung der Reihenfolge der königlichen ProPositionen, die von allen In¬
struktionen den Abgeordneten zur Pflicht gemacht wurde, konnte nicht mehr die
Rede sein. Die Sachsen mußten sich über die Unionsfrage selbst bis zum folgen¬
den Tage schon entscheiden.

Gleich nach Eröffnung der Sitzung entspann sich eine heftige Debatte über
den Antrag des Abgeordneten Gooß von Schäßburg: man solle sich weniger
nach den Instruktionen, mehr nach den Umständen, nach dem veränderten Sach¬
verhalt richten; man solle in dem Geist seiner Sender und allerdings mit mög¬
lichster Berücksichtigung seiner Weisung die Thatsachen prüfen, jedoch nach bestem
Wissen und Gewissen sein Urtheil abgeben. Gerade jene Verordnungen und Er¬
lasse des pesther Ministeriums, in denen die sächsischen Kreise Verletzungen der
pragmatischen Sanktion gesehen, waren später vom Kaiser bestätigt worden und die
Magyaren hatten, wie die Mitstände den Sachsen ausdrücklich erklärten, gar nicht
im Plane, sich von Oestreich loszusagen, sondern fühlten sich eben jetzt zu innigem
Anschluß an Oestreich und dadurch an Deutschland gedrungen, um mit Nachdruck
dem Panslavismus Widerstand leisten zu können. Dazu erkannte man auch in
jener Adresse des leipziger Vereins zur Wahrung der deutschen Sache an den
östlichen Grenzen und des dasigen deutschen Vereins an die Sachsen, worin diese
aufgefordert wurden, den Magyaren vertrauensvoll die Hand zum Bunde zu rei¬
chen, nicht mit Unrecht die öffentliche Stimme Deutschlands. Ja selbst der könig¬
liche Eommissär, der commandirende General Puchner, schien sich der Unionspar¬
tei hinzuneigen, indem er den Landtag mit einer magyarischen Rede eröffnete und
den Kaiser darin "Kaiser Ferdinand V." genannt hatte. Zog man nun zuletzt
noch die tiefgewurzelte Begeisterung des magyarischen Volks für die Union und
die Entschlossenheit der magyarischen Stände, sie um jeden Preis durchzusetzen, in
Erwägung , vertraute man Ver heiligsten Versicherungen der Mitstände, es werde
sich Niemand Eingriffe in die Rechte der Sachsen erlauben : so war es unmöglich,
so war es thöricht, sich der Union zu widersetzen, vielleicht einen Bürgerkrieg
heraufzubeschwören, der int glücklichsten Falle den Sachsen nicht mehr gebracht
hätte, als sie den Behauptungen der vorzüglichsten Männer der Gegenpartei zu¬
folge auf friedlichem Wege' zu erreichen hoffen dursten. Vergebens ernährten die
Hermaunstävter Abgeordneten, sich' an die Instruktionen zu hallen, dnrch keine
anderweitige Umstände sich bestimmen zN lassen. Man hörte nicht auf sie, die
Mehrheit der Abgeordneten war fest überzeugt, daß dieser Schritt zum Wohle des
sächsischen Volkes' gethan werden Müsset Bei der Abstimmung, ob Union oder
Nichtnnion, stimmten blos die Abgeordneten von Hermannstadt, einer von Mcoivisch
M andere erklärte sich erst den folgenden Tag) und einer von Leschkirch gegen
Union. Sie mußten sich dem Beschlusse der Mehrheit fügen, gaben jedoch ihre
Sondermeinung zu Protokoll. Ebenso blieben sie in der Minderheit, als die


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ständen schritt man dann zur Tagesordnung, nämlich der Unionsfrage, denn von
der Beobachtung der Reihenfolge der königlichen ProPositionen, die von allen In¬
struktionen den Abgeordneten zur Pflicht gemacht wurde, konnte nicht mehr die
Rede sein. Die Sachsen mußten sich über die Unionsfrage selbst bis zum folgen¬
den Tage schon entscheiden.

Gleich nach Eröffnung der Sitzung entspann sich eine heftige Debatte über
den Antrag des Abgeordneten Gooß von Schäßburg: man solle sich weniger
nach den Instruktionen, mehr nach den Umständen, nach dem veränderten Sach¬
verhalt richten; man solle in dem Geist seiner Sender und allerdings mit mög¬
lichster Berücksichtigung seiner Weisung die Thatsachen prüfen, jedoch nach bestem
Wissen und Gewissen sein Urtheil abgeben. Gerade jene Verordnungen und Er¬
lasse des pesther Ministeriums, in denen die sächsischen Kreise Verletzungen der
pragmatischen Sanktion gesehen, waren später vom Kaiser bestätigt worden und die
Magyaren hatten, wie die Mitstände den Sachsen ausdrücklich erklärten, gar nicht
im Plane, sich von Oestreich loszusagen, sondern fühlten sich eben jetzt zu innigem
Anschluß an Oestreich und dadurch an Deutschland gedrungen, um mit Nachdruck
dem Panslavismus Widerstand leisten zu können. Dazu erkannte man auch in
jener Adresse des leipziger Vereins zur Wahrung der deutschen Sache an den
östlichen Grenzen und des dasigen deutschen Vereins an die Sachsen, worin diese
aufgefordert wurden, den Magyaren vertrauensvoll die Hand zum Bunde zu rei¬
chen, nicht mit Unrecht die öffentliche Stimme Deutschlands. Ja selbst der könig¬
liche Eommissär, der commandirende General Puchner, schien sich der Unionspar¬
tei hinzuneigen, indem er den Landtag mit einer magyarischen Rede eröffnete und
den Kaiser darin „Kaiser Ferdinand V." genannt hatte. Zog man nun zuletzt
noch die tiefgewurzelte Begeisterung des magyarischen Volks für die Union und
die Entschlossenheit der magyarischen Stände, sie um jeden Preis durchzusetzen, in
Erwägung , vertraute man Ver heiligsten Versicherungen der Mitstände, es werde
sich Niemand Eingriffe in die Rechte der Sachsen erlauben : so war es unmöglich,
so war es thöricht, sich der Union zu widersetzen, vielleicht einen Bürgerkrieg
heraufzubeschwören, der int glücklichsten Falle den Sachsen nicht mehr gebracht
hätte, als sie den Behauptungen der vorzüglichsten Männer der Gegenpartei zu¬
folge auf friedlichem Wege' zu erreichen hoffen dursten. Vergebens ernährten die
Hermaunstävter Abgeordneten, sich' an die Instruktionen zu hallen, dnrch keine
anderweitige Umstände sich bestimmen zN lassen. Man hörte nicht auf sie, die
Mehrheit der Abgeordneten war fest überzeugt, daß dieser Schritt zum Wohle des
sächsischen Volkes' gethan werden Müsset Bei der Abstimmung, ob Union oder
Nichtnnion, stimmten blos die Abgeordneten von Hermannstadt, einer von Mcoivisch
M andere erklärte sich erst den folgenden Tag) und einer von Leschkirch gegen
Union. Sie mußten sich dem Beschlusse der Mehrheit fügen, gaben jedoch ihre
Sondermeinung zu Protokoll. Ebenso blieben sie in der Minderheit, als die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/319>, abgerufen am 26.06.2024.