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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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an! und die Unionsfrage war schon heute so gut als entschieden anzusehen, ob¬
gleich der Landtag erst den folgenden Tag eröffnet werden sollte. Auch der Ge¬
setzentwurf in Betreff der Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn wurde schon
vorgelegt und zwar fertig und mit der nöthigen Verbesserung, es sollten nicht 69
Abgeordnete, wie der ungarische Reichstag die Vertreter Siebenbürgens fälschlich
berechnet habe, sondern 73 in Pesth erscheinen.

Am 29. Mai eröffnete der königliche Commissär, Freiherr Pnchner, den Land-
tag mit einer magyarischen Rede und verließ, nachdem er noch die ursprünglich
lateinisch geschriebenen königlichen Propositionen auf die Protestation der Zuhörer
magyarisch verlesen hatte, nnter Lebehvchrufen den Saal. Nun verlangte das
Volk stürmisch die sofortige Ausrufung der Vereinigung Siebenbürgens mit Un¬
garn, ließ sich aber doch noch so lange beschwichtigen, bis die Stände nach Ab¬
schaffung der herkömmlichen Aufwartung derselben beim königlichen Commissär, Lan-
desgouverneur und Ständepräsident, sogleich wieder zu einer "em^edi zxülvs zu¬
sammentraten. Da jedoch hier die sächsischen Abgeordneten dem Gesctzartikel über
die Unionsfrage nicht sogleich ihre Zustimmung geben konnten, wie Dionys Kemeny
gewünscht hatte, so wurde derselbe ihnen noch zur Durchsicht übergeben und die
Fortsetzung der Berathung auf Nachmittag festgesetzt. In dieser Nachmittags-
sitzung trat auch Bischof Kemeny im Namen der walachischen Nation der Union
bei, woferne alle früheren Gesetze, welche die Walachei von dem staatsbürgerlichen
Rechte ausschlossen oder ihrer in erniedrigenden Ausdrücken Erwähnung thäten,
aufgehoben würden. Seine Erklärung wurde mit stürmischem Beifall aufgenom¬
men. Darauf machte der Abgeordnete Leszai von Broos -- einem Marktflecken
im Sachsenlande, der jedoch zur Hälfte von Magyaren bewohnt wird und Leszai
ist ein Magyar -- ebenfalls seinen Beitritt zur Union bekannt. Die Abgeordne¬
ten von Kronstäbe und Stuhlbach knüpften an ihren Beitritt zur Union noch ge¬
wisse Bedingungen, nämlich: die Beachtung der pragmatischen Sanktion Karls Vs.,
die Erhaltung des Gebrauchs ihrer Sprache und ihrer Municipien, die unmittel¬
bare Unterstellung unter den König von Ungarn. Würden diese Bedingungen
nicht angenommen: so fühlten sie sich verpflichtet, ihre Sondermeinung abzugeben.
So gerne auch die vorzüglichsten Redner der Magyaren die Billigkeit der gestell¬
ten Bedingungen zugaben, so wollte doch Niemand die Nothwendigkeit der deutschen
Korrespondenz der Sachsen mit dem magyarischen Ministerium und den magyari¬
schen Gerichtsbarkeiten und gerade dies ist einer der Hauptpunkte --) aner¬
kennen. Eine Sondermeinnng für den Fall, daß die gestellten Bedingungen nicht
gewährleistet würden, fand gar nicht Anklang, indem deren Verhandlung auf diesem
Landtag durchaus nicht möglich sei, durch das Beharren darauf zwecklose Erbit¬
terung herbeigeführt werde und die Sachsen ihre Rechte viel sicherer bewahren
würden, wenn sie ihr diesfälliges Verlangen als ein Gesuch der nach Pesth zu
entsendenden Deputation an das magyarische Ministerium und die Reichsstände


Crenzbvtin. III. 4V

an! und die Unionsfrage war schon heute so gut als entschieden anzusehen, ob¬
gleich der Landtag erst den folgenden Tag eröffnet werden sollte. Auch der Ge¬
setzentwurf in Betreff der Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn wurde schon
vorgelegt und zwar fertig und mit der nöthigen Verbesserung, es sollten nicht 69
Abgeordnete, wie der ungarische Reichstag die Vertreter Siebenbürgens fälschlich
berechnet habe, sondern 73 in Pesth erscheinen.

Am 29. Mai eröffnete der königliche Commissär, Freiherr Pnchner, den Land-
tag mit einer magyarischen Rede und verließ, nachdem er noch die ursprünglich
lateinisch geschriebenen königlichen Propositionen auf die Protestation der Zuhörer
magyarisch verlesen hatte, nnter Lebehvchrufen den Saal. Nun verlangte das
Volk stürmisch die sofortige Ausrufung der Vereinigung Siebenbürgens mit Un¬
garn, ließ sich aber doch noch so lange beschwichtigen, bis die Stände nach Ab¬
schaffung der herkömmlichen Aufwartung derselben beim königlichen Commissär, Lan-
desgouverneur und Ständepräsident, sogleich wieder zu einer «em^edi zxülvs zu¬
sammentraten. Da jedoch hier die sächsischen Abgeordneten dem Gesctzartikel über
die Unionsfrage nicht sogleich ihre Zustimmung geben konnten, wie Dionys Kemeny
gewünscht hatte, so wurde derselbe ihnen noch zur Durchsicht übergeben und die
Fortsetzung der Berathung auf Nachmittag festgesetzt. In dieser Nachmittags-
sitzung trat auch Bischof Kemeny im Namen der walachischen Nation der Union
bei, woferne alle früheren Gesetze, welche die Walachei von dem staatsbürgerlichen
Rechte ausschlossen oder ihrer in erniedrigenden Ausdrücken Erwähnung thäten,
aufgehoben würden. Seine Erklärung wurde mit stürmischem Beifall aufgenom¬
men. Darauf machte der Abgeordnete Leszai von Broos — einem Marktflecken
im Sachsenlande, der jedoch zur Hälfte von Magyaren bewohnt wird und Leszai
ist ein Magyar — ebenfalls seinen Beitritt zur Union bekannt. Die Abgeordne¬
ten von Kronstäbe und Stuhlbach knüpften an ihren Beitritt zur Union noch ge¬
wisse Bedingungen, nämlich: die Beachtung der pragmatischen Sanktion Karls Vs.,
die Erhaltung des Gebrauchs ihrer Sprache und ihrer Municipien, die unmittel¬
bare Unterstellung unter den König von Ungarn. Würden diese Bedingungen
nicht angenommen: so fühlten sie sich verpflichtet, ihre Sondermeinung abzugeben.
So gerne auch die vorzüglichsten Redner der Magyaren die Billigkeit der gestell¬
ten Bedingungen zugaben, so wollte doch Niemand die Nothwendigkeit der deutschen
Korrespondenz der Sachsen mit dem magyarischen Ministerium und den magyari¬
schen Gerichtsbarkeiten und gerade dies ist einer der Hauptpunkte —) aner¬
kennen. Eine Sondermeinnng für den Fall, daß die gestellten Bedingungen nicht
gewährleistet würden, fand gar nicht Anklang, indem deren Verhandlung auf diesem
Landtag durchaus nicht möglich sei, durch das Beharren darauf zwecklose Erbit¬
terung herbeigeführt werde und die Sachsen ihre Rechte viel sicherer bewahren
würden, wenn sie ihr diesfälliges Verlangen als ein Gesuch der nach Pesth zu
entsendenden Deputation an das magyarische Ministerium und die Reichsstände


Crenzbvtin. III. 4V
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/317>, abgerufen am 26.06.2024.