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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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fisch-Steen und alle im Lande der Ungarn gelegenen sächsischen Dörfer sprachen
offen ihre Sympathie für die Sachsen aus. Ja selbst in Deutschland, wo man
stets so vertrauensvoll allen Vorgebungen feindseliger Ausländer glaubt, fingen
Stimmen an laut zu werden gegen das herrische Benehmen der Magyaren und
der zu Leipzig thätige Verein zur Wahrung der deutschen Sache an den östlichen
Grenzen nahm sich der Sachsen in ihrer bedrängten Lage an, indem er für sie
bei einer zu Stande kommenden Union Deutschlands Schutz in Frankfurt a. M.
mit kräftigen Worten anrief. Trotz jener Befürchtungen der Sachsen wählte Kron¬
stäbe dennoch Abgeordnete zum Landtag und zwar wiederholt, da die beiden erst¬
gewählten sich mit der Instruction, die ihnen übergeben wurde, nicht einverstanden
erklärt hatten. Die übrigen Kreise begannen zu folgen. Schäßburgs Wahl fiel
auf zwei Theologen: den durch seine vielseitigen Kenntnisse wie durch die Macht
des Wortes ausgezeichneten Denndorfer Pfarrer Gooß und den mit der Geschichte
seines Volkes innig vertrauten Conrector am Schäßburger Gymnasium Teutsch.
Erst am 27. Mai entschlossen sich die Hermannstädter, nachdem die Klausenburger
Nationalgardisten ihnen öffentlich die heiligste Versicherung gegeben hatten, für
das Leben der Abgeordneten derselben aus allen Kräften zu sorgen, zur Wahl;
einer der Abgeordneten war Advokat Konrad Schmidt, der schon auf dem letzten
Landtage die Blicke der Magyaren auf sich gezogen hatte. -- So kamen denn
allmälig die sächsischen Abgeordneten zusammen in dem festlich geschmückten Klau¬
senburg, wo auf jedem Hause die Unionssahne wehte, wo Jedermann die Unions¬
kokarde trug. Eine ungeheure Menschenmenge war da versammelt und die Stra¬
ßen wimmelten von Garden.

Die heiße Sehnsucht der Ungarn und Szekler nach Vereinigung mit Ungarn
hatte jedoch kaum den 28. Mai erwarten können, als sie schon eine nem-ieti x^Ws
(Nationalversammlung) hielten, wo das Comite, das sich zu rascherer Betreibung der
Landtagsangelegenheiten und zur Vorbereitung der Berathungsgegenstände gebil¬
det hatte, schon jetzt die drei ersten königlichen Propositionen zur Sprache brachte,
die leider durch die auch hier wieder hervorleuchtende Schwäche und Unentschie-
denhett der östreichischen Regierung so gestellt waren, daß die beiden ersten Punkte
(Wahl eines Hoskanzlers und eines Präsidenten der königlichen Tafel) durch die
Annahme des Dritten (Union) fielen. Daher bemerkte Freiherr Nikolaus Wes-
selenyi nicht mit Unrecht, er halte es blos für einen Schreibfehler, wenn der
dritte Punkt nicht als der erste gesetzt worden sei. Und als derselbe Redner die
Versammlung fragte: ob man den 7. Gesetzartikel 1848 von Ungarn, der die vom
ungarischen Reichstag beschlossene Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn enthielt,
annehmen wolle oder nicht? da jubelte ihm die Menge laut zu: wir nehmen ihn


Deputation an den Gouverneur und bat um Gewehre. Der Gouverneur sandte sie an die Gc-
spanschaftsoehörde zurück, während er doch den Deputationen magyarischer Orte nie solche Ant¬
worten zu ertheilen pflegte.

fisch-Steen und alle im Lande der Ungarn gelegenen sächsischen Dörfer sprachen
offen ihre Sympathie für die Sachsen aus. Ja selbst in Deutschland, wo man
stets so vertrauensvoll allen Vorgebungen feindseliger Ausländer glaubt, fingen
Stimmen an laut zu werden gegen das herrische Benehmen der Magyaren und
der zu Leipzig thätige Verein zur Wahrung der deutschen Sache an den östlichen
Grenzen nahm sich der Sachsen in ihrer bedrängten Lage an, indem er für sie
bei einer zu Stande kommenden Union Deutschlands Schutz in Frankfurt a. M.
mit kräftigen Worten anrief. Trotz jener Befürchtungen der Sachsen wählte Kron¬
stäbe dennoch Abgeordnete zum Landtag und zwar wiederholt, da die beiden erst¬
gewählten sich mit der Instruction, die ihnen übergeben wurde, nicht einverstanden
erklärt hatten. Die übrigen Kreise begannen zu folgen. Schäßburgs Wahl fiel
auf zwei Theologen: den durch seine vielseitigen Kenntnisse wie durch die Macht
des Wortes ausgezeichneten Denndorfer Pfarrer Gooß und den mit der Geschichte
seines Volkes innig vertrauten Conrector am Schäßburger Gymnasium Teutsch.
Erst am 27. Mai entschlossen sich die Hermannstädter, nachdem die Klausenburger
Nationalgardisten ihnen öffentlich die heiligste Versicherung gegeben hatten, für
das Leben der Abgeordneten derselben aus allen Kräften zu sorgen, zur Wahl;
einer der Abgeordneten war Advokat Konrad Schmidt, der schon auf dem letzten
Landtage die Blicke der Magyaren auf sich gezogen hatte. — So kamen denn
allmälig die sächsischen Abgeordneten zusammen in dem festlich geschmückten Klau¬
senburg, wo auf jedem Hause die Unionssahne wehte, wo Jedermann die Unions¬
kokarde trug. Eine ungeheure Menschenmenge war da versammelt und die Stra¬
ßen wimmelten von Garden.

Die heiße Sehnsucht der Ungarn und Szekler nach Vereinigung mit Ungarn
hatte jedoch kaum den 28. Mai erwarten können, als sie schon eine nem-ieti x^Ws
(Nationalversammlung) hielten, wo das Comite, das sich zu rascherer Betreibung der
Landtagsangelegenheiten und zur Vorbereitung der Berathungsgegenstände gebil¬
det hatte, schon jetzt die drei ersten königlichen Propositionen zur Sprache brachte,
die leider durch die auch hier wieder hervorleuchtende Schwäche und Unentschie-
denhett der östreichischen Regierung so gestellt waren, daß die beiden ersten Punkte
(Wahl eines Hoskanzlers und eines Präsidenten der königlichen Tafel) durch die
Annahme des Dritten (Union) fielen. Daher bemerkte Freiherr Nikolaus Wes-
selenyi nicht mit Unrecht, er halte es blos für einen Schreibfehler, wenn der
dritte Punkt nicht als der erste gesetzt worden sei. Und als derselbe Redner die
Versammlung fragte: ob man den 7. Gesetzartikel 1848 von Ungarn, der die vom
ungarischen Reichstag beschlossene Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn enthielt,
annehmen wolle oder nicht? da jubelte ihm die Menge laut zu: wir nehmen ihn


Deputation an den Gouverneur und bat um Gewehre. Der Gouverneur sandte sie an die Gc-
spanschaftsoehörde zurück, während er doch den Deputationen magyarischer Orte nie solche Ant¬
worten zu ertheilen pflegte.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/316>, abgerufen am 26.06.2024.