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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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in Hermannstadt an die Wiener Aula, eine dritte von der Hermannstädter Turn¬
gemeinde an die der Hanauer geschickt. Wenn auch die beiden ersten wegen der
Flucht des Kaisers aus Wien hier wenig zu leisten vermochten, so war doch die
Reise der zweiten, die nun nach Frankfurt ging und die der dritten um so erfolg¬
reicher, indem ihr Auftreten unter den Studenten Breslaus, Berlins, Leipzigs,
Hailes, Jenas, auf der Wartburg, in Hanau, Heidelberg, Mainz, Cöln u. s. w.
von einem rauschenden Beifallssturme begleitet war und den Sachsen die öffent¬
liche Meinung nicht allein der deutschen Jngend, sondern ganz Deutschlands ge¬
wonnen hat.

Indessen hatten die sächsischen Kreise beschlossen, sich fest an's constitutionelle
Oestreich anzuschließen, weil sie hier sichere Gewähr für ihr Deutschthum wähnten,
bedachten jedoch nicht, daß selbst die Erdtaube des östreichischen Kaiserreichs
mehr Slaven zählen, als eigentliche Deutsche. Sie hatten sich auf der Volks¬
versammlung in Hermannstadt am 18. Mai verständigt und zu fester Einigkeit
einander die Hände gereicht. Es soll ein Eintrachtsbund sein, wie jener von 16i:i,
als der tyrannische Fürst Gabriel Bathori dem sächsischen Volke den Tod geschwo¬
ren hatte. Den Abend desselben Tages feierten die Hermannstädter Turner zu
Ehren der eben an diesem Tage in Frankfurt a. M. eröffneten constituirenden
Nationalversammlung; es war dies ein klarer Beweis dafür, daß auch die Sach¬
sen für ihre deutsche Sache zu dieser Versammlung große Hoffnungen hegten. --
Doch der Landtag rückte heran; es mußten zu dessen Beschickung auch von Seiten
der Sachsen Anstalten getroffen werden. Da jedoch die Klausenburger Studenten
und Canzellisten, die sich schon auf den bisherigen Landtagen nicht eben als die ru¬
higsten Zuhörer bewiesen hatten, nun noch durch starke Zuzüge von Zuraten aus
Pesth und von andern jungen Adeligen -- aus der biharer Gespanschaft allein
waren 500 angemeldet -- waren verstärkt worden, so steigerte dies Alles die Be^
sorgniß der Sachsen für die Freiheit der Berathung, ja sogar für das Leben ihrer
Abgeordneten bedeutend. Deshalb ersuchte die Nationsuniverfität noch am 22.
Mai deu Kaiser, entweder die Union aus den k. Propositionen gänzlich auszulas--
sen , oder aber den Landtag von Klausenburg an einen sichern, die Freiheit der
Berathung nicht beirrenden Ort zu verlegen. Hermannstadt fing schon an sich zu
verproviantiren, weil es im Weigerungsfalle, Abgeordnete zu schicken, einen
Angriff besorgte. Auch in den Dörfern ward nun die Kampflust rege und es
schmiedeten die Zigeuner fort und fort Sensen für die sächsischen Bauern, die durch
die häufigen Versuche einzelner Bösewichter, die sächsischen Dörfer in Brand zu
stecken, ganz wild geworden waren. Denn hinreichende Schießwaffen vermochte
man weder aufzutreiben, noch durfte man hoffen solche bei des Gouverneurs stren¬
ger Ordnungsliebe gegenüber den sächsischen Bittstellern ^) je zu erhalten. Sach-



*) Der sächsische, jedoch "uf ungarischen Boden liegende Marktflecken Sächsisch-Steen
schickte, um den langedauernden Rechtsweg durch die GespanschaftSbehördc zu verkürzen, eine

in Hermannstadt an die Wiener Aula, eine dritte von der Hermannstädter Turn¬
gemeinde an die der Hanauer geschickt. Wenn auch die beiden ersten wegen der
Flucht des Kaisers aus Wien hier wenig zu leisten vermochten, so war doch die
Reise der zweiten, die nun nach Frankfurt ging und die der dritten um so erfolg¬
reicher, indem ihr Auftreten unter den Studenten Breslaus, Berlins, Leipzigs,
Hailes, Jenas, auf der Wartburg, in Hanau, Heidelberg, Mainz, Cöln u. s. w.
von einem rauschenden Beifallssturme begleitet war und den Sachsen die öffent¬
liche Meinung nicht allein der deutschen Jngend, sondern ganz Deutschlands ge¬
wonnen hat.

Indessen hatten die sächsischen Kreise beschlossen, sich fest an's constitutionelle
Oestreich anzuschließen, weil sie hier sichere Gewähr für ihr Deutschthum wähnten,
bedachten jedoch nicht, daß selbst die Erdtaube des östreichischen Kaiserreichs
mehr Slaven zählen, als eigentliche Deutsche. Sie hatten sich auf der Volks¬
versammlung in Hermannstadt am 18. Mai verständigt und zu fester Einigkeit
einander die Hände gereicht. Es soll ein Eintrachtsbund sein, wie jener von 16i:i,
als der tyrannische Fürst Gabriel Bathori dem sächsischen Volke den Tod geschwo¬
ren hatte. Den Abend desselben Tages feierten die Hermannstädter Turner zu
Ehren der eben an diesem Tage in Frankfurt a. M. eröffneten constituirenden
Nationalversammlung; es war dies ein klarer Beweis dafür, daß auch die Sach¬
sen für ihre deutsche Sache zu dieser Versammlung große Hoffnungen hegten. —
Doch der Landtag rückte heran; es mußten zu dessen Beschickung auch von Seiten
der Sachsen Anstalten getroffen werden. Da jedoch die Klausenburger Studenten
und Canzellisten, die sich schon auf den bisherigen Landtagen nicht eben als die ru¬
higsten Zuhörer bewiesen hatten, nun noch durch starke Zuzüge von Zuraten aus
Pesth und von andern jungen Adeligen — aus der biharer Gespanschaft allein
waren 500 angemeldet — waren verstärkt worden, so steigerte dies Alles die Be^
sorgniß der Sachsen für die Freiheit der Berathung, ja sogar für das Leben ihrer
Abgeordneten bedeutend. Deshalb ersuchte die Nationsuniverfität noch am 22.
Mai deu Kaiser, entweder die Union aus den k. Propositionen gänzlich auszulas--
sen , oder aber den Landtag von Klausenburg an einen sichern, die Freiheit der
Berathung nicht beirrenden Ort zu verlegen. Hermannstadt fing schon an sich zu
verproviantiren, weil es im Weigerungsfalle, Abgeordnete zu schicken, einen
Angriff besorgte. Auch in den Dörfern ward nun die Kampflust rege und es
schmiedeten die Zigeuner fort und fort Sensen für die sächsischen Bauern, die durch
die häufigen Versuche einzelner Bösewichter, die sächsischen Dörfer in Brand zu
stecken, ganz wild geworden waren. Denn hinreichende Schießwaffen vermochte
man weder aufzutreiben, noch durfte man hoffen solche bei des Gouverneurs stren¬
ger Ordnungsliebe gegenüber den sächsischen Bittstellern ^) je zu erhalten. Sach-



*) Der sächsische, jedoch «uf ungarischen Boden liegende Marktflecken Sächsisch-Steen
schickte, um den langedauernden Rechtsweg durch die GespanschaftSbehördc zu verkürzen, eine
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[0315] in Hermannstadt an die Wiener Aula, eine dritte von der Hermannstädter Turn¬ gemeinde an die der Hanauer geschickt. Wenn auch die beiden ersten wegen der Flucht des Kaisers aus Wien hier wenig zu leisten vermochten, so war doch die Reise der zweiten, die nun nach Frankfurt ging und die der dritten um so erfolg¬ reicher, indem ihr Auftreten unter den Studenten Breslaus, Berlins, Leipzigs, Hailes, Jenas, auf der Wartburg, in Hanau, Heidelberg, Mainz, Cöln u. s. w. von einem rauschenden Beifallssturme begleitet war und den Sachsen die öffent¬ liche Meinung nicht allein der deutschen Jngend, sondern ganz Deutschlands ge¬ wonnen hat. Indessen hatten die sächsischen Kreise beschlossen, sich fest an's constitutionelle Oestreich anzuschließen, weil sie hier sichere Gewähr für ihr Deutschthum wähnten, bedachten jedoch nicht, daß selbst die Erdtaube des östreichischen Kaiserreichs mehr Slaven zählen, als eigentliche Deutsche. Sie hatten sich auf der Volks¬ versammlung in Hermannstadt am 18. Mai verständigt und zu fester Einigkeit einander die Hände gereicht. Es soll ein Eintrachtsbund sein, wie jener von 16i:i, als der tyrannische Fürst Gabriel Bathori dem sächsischen Volke den Tod geschwo¬ ren hatte. Den Abend desselben Tages feierten die Hermannstädter Turner zu Ehren der eben an diesem Tage in Frankfurt a. M. eröffneten constituirenden Nationalversammlung; es war dies ein klarer Beweis dafür, daß auch die Sach¬ sen für ihre deutsche Sache zu dieser Versammlung große Hoffnungen hegten. — Doch der Landtag rückte heran; es mußten zu dessen Beschickung auch von Seiten der Sachsen Anstalten getroffen werden. Da jedoch die Klausenburger Studenten und Canzellisten, die sich schon auf den bisherigen Landtagen nicht eben als die ru¬ higsten Zuhörer bewiesen hatten, nun noch durch starke Zuzüge von Zuraten aus Pesth und von andern jungen Adeligen — aus der biharer Gespanschaft allein waren 500 angemeldet — waren verstärkt worden, so steigerte dies Alles die Be^ sorgniß der Sachsen für die Freiheit der Berathung, ja sogar für das Leben ihrer Abgeordneten bedeutend. Deshalb ersuchte die Nationsuniverfität noch am 22. Mai deu Kaiser, entweder die Union aus den k. Propositionen gänzlich auszulas-- sen , oder aber den Landtag von Klausenburg an einen sichern, die Freiheit der Berathung nicht beirrenden Ort zu verlegen. Hermannstadt fing schon an sich zu verproviantiren, weil es im Weigerungsfalle, Abgeordnete zu schicken, einen Angriff besorgte. Auch in den Dörfern ward nun die Kampflust rege und es schmiedeten die Zigeuner fort und fort Sensen für die sächsischen Bauern, die durch die häufigen Versuche einzelner Bösewichter, die sächsischen Dörfer in Brand zu stecken, ganz wild geworden waren. Denn hinreichende Schießwaffen vermochte man weder aufzutreiben, noch durfte man hoffen solche bei des Gouverneurs stren¬ ger Ordnungsliebe gegenüber den sächsischen Bittstellern ^) je zu erhalten. Sach- *) Der sächsische, jedoch «uf ungarischen Boden liegende Marktflecken Sächsisch-Steen schickte, um den langedauernden Rechtsweg durch die GespanschaftSbehördc zu verkürzen, eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/315>, abgerufen am 26.06.2024.