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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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nöthigte, die Redaction der Transilvania in Hermannstadt aufzugeben. Zwischen
beiden Städten entbrannte ein leidenschaftlich geführter, sehr bedenklicher Federkrieg.
Eine Partei wollte sich den Magyaren unter gewissen Bedingungen zur Aufrecht¬
haltung ihres Volksthums anschließen und traute ihnen im Angesichts der neuen
Zeit so viel Achtung vor einem fremden Volksthum zu, dieselbe in ihrem Recht
zu schützen; die andere hatte, gewarnt durch die tagtäglichen Ausfälle der magya¬
rischen Zeitungen auf die sächsische" Rechte, zu den Magyaren gar kein Vertrauen
und sah in den Andersdenkenden Abtrünnige an der deutschen Sache des Vater¬
landes, während sie selbst dadurch, daß sie hie und da den Herren der Wiener
Hofkanzlei willig ihr Ohr lieh, sich den allerdings ungerechten Namen von Bu¬
reaukraten oder gar Reactionären zuzog. Da geschah es, daß am I!. Mai der
Gouverneur, Graf Joseph Teleki, nach Hermannstadt kam und den commandiren-
den General, Freiherrn Puchner, in etwas ungewöhnlichem Tone aufforderte, die
Sachsen zur Union (ob auf friedlichem oder gewaltsamen Wege, ist nicht bekannt)
zu bewegen. Der General hatte ihn mit einer kurze" bündigen Antwort entlassen.
An demselben Tage machten die Nationsuniversität und die Stadtbehörde Hermanu-
stadts dem Gouverneur einen Ehrenbesnch und hofften zugleich Beruhigung der
aufgeregten Gemüther erhalten zu können. Allem der Gouverneur stellte sich nicht
nur nicht über die Parteien, sondern sprach in so eifrig magyarischem Sinne zu
den bei ihm versammelten Sachsen, daß diese nun nicht länger zweifeln durften
an der Wahrheit jener Zeitungsartikel, die ihnen den Untergang ihres Volksthums,
die Zerstückelung ihres Gebiets und die Einführung der magyarischen Sprache
verkündigten. Denn nach seiner Ueberzeugung sollte ja die Vereinigung Sieben¬
bürgens mit Ungarn von den Tribunen, nicht von den Ständen entschieden wer¬
den; und wenn die sächsischen Abgeordneten -- so sprach er, der erste Beamte
des Landes -- an die Union Bedingungen knüpfen würden, so könne er für ihr
Leben außer dem Laudtagssaale keine Gewähr leisten.

Die nächste Folge dieser Unterredung war, daß Hermannstadt noch an dem¬
selben Tage auf dem Stadtthurm, vor dem Nationallandhause und im Theater
die schwarzgelbe Fahne aufzog, zum Zeugniß dafür, daß es treu und unerschütter-
lich am deutschen Kaiserhause festhalte und sich keinem magyarischen Ministerium
fügen wolle. Durch zahlreiche Flugschriften und eine Menge von Augenzeugen
(es war in Hermannstadt gerade Jahrmarkt) kam die Kunde von diesen Ereignissen
auch in die entlegenen Theile des Sachsenlandes, so daß nun alle Kreise dnrch
die Union den Untergang der Sachsen als freies deutsches Volk befürchteten und
der Union entgegen waren, Kronstäbe ausgenommen, das allein bei seiner frühern
Ueberzeugung beharrte und selbst den Worten des Gouverneurs keinen Glauben
schenkte. Um einer Union in dem Sinne, wie der Gouverneur gemeint hatte, ent-
gegenzuwirken, ging von der sächsischen Nation aus eine Deputation nach Wien
,;n den Kaiser; eine andere wurde von den Studenten der juridischen Fakultät


nöthigte, die Redaction der Transilvania in Hermannstadt aufzugeben. Zwischen
beiden Städten entbrannte ein leidenschaftlich geführter, sehr bedenklicher Federkrieg.
Eine Partei wollte sich den Magyaren unter gewissen Bedingungen zur Aufrecht¬
haltung ihres Volksthums anschließen und traute ihnen im Angesichts der neuen
Zeit so viel Achtung vor einem fremden Volksthum zu, dieselbe in ihrem Recht
zu schützen; die andere hatte, gewarnt durch die tagtäglichen Ausfälle der magya¬
rischen Zeitungen auf die sächsische» Rechte, zu den Magyaren gar kein Vertrauen
und sah in den Andersdenkenden Abtrünnige an der deutschen Sache des Vater¬
landes, während sie selbst dadurch, daß sie hie und da den Herren der Wiener
Hofkanzlei willig ihr Ohr lieh, sich den allerdings ungerechten Namen von Bu¬
reaukraten oder gar Reactionären zuzog. Da geschah es, daß am I!. Mai der
Gouverneur, Graf Joseph Teleki, nach Hermannstadt kam und den commandiren-
den General, Freiherrn Puchner, in etwas ungewöhnlichem Tone aufforderte, die
Sachsen zur Union (ob auf friedlichem oder gewaltsamen Wege, ist nicht bekannt)
zu bewegen. Der General hatte ihn mit einer kurze» bündigen Antwort entlassen.
An demselben Tage machten die Nationsuniversität und die Stadtbehörde Hermanu-
stadts dem Gouverneur einen Ehrenbesnch und hofften zugleich Beruhigung der
aufgeregten Gemüther erhalten zu können. Allem der Gouverneur stellte sich nicht
nur nicht über die Parteien, sondern sprach in so eifrig magyarischem Sinne zu
den bei ihm versammelten Sachsen, daß diese nun nicht länger zweifeln durften
an der Wahrheit jener Zeitungsartikel, die ihnen den Untergang ihres Volksthums,
die Zerstückelung ihres Gebiets und die Einführung der magyarischen Sprache
verkündigten. Denn nach seiner Ueberzeugung sollte ja die Vereinigung Sieben¬
bürgens mit Ungarn von den Tribunen, nicht von den Ständen entschieden wer¬
den; und wenn die sächsischen Abgeordneten — so sprach er, der erste Beamte
des Landes — an die Union Bedingungen knüpfen würden, so könne er für ihr
Leben außer dem Laudtagssaale keine Gewähr leisten.

Die nächste Folge dieser Unterredung war, daß Hermannstadt noch an dem¬
selben Tage auf dem Stadtthurm, vor dem Nationallandhause und im Theater
die schwarzgelbe Fahne aufzog, zum Zeugniß dafür, daß es treu und unerschütter-
lich am deutschen Kaiserhause festhalte und sich keinem magyarischen Ministerium
fügen wolle. Durch zahlreiche Flugschriften und eine Menge von Augenzeugen
(es war in Hermannstadt gerade Jahrmarkt) kam die Kunde von diesen Ereignissen
auch in die entlegenen Theile des Sachsenlandes, so daß nun alle Kreise dnrch
die Union den Untergang der Sachsen als freies deutsches Volk befürchteten und
der Union entgegen waren, Kronstäbe ausgenommen, das allein bei seiner frühern
Ueberzeugung beharrte und selbst den Worten des Gouverneurs keinen Glauben
schenkte. Um einer Union in dem Sinne, wie der Gouverneur gemeint hatte, ent-
gegenzuwirken, ging von der sächsischen Nation aus eine Deputation nach Wien
,;n den Kaiser; eine andere wurde von den Studenten der juridischen Fakultät


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[0314] nöthigte, die Redaction der Transilvania in Hermannstadt aufzugeben. Zwischen beiden Städten entbrannte ein leidenschaftlich geführter, sehr bedenklicher Federkrieg. Eine Partei wollte sich den Magyaren unter gewissen Bedingungen zur Aufrecht¬ haltung ihres Volksthums anschließen und traute ihnen im Angesichts der neuen Zeit so viel Achtung vor einem fremden Volksthum zu, dieselbe in ihrem Recht zu schützen; die andere hatte, gewarnt durch die tagtäglichen Ausfälle der magya¬ rischen Zeitungen auf die sächsische» Rechte, zu den Magyaren gar kein Vertrauen und sah in den Andersdenkenden Abtrünnige an der deutschen Sache des Vater¬ landes, während sie selbst dadurch, daß sie hie und da den Herren der Wiener Hofkanzlei willig ihr Ohr lieh, sich den allerdings ungerechten Namen von Bu¬ reaukraten oder gar Reactionären zuzog. Da geschah es, daß am I!. Mai der Gouverneur, Graf Joseph Teleki, nach Hermannstadt kam und den commandiren- den General, Freiherrn Puchner, in etwas ungewöhnlichem Tone aufforderte, die Sachsen zur Union (ob auf friedlichem oder gewaltsamen Wege, ist nicht bekannt) zu bewegen. Der General hatte ihn mit einer kurze» bündigen Antwort entlassen. An demselben Tage machten die Nationsuniversität und die Stadtbehörde Hermanu- stadts dem Gouverneur einen Ehrenbesnch und hofften zugleich Beruhigung der aufgeregten Gemüther erhalten zu können. Allem der Gouverneur stellte sich nicht nur nicht über die Parteien, sondern sprach in so eifrig magyarischem Sinne zu den bei ihm versammelten Sachsen, daß diese nun nicht länger zweifeln durften an der Wahrheit jener Zeitungsartikel, die ihnen den Untergang ihres Volksthums, die Zerstückelung ihres Gebiets und die Einführung der magyarischen Sprache verkündigten. Denn nach seiner Ueberzeugung sollte ja die Vereinigung Sieben¬ bürgens mit Ungarn von den Tribunen, nicht von den Ständen entschieden wer¬ den; und wenn die sächsischen Abgeordneten — so sprach er, der erste Beamte des Landes — an die Union Bedingungen knüpfen würden, so könne er für ihr Leben außer dem Laudtagssaale keine Gewähr leisten. Die nächste Folge dieser Unterredung war, daß Hermannstadt noch an dem¬ selben Tage auf dem Stadtthurm, vor dem Nationallandhause und im Theater die schwarzgelbe Fahne aufzog, zum Zeugniß dafür, daß es treu und unerschütter- lich am deutschen Kaiserhause festhalte und sich keinem magyarischen Ministerium fügen wolle. Durch zahlreiche Flugschriften und eine Menge von Augenzeugen (es war in Hermannstadt gerade Jahrmarkt) kam die Kunde von diesen Ereignissen auch in die entlegenen Theile des Sachsenlandes, so daß nun alle Kreise dnrch die Union den Untergang der Sachsen als freies deutsches Volk befürchteten und der Union entgegen waren, Kronstäbe ausgenommen, das allein bei seiner frühern Ueberzeugung beharrte und selbst den Worten des Gouverneurs keinen Glauben schenkte. Um einer Union in dem Sinne, wie der Gouverneur gemeint hatte, ent- gegenzuwirken, ging von der sächsischen Nation aus eine Deputation nach Wien ,;n den Kaiser; eine andere wurde von den Studenten der juridischen Fakultät

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/314>, abgerufen am 26.06.2024.