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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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wolle. Das Ergebniß ihrer Verhandlungen war die Abfassung einer Peti¬
tion, worin die Leiter der Versammlung -- denn der gemeine Mann wußte
ja nichts anders zu wünschen, als Befreiung von der Zuchtruthe adliger Willkür-
Herrschaft -- forderten: gleiche Rechte mit den übrigen Völkern Siebenbürgens und
zugleich Ausschiebung der Landtagsverhandlungen über die Union, bis auch die Wa-
lachen und zwar nach Maßgabe ihrer Kopfzahl auf dem Landtag vertreten seien.
Mit dieser Forderung ging eine Deputation an den Kaiser, die andere an das
Gubernium. Vor der Hand blieb noch ein Volkscomit6 in Blasendorf zusammen,
um über Fragen in Angelegenheiten ihres Volks zu entscheiden. Dies Alles
'zeigte deutlich, wie klug die Walachen den Magyaren und Sachsen auszmvcicheu
wußten; hätten sie für eine Partei sich entschieden, so hätten sie den Verhandlun¬
gen der Vorversammlnng zufolge, wo einige walachische Sprecher für die Union
nicht eben mit Beifall waren aufgenommen worden, unbedingt gegen Union gestimmt.
Aber sie wollten eben nur ans dem Landtag Partei nehmen, wo sie nach Maßgabe
ihrer Kopfzahl die Mehrheit der Stimmen für sich zu haben hofften, Hatten sie
dies erlangt, so war Siebenbürgens Schicksal in ihre" Händen.

Ganz anders als mit den beiden genannten Völkern verhielt es sich mit den
Sachsen. Sie hatten weder Lust eine Herrschaft über die andern Völker auch
nur zu beanspruchen, noch auch und noch viel weniger aber von einem andern
Volk beherrscht zu werden. Sogleich nach den Wiener Märztagen that die eben in
Hermannstadt versammelte Nationsuniversität der höchste sächsische Gerichtshof
von 22 Abgeordneten, die jährlich zwei Mal zur Entscheidung von Privatrechtö-
streitigkeiten zusammentrete" -- schleunig Schritte zu: Bildung von Nationalgar¬
ten, zu deren Befehlshaber der Sachsengras Franz v. Salmen bestimmt wurde.
Denn daß nnn für die Entscheidung der Frage, ob die Sachsen als freies deut¬
sches Volk länger fortbestehen sollten, sehr entscheidende Angenblicke gekommen seien,
leuchtete Jedem von selbst ein. Die Sachsen begrüßten freudig die neue Zeit;
aber sich so leichthin ihrer Freibriefe, aus denen bis dahin ihr Bestand als Deut¬
sche fußte, zu entschlagen, wie dies von den Magyaren in Ungarn geschehen, war
immer noch gefährlich, da die Magyaren neben sich trotz des unaufhörlichen Rufs:
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! kein anderes Volk gelten lassen wollten. Den¬
noch that die Nationsuniversität, um im Innern des Sachsenlandes die Ruhe zu
sichern, den wichtigen Schritt, den Walachen auf Sachsenboden politische, den
Sachsen ganz gleiche Rechte zu ertheilen. War die Nationsuniversität in diesem
Falle nachgiebig gewesen, so trat sie dem Bestreben der Magyaren, sich von
Oestreich loszusagen, sehr bestimmt entgegen, indem sie den Kaiser in einer Adresse
der festen Anhänglichkeit der Sachsen an das deutsche Kaiserhaus versicherte. --
Indessen begannen sich unter den Sachsen selbst Parteien für und gegen die Union
zu bilden. Kronstäbe war für, Hermannstadt gegen die Union und zwar in so
hohem Grade, daß es den eifrigen Freund einer bedingten Union, Professor Haen,


wolle. Das Ergebniß ihrer Verhandlungen war die Abfassung einer Peti¬
tion, worin die Leiter der Versammlung — denn der gemeine Mann wußte
ja nichts anders zu wünschen, als Befreiung von der Zuchtruthe adliger Willkür-
Herrschaft — forderten: gleiche Rechte mit den übrigen Völkern Siebenbürgens und
zugleich Ausschiebung der Landtagsverhandlungen über die Union, bis auch die Wa-
lachen und zwar nach Maßgabe ihrer Kopfzahl auf dem Landtag vertreten seien.
Mit dieser Forderung ging eine Deputation an den Kaiser, die andere an das
Gubernium. Vor der Hand blieb noch ein Volkscomit6 in Blasendorf zusammen,
um über Fragen in Angelegenheiten ihres Volks zu entscheiden. Dies Alles
'zeigte deutlich, wie klug die Walachen den Magyaren und Sachsen auszmvcicheu
wußten; hätten sie für eine Partei sich entschieden, so hätten sie den Verhandlun¬
gen der Vorversammlnng zufolge, wo einige walachische Sprecher für die Union
nicht eben mit Beifall waren aufgenommen worden, unbedingt gegen Union gestimmt.
Aber sie wollten eben nur ans dem Landtag Partei nehmen, wo sie nach Maßgabe
ihrer Kopfzahl die Mehrheit der Stimmen für sich zu haben hofften, Hatten sie
dies erlangt, so war Siebenbürgens Schicksal in ihre» Händen.

Ganz anders als mit den beiden genannten Völkern verhielt es sich mit den
Sachsen. Sie hatten weder Lust eine Herrschaft über die andern Völker auch
nur zu beanspruchen, noch auch und noch viel weniger aber von einem andern
Volk beherrscht zu werden. Sogleich nach den Wiener Märztagen that die eben in
Hermannstadt versammelte Nationsuniversität der höchste sächsische Gerichtshof
von 22 Abgeordneten, die jährlich zwei Mal zur Entscheidung von Privatrechtö-
streitigkeiten zusammentrete» — schleunig Schritte zu: Bildung von Nationalgar¬
ten, zu deren Befehlshaber der Sachsengras Franz v. Salmen bestimmt wurde.
Denn daß nnn für die Entscheidung der Frage, ob die Sachsen als freies deut¬
sches Volk länger fortbestehen sollten, sehr entscheidende Angenblicke gekommen seien,
leuchtete Jedem von selbst ein. Die Sachsen begrüßten freudig die neue Zeit;
aber sich so leichthin ihrer Freibriefe, aus denen bis dahin ihr Bestand als Deut¬
sche fußte, zu entschlagen, wie dies von den Magyaren in Ungarn geschehen, war
immer noch gefährlich, da die Magyaren neben sich trotz des unaufhörlichen Rufs:
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! kein anderes Volk gelten lassen wollten. Den¬
noch that die Nationsuniversität, um im Innern des Sachsenlandes die Ruhe zu
sichern, den wichtigen Schritt, den Walachen auf Sachsenboden politische, den
Sachsen ganz gleiche Rechte zu ertheilen. War die Nationsuniversität in diesem
Falle nachgiebig gewesen, so trat sie dem Bestreben der Magyaren, sich von
Oestreich loszusagen, sehr bestimmt entgegen, indem sie den Kaiser in einer Adresse
der festen Anhänglichkeit der Sachsen an das deutsche Kaiserhaus versicherte. —
Indessen begannen sich unter den Sachsen selbst Parteien für und gegen die Union
zu bilden. Kronstäbe war für, Hermannstadt gegen die Union und zwar in so
hohem Grade, daß es den eifrigen Freund einer bedingten Union, Professor Haen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/313>, abgerufen am 26.06.2024.