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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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und äußern Rathes der Stadt und die Besetzung einiger Stellen mit Walachen
zu verlangen. Doch es war noch etwas zu früh am Tage, das Auftreten in
Kronstäbe war zu vereinzelt geschehen und daher hatte diese Demonstration noch
nicht den erwarteten Erfolg. Indessen gährte es furchtbar unter den Walachen
im Ungarlande, besonders unter den heißblutigen Bewohnern der hunyader Ge¬
spannschaft, wo ein Ausbruch der Volkswuth gegen den wegen der Frohnen ver¬
haßten magyarischen Adel nur durch das persönliche Erscheinen des griechisch nicht-
unirten Bischofs Schaguua unterdrückt werden konnte.

Um diese Zeit nun versuchten die Magyaren die Walachen für, Hermann-^
stadt dieselben gegen die Union Siebenbürgens mit Ungarn zu stimmen. Natur.^
lich war es, daß die Walachen mehr der Ehrlichkeit der Sachsen vertrauten, als
ihren bisherigen Unterdrückern, den magyarischen Adligen, um so mehr, da es
allenthalben hieß, die Magyaren wollten von der östreichischen Herrschaft abfallen,
weshalb Schaguna seinen Kirchenkindern sogar den Segen nur unter der Bedin¬
gung ertheilte, sie sollten gegen Union stimmen. So kam die Zeit zur Volksver¬
sammlung in Blasendorf, dem Sitze des griechisch - unirten Bischofs Lemery, der
15. bis 18. Mai, heran. Ungeachtet des Verbotes der Versammlung durch das
Gubernium und der Zusammenziehung von Militär in der Nähe Blasendorfs,
hatten sich doch an 30,000 Walachen auf dem Felde der "Freiheit," wie sie es
nannten, eingefunden; selbst aus Bukarest waren einige sehr talentvolle Professoren
erschienen. Die letztern hatten zugleich die in der Moldau und Walachei sehr stark
verbreiteten Ideen von einem daco-romanischen Reich innerhalb seiner alten Gren¬
zen mit herüber gebracht und ihnen auch hier Eingang zu verschaffen gewußt.
Auch wurde sehr viel gethan, um die Menge für die Erinnerungen an Dacier,
an die Römer u. f. w. zu begeistern. Sie faßten den Beschluß, sich fortan Ro¬
manen zu nennen -- in ihrer Sprache heißen sie Rumuni --- und den auch durch
die frühern Landtagsgesetze arg gebrandmarkten Namen Walache für eine Bezeich¬
nung des Schimpfes und der Schande anzusehn. Dem großen Eroberer Daciens
Trajan wurde ein Hoch über das andere gebracht; das aufgestellte Militär gab
dazu die Freudensalven. Sie begrüßten sich als Enkel Trajans, obgleich dieser
in ihnen aus innern und äußern Gründen schwerlich seine wahren Enkel erkannt
haben würde. -- Die Magyaren änderten nun ihre Politik. Da sie die Adhad
tung der Versammlung nicht hindern konnten, suchten sie dieselbe auf freundlichem
Wege für sich zu gewinnen, wenngleich auch die Sachsen diese Gelegenheit nicht
ungenutzt vorübergehn ließen. Das Gubernium schickte zwei magyarische Kommissäre
hin und als bereits die Berathungen unter dem Vorsitze des griechisch-nnirten und
des nichtunirten Bischofs ihren Anfang genommen hatten, kam die Kunde, es
seien magyarische Adlige auf 40 Wagen mit Unionsfahnen im Anzüge, um die
Union auszurufen, was jedoch auf das entschiedene Verlangen der Versamm¬
lung unterbleiben mußte, da sie selbst über das Für oder Wider entscheiden


und äußern Rathes der Stadt und die Besetzung einiger Stellen mit Walachen
zu verlangen. Doch es war noch etwas zu früh am Tage, das Auftreten in
Kronstäbe war zu vereinzelt geschehen und daher hatte diese Demonstration noch
nicht den erwarteten Erfolg. Indessen gährte es furchtbar unter den Walachen
im Ungarlande, besonders unter den heißblutigen Bewohnern der hunyader Ge¬
spannschaft, wo ein Ausbruch der Volkswuth gegen den wegen der Frohnen ver¬
haßten magyarischen Adel nur durch das persönliche Erscheinen des griechisch nicht-
unirten Bischofs Schaguua unterdrückt werden konnte.

Um diese Zeit nun versuchten die Magyaren die Walachen für, Hermann-^
stadt dieselben gegen die Union Siebenbürgens mit Ungarn zu stimmen. Natur.^
lich war es, daß die Walachen mehr der Ehrlichkeit der Sachsen vertrauten, als
ihren bisherigen Unterdrückern, den magyarischen Adligen, um so mehr, da es
allenthalben hieß, die Magyaren wollten von der östreichischen Herrschaft abfallen,
weshalb Schaguna seinen Kirchenkindern sogar den Segen nur unter der Bedin¬
gung ertheilte, sie sollten gegen Union stimmen. So kam die Zeit zur Volksver¬
sammlung in Blasendorf, dem Sitze des griechisch - unirten Bischofs Lemery, der
15. bis 18. Mai, heran. Ungeachtet des Verbotes der Versammlung durch das
Gubernium und der Zusammenziehung von Militär in der Nähe Blasendorfs,
hatten sich doch an 30,000 Walachen auf dem Felde der „Freiheit," wie sie es
nannten, eingefunden; selbst aus Bukarest waren einige sehr talentvolle Professoren
erschienen. Die letztern hatten zugleich die in der Moldau und Walachei sehr stark
verbreiteten Ideen von einem daco-romanischen Reich innerhalb seiner alten Gren¬
zen mit herüber gebracht und ihnen auch hier Eingang zu verschaffen gewußt.
Auch wurde sehr viel gethan, um die Menge für die Erinnerungen an Dacier,
an die Römer u. f. w. zu begeistern. Sie faßten den Beschluß, sich fortan Ro¬
manen zu nennen — in ihrer Sprache heißen sie Rumuni —- und den auch durch
die frühern Landtagsgesetze arg gebrandmarkten Namen Walache für eine Bezeich¬
nung des Schimpfes und der Schande anzusehn. Dem großen Eroberer Daciens
Trajan wurde ein Hoch über das andere gebracht; das aufgestellte Militär gab
dazu die Freudensalven. Sie begrüßten sich als Enkel Trajans, obgleich dieser
in ihnen aus innern und äußern Gründen schwerlich seine wahren Enkel erkannt
haben würde. -- Die Magyaren änderten nun ihre Politik. Da sie die Adhad
tung der Versammlung nicht hindern konnten, suchten sie dieselbe auf freundlichem
Wege für sich zu gewinnen, wenngleich auch die Sachsen diese Gelegenheit nicht
ungenutzt vorübergehn ließen. Das Gubernium schickte zwei magyarische Kommissäre
hin und als bereits die Berathungen unter dem Vorsitze des griechisch-nnirten und
des nichtunirten Bischofs ihren Anfang genommen hatten, kam die Kunde, es
seien magyarische Adlige auf 40 Wagen mit Unionsfahnen im Anzüge, um die
Union auszurufen, was jedoch auf das entschiedene Verlangen der Versamm¬
lung unterbleiben mußte, da sie selbst über das Für oder Wider entscheiden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/312>, abgerufen am 26.06.2024.