Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und sehr frühe sein politisches Glaubensbekenntniß vor seinen Wählern aus: er
hasse die Sachsen. Alle magyarischen Zeitungen jubelten über den Untergang
jenes Volkes, das ihren Absonderungsplänen bisher überall im Wege gestanden; hier
freuten sie sich schon im Voraus über die reiche Prise in den sächsischen National-
und den Allodialkassen; dort wollten sie den sächsischen Bürger, der in seinem
Sachsenlande gar keinen Adel gekannt hatte, durch eine unerschwinglich hohe
Steuer zur Entschädigung des Adels kirre machen, drohten, sein Gebiet zu zer¬
stückeln, den Gewerbfleiß zu vernichten und sie mit der erst noch anzulegenden
Eisenbahn zu umgehen. Alle aber waren damit einverstanden, daß nun der Ma-
gyare in seinem Reich herrschen und das magyarische Ministerium in Pesth Befehle
ertheilen müsse, nicht mehr der deutsche Kaiser. Erst als alles dies kund ge¬
worden war, regten sich die Sachsen, denn eine solche Vereinigung mit Ungarn
drohte ihnen den Untergang. Auch der Gouverneur hatte, anstatt zu beschwichti¬
gen, frisches Oel ins Feuer gegossen. Wie in Klauseuburg, dem Hauptsitz des
magyarischen Adels, so ging es überall. Ja auf der Szekler Stuhlsversammlung
in Udvorhely hatte das Volk sogar den östreichischen Doppeladler vom PostHanse
gerissen, mit Füßen in den Koth getreten und dazwischen gerufen: "wir brauchen
keinen dentschen Kaiser mehr." Zwei Compagnien Szekler Grenzer verweigerten
dazu noch in Uzvn den Gehorsam und vergingen sich sogar so weit, aus östreichische
Fahnen und Farben zu schießen und die Träger der östreichischen Farben öffentlich
zu verhöhnen. So baute unter den Magyaren Jeder in wahrhaft kindlicher Ein¬
falt ein großes magyarisches Reich zusammen. Alle träumten einen recht süßen
volksthümlichen Traum: da auf einmal schreckt sie auf das wilde Getöse zwischen
Sau und Dran nud an der Donau.

Eben so kühne Hoffnungen, wie die Magyaren, hegten auch die W "lachen.
Bei ihnen sollte die Masse das ersetzen, was bei den Magyaren die angestammte
Herrschaft ausmachte. Eine Million Walachen konnte sich mit etwa 609,000
Ungarn und Szeklern immerhin messen. Die Walachen hatten bis dahin weder
im Lande der Ungarn, noch in dem der Szekler, noch in dem der Sachsen poli¬
tische Rechte gehabt, ein Unglück, das sie schwer empfinden mußten, denn der
so zahlreiche Volksstamm besaß verhältnißmäßig nur eine geringe Anzahl intelli¬
genter Köpfe, die dann aber -- größtentheils Popen -- um so blinder" Gehorsam
bei der großen ungebildeten Masse ihrer Volksgenossen fanden. Sehr bedeutend
für die Zukunft war ferner der Umstand, daß jetzt viele walachische Edelleute, die
früher immer nur als Magyaren gezählt hatten, offen zu ihren Volksgenossen
übertraten und deren Stimmführer wurden. Der einflußreichste Uebergetretene
war Soptsa, der Obergespan der hunyader Gespannschaft. -- Trotz der Erlangung
politischer Rechte auf dem Sachsenboden wagten es dennoch einige walachische
Kaufleute und ein etwas überspannter walachischer Advokat in Kronstäbe vor dem
Rath in walachischer Rede (bisher unerhört!) die sofortige Auflösung des innern


39*

und sehr frühe sein politisches Glaubensbekenntniß vor seinen Wählern aus: er
hasse die Sachsen. Alle magyarischen Zeitungen jubelten über den Untergang
jenes Volkes, das ihren Absonderungsplänen bisher überall im Wege gestanden; hier
freuten sie sich schon im Voraus über die reiche Prise in den sächsischen National-
und den Allodialkassen; dort wollten sie den sächsischen Bürger, der in seinem
Sachsenlande gar keinen Adel gekannt hatte, durch eine unerschwinglich hohe
Steuer zur Entschädigung des Adels kirre machen, drohten, sein Gebiet zu zer¬
stückeln, den Gewerbfleiß zu vernichten und sie mit der erst noch anzulegenden
Eisenbahn zu umgehen. Alle aber waren damit einverstanden, daß nun der Ma-
gyare in seinem Reich herrschen und das magyarische Ministerium in Pesth Befehle
ertheilen müsse, nicht mehr der deutsche Kaiser. Erst als alles dies kund ge¬
worden war, regten sich die Sachsen, denn eine solche Vereinigung mit Ungarn
drohte ihnen den Untergang. Auch der Gouverneur hatte, anstatt zu beschwichti¬
gen, frisches Oel ins Feuer gegossen. Wie in Klauseuburg, dem Hauptsitz des
magyarischen Adels, so ging es überall. Ja auf der Szekler Stuhlsversammlung
in Udvorhely hatte das Volk sogar den östreichischen Doppeladler vom PostHanse
gerissen, mit Füßen in den Koth getreten und dazwischen gerufen: „wir brauchen
keinen dentschen Kaiser mehr." Zwei Compagnien Szekler Grenzer verweigerten
dazu noch in Uzvn den Gehorsam und vergingen sich sogar so weit, aus östreichische
Fahnen und Farben zu schießen und die Träger der östreichischen Farben öffentlich
zu verhöhnen. So baute unter den Magyaren Jeder in wahrhaft kindlicher Ein¬
falt ein großes magyarisches Reich zusammen. Alle träumten einen recht süßen
volksthümlichen Traum: da auf einmal schreckt sie auf das wilde Getöse zwischen
Sau und Dran nud an der Donau.

Eben so kühne Hoffnungen, wie die Magyaren, hegten auch die W «lachen.
Bei ihnen sollte die Masse das ersetzen, was bei den Magyaren die angestammte
Herrschaft ausmachte. Eine Million Walachen konnte sich mit etwa 609,000
Ungarn und Szeklern immerhin messen. Die Walachen hatten bis dahin weder
im Lande der Ungarn, noch in dem der Szekler, noch in dem der Sachsen poli¬
tische Rechte gehabt, ein Unglück, das sie schwer empfinden mußten, denn der
so zahlreiche Volksstamm besaß verhältnißmäßig nur eine geringe Anzahl intelli¬
genter Köpfe, die dann aber — größtentheils Popen — um so blinder» Gehorsam
bei der großen ungebildeten Masse ihrer Volksgenossen fanden. Sehr bedeutend
für die Zukunft war ferner der Umstand, daß jetzt viele walachische Edelleute, die
früher immer nur als Magyaren gezählt hatten, offen zu ihren Volksgenossen
übertraten und deren Stimmführer wurden. Der einflußreichste Uebergetretene
war Soptsa, der Obergespan der hunyader Gespannschaft. — Trotz der Erlangung
politischer Rechte auf dem Sachsenboden wagten es dennoch einige walachische
Kaufleute und ein etwas überspannter walachischer Advokat in Kronstäbe vor dem
Rath in walachischer Rede (bisher unerhört!) die sofortige Auflösung des innern


39*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0311" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277741"/>
            <p xml:id="ID_1025" prev="#ID_1024"> und sehr frühe sein politisches Glaubensbekenntniß vor seinen Wählern aus: er<lb/>
hasse die Sachsen. Alle magyarischen Zeitungen jubelten über den Untergang<lb/>
jenes Volkes, das ihren Absonderungsplänen bisher überall im Wege gestanden; hier<lb/>
freuten sie sich schon im Voraus über die reiche Prise in den sächsischen National-<lb/>
und den Allodialkassen; dort wollten sie den sächsischen Bürger, der in seinem<lb/>
Sachsenlande gar keinen Adel gekannt hatte, durch eine unerschwinglich hohe<lb/>
Steuer zur Entschädigung des Adels kirre machen, drohten, sein Gebiet zu zer¬<lb/>
stückeln, den Gewerbfleiß zu vernichten und sie mit der erst noch anzulegenden<lb/>
Eisenbahn zu umgehen. Alle aber waren damit einverstanden, daß nun der Ma-<lb/>
gyare in seinem Reich herrschen und das magyarische Ministerium in Pesth Befehle<lb/>
ertheilen müsse, nicht mehr der deutsche Kaiser. Erst als alles dies kund ge¬<lb/>
worden war, regten sich die Sachsen, denn eine solche Vereinigung mit Ungarn<lb/>
drohte ihnen den Untergang. Auch der Gouverneur hatte, anstatt zu beschwichti¬<lb/>
gen, frisches Oel ins Feuer gegossen. Wie in Klauseuburg, dem Hauptsitz des<lb/>
magyarischen Adels, so ging es überall. Ja auf der Szekler Stuhlsversammlung<lb/>
in Udvorhely hatte das Volk sogar den östreichischen Doppeladler vom PostHanse<lb/>
gerissen, mit Füßen in den Koth getreten und dazwischen gerufen: &#x201E;wir brauchen<lb/>
keinen dentschen Kaiser mehr." Zwei Compagnien Szekler Grenzer verweigerten<lb/>
dazu noch in Uzvn den Gehorsam und vergingen sich sogar so weit, aus östreichische<lb/>
Fahnen und Farben zu schießen und die Träger der östreichischen Farben öffentlich<lb/>
zu verhöhnen. So baute unter den Magyaren Jeder in wahrhaft kindlicher Ein¬<lb/>
falt ein großes magyarisches Reich zusammen. Alle träumten einen recht süßen<lb/>
volksthümlichen Traum: da auf einmal schreckt sie auf das wilde Getöse zwischen<lb/>
Sau und Dran nud an der Donau.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1026" next="#ID_1027"> Eben so kühne Hoffnungen, wie die Magyaren, hegten auch die W «lachen.<lb/>
Bei ihnen sollte die Masse das ersetzen, was bei den Magyaren die angestammte<lb/>
Herrschaft ausmachte. Eine Million Walachen konnte sich mit etwa 609,000<lb/>
Ungarn und Szeklern immerhin messen. Die Walachen hatten bis dahin weder<lb/>
im Lande der Ungarn, noch in dem der Szekler, noch in dem der Sachsen poli¬<lb/>
tische Rechte gehabt, ein Unglück, das sie schwer empfinden mußten, denn der<lb/>
so zahlreiche Volksstamm besaß verhältnißmäßig nur eine geringe Anzahl intelli¬<lb/>
genter Köpfe, die dann aber &#x2014; größtentheils Popen &#x2014; um so blinder» Gehorsam<lb/>
bei der großen ungebildeten Masse ihrer Volksgenossen fanden. Sehr bedeutend<lb/>
für die Zukunft war ferner der Umstand, daß jetzt viele walachische Edelleute, die<lb/>
früher immer nur als Magyaren gezählt hatten, offen zu ihren Volksgenossen<lb/>
übertraten und deren Stimmführer wurden. Der einflußreichste Uebergetretene<lb/>
war Soptsa, der Obergespan der hunyader Gespannschaft. &#x2014; Trotz der Erlangung<lb/>
politischer Rechte auf dem Sachsenboden wagten es dennoch einige walachische<lb/>
Kaufleute und ein etwas überspannter walachischer Advokat in Kronstäbe vor dem<lb/>
Rath in walachischer Rede (bisher unerhört!) die sofortige Auflösung des innern</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 39*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0311] und sehr frühe sein politisches Glaubensbekenntniß vor seinen Wählern aus: er hasse die Sachsen. Alle magyarischen Zeitungen jubelten über den Untergang jenes Volkes, das ihren Absonderungsplänen bisher überall im Wege gestanden; hier freuten sie sich schon im Voraus über die reiche Prise in den sächsischen National- und den Allodialkassen; dort wollten sie den sächsischen Bürger, der in seinem Sachsenlande gar keinen Adel gekannt hatte, durch eine unerschwinglich hohe Steuer zur Entschädigung des Adels kirre machen, drohten, sein Gebiet zu zer¬ stückeln, den Gewerbfleiß zu vernichten und sie mit der erst noch anzulegenden Eisenbahn zu umgehen. Alle aber waren damit einverstanden, daß nun der Ma- gyare in seinem Reich herrschen und das magyarische Ministerium in Pesth Befehle ertheilen müsse, nicht mehr der deutsche Kaiser. Erst als alles dies kund ge¬ worden war, regten sich die Sachsen, denn eine solche Vereinigung mit Ungarn drohte ihnen den Untergang. Auch der Gouverneur hatte, anstatt zu beschwichti¬ gen, frisches Oel ins Feuer gegossen. Wie in Klauseuburg, dem Hauptsitz des magyarischen Adels, so ging es überall. Ja auf der Szekler Stuhlsversammlung in Udvorhely hatte das Volk sogar den östreichischen Doppeladler vom PostHanse gerissen, mit Füßen in den Koth getreten und dazwischen gerufen: „wir brauchen keinen dentschen Kaiser mehr." Zwei Compagnien Szekler Grenzer verweigerten dazu noch in Uzvn den Gehorsam und vergingen sich sogar so weit, aus östreichische Fahnen und Farben zu schießen und die Träger der östreichischen Farben öffentlich zu verhöhnen. So baute unter den Magyaren Jeder in wahrhaft kindlicher Ein¬ falt ein großes magyarisches Reich zusammen. Alle träumten einen recht süßen volksthümlichen Traum: da auf einmal schreckt sie auf das wilde Getöse zwischen Sau und Dran nud an der Donau. Eben so kühne Hoffnungen, wie die Magyaren, hegten auch die W «lachen. Bei ihnen sollte die Masse das ersetzen, was bei den Magyaren die angestammte Herrschaft ausmachte. Eine Million Walachen konnte sich mit etwa 609,000 Ungarn und Szeklern immerhin messen. Die Walachen hatten bis dahin weder im Lande der Ungarn, noch in dem der Szekler, noch in dem der Sachsen poli¬ tische Rechte gehabt, ein Unglück, das sie schwer empfinden mußten, denn der so zahlreiche Volksstamm besaß verhältnißmäßig nur eine geringe Anzahl intelli¬ genter Köpfe, die dann aber — größtentheils Popen — um so blinder» Gehorsam bei der großen ungebildeten Masse ihrer Volksgenossen fanden. Sehr bedeutend für die Zukunft war ferner der Umstand, daß jetzt viele walachische Edelleute, die früher immer nur als Magyaren gezählt hatten, offen zu ihren Volksgenossen übertraten und deren Stimmführer wurden. Der einflußreichste Uebergetretene war Soptsa, der Obergespan der hunyader Gespannschaft. — Trotz der Erlangung politischer Rechte auf dem Sachsenboden wagten es dennoch einige walachische Kaufleute und ein etwas überspannter walachischer Advokat in Kronstäbe vor dem Rath in walachischer Rede (bisher unerhört!) die sofortige Auflösung des innern 39*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/311
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/311>, abgerufen am 26.06.2024.