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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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einmal durchgesetzt -- und es mußte so kommen, wenn die Walachen jetzt Sieben¬
bürgens Steuerruder in ihre Hände bekamen, -- so war der Magyar für seinen
Bruder in Ungarn, der Sachse für Deutschland, kurz Siebenbürgen für das
Abendland auf ewig verloren. Möge man sich ja nicht irre führen lassen durch
jenen Einwand, die Walachen wüßten von solch hohen Dingen noch gar nichts;
wohl wahr, wenn man auf die Menge blickt, aber gewisse Männer in Jassy, Bu¬
karest, Blasendorf und -- Paris wissen um so besser was sie wollen. Es war
demnach die Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn von Seiten der Ungarn,
Szekler und Sachsen gleichsam eine Pflicht der Selbsterhaltung, die sie erfüllen
mußten, so lange sie noch die Macht dazu in Händen hatten und bevor noch die
Masse der Walachen mit politischen Forderungen hervortrat.

Der Würfel ist gefallen. Der Landtag hat die Vereinigung einstimmig an¬
genommen. Jeder Tag bringt immer neue Folgen dieses wichtigen Ereignisses.
Um uns jedoch vorerst mit den Erwartungen, Wünschen und Hoffnungen, welche
die Herzen der siebenbürgischen Völker in Bezug auf den Landtag hegten und
pflegten, bekannt zu machen, wollen wir jedes Volkes Bestrebungen und Thaten
in den drei letzten Monaten, die dem Landtage vorhergingen, einer kurzen Be¬
trachtung unterwerfen.

Die beiden magyarischen Stämme, Ungarn und Szekler, beseelte sogleich
auf die erste Kunde, der ungarische Reichstag habe von seinem König Sieben¬
bürgens Vereinigung mit Ungarn verlangt und die Entscheidung über Ja und
Nein liege einzig und allein in den Händen der siebenbürgischen Stände, eine
unmäßige, jede ruhige Ueberlegung in den Hintergrund drängende Freude. Der
herbe Unglücksschlag, der sie durch die Trennung Siebenbürgens von Ungarn betroffen
und aus ihre gleichmäßige volkstümliche Entwickelung so unheilvoll eingewirkt hatte,
sollte jetzt wieder gut gemacht werdeu. Sie begnügten sich jedoch hiemit noch nicht,
sondern gingen in ihrem Freudenrausch weiter und wollten Alles und Alles so¬
gleich haben. Zum Landtag wählten einzelne Gespannschaften, noch bevor der¬
selbe ausgeschrieben war, und drängten so den Gouverneur, Grafen Joseph Teleki,
zur Befriedigung der Gemüther einen Landtag zu berufen. -- In ihrem Triumph¬
geschrei über den Sieg, den jetzt der Magyarismus errungen haben sollte, ge¬
dachten sie auch mündlich und schriftlich der Sachsen, die bisher alle auch noch
so verhüllte Magyarisirungsversuche erbarmungslos über Bord geworfen hatten, in
so übermüthiger Weise, wie es sonst nur vou einem glücklichen Sieger nach ge-
wonnener Feldschlacht über den Gegner zu geschehen pflegt. Zwar war es auch
früher nicht die geringe Anzahl von 300,Wi) Seelen, die den Ungarn und Szeklern
der Sachsen wegen bange machte: wohl aber war für sie der deutsche Geist, der
im Volke lebte, jenes Gespenst, das ihnen. Tag und Nacht keine Ruhe ließ; und
dies Gespenst gedachten sie nun mit Hilfe des Talismans "magyarisches Ministe¬
rium" zu bannen. Einer, der Freiherr Dionys Kemeny, sprach unaufgefordert


einmal durchgesetzt — und es mußte so kommen, wenn die Walachen jetzt Sieben¬
bürgens Steuerruder in ihre Hände bekamen, — so war der Magyar für seinen
Bruder in Ungarn, der Sachse für Deutschland, kurz Siebenbürgen für das
Abendland auf ewig verloren. Möge man sich ja nicht irre führen lassen durch
jenen Einwand, die Walachen wüßten von solch hohen Dingen noch gar nichts;
wohl wahr, wenn man auf die Menge blickt, aber gewisse Männer in Jassy, Bu¬
karest, Blasendorf und — Paris wissen um so besser was sie wollen. Es war
demnach die Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn von Seiten der Ungarn,
Szekler und Sachsen gleichsam eine Pflicht der Selbsterhaltung, die sie erfüllen
mußten, so lange sie noch die Macht dazu in Händen hatten und bevor noch die
Masse der Walachen mit politischen Forderungen hervortrat.

Der Würfel ist gefallen. Der Landtag hat die Vereinigung einstimmig an¬
genommen. Jeder Tag bringt immer neue Folgen dieses wichtigen Ereignisses.
Um uns jedoch vorerst mit den Erwartungen, Wünschen und Hoffnungen, welche
die Herzen der siebenbürgischen Völker in Bezug auf den Landtag hegten und
pflegten, bekannt zu machen, wollen wir jedes Volkes Bestrebungen und Thaten
in den drei letzten Monaten, die dem Landtage vorhergingen, einer kurzen Be¬
trachtung unterwerfen.

Die beiden magyarischen Stämme, Ungarn und Szekler, beseelte sogleich
auf die erste Kunde, der ungarische Reichstag habe von seinem König Sieben¬
bürgens Vereinigung mit Ungarn verlangt und die Entscheidung über Ja und
Nein liege einzig und allein in den Händen der siebenbürgischen Stände, eine
unmäßige, jede ruhige Ueberlegung in den Hintergrund drängende Freude. Der
herbe Unglücksschlag, der sie durch die Trennung Siebenbürgens von Ungarn betroffen
und aus ihre gleichmäßige volkstümliche Entwickelung so unheilvoll eingewirkt hatte,
sollte jetzt wieder gut gemacht werdeu. Sie begnügten sich jedoch hiemit noch nicht,
sondern gingen in ihrem Freudenrausch weiter und wollten Alles und Alles so¬
gleich haben. Zum Landtag wählten einzelne Gespannschaften, noch bevor der¬
selbe ausgeschrieben war, und drängten so den Gouverneur, Grafen Joseph Teleki,
zur Befriedigung der Gemüther einen Landtag zu berufen. — In ihrem Triumph¬
geschrei über den Sieg, den jetzt der Magyarismus errungen haben sollte, ge¬
dachten sie auch mündlich und schriftlich der Sachsen, die bisher alle auch noch
so verhüllte Magyarisirungsversuche erbarmungslos über Bord geworfen hatten, in
so übermüthiger Weise, wie es sonst nur vou einem glücklichen Sieger nach ge-
wonnener Feldschlacht über den Gegner zu geschehen pflegt. Zwar war es auch
früher nicht die geringe Anzahl von 300,Wi) Seelen, die den Ungarn und Szeklern
der Sachsen wegen bange machte: wohl aber war für sie der deutsche Geist, der
im Volke lebte, jenes Gespenst, das ihnen. Tag und Nacht keine Ruhe ließ; und
dies Gespenst gedachten sie nun mit Hilfe des Talismans „magyarisches Ministe¬
rium" zu bannen. Einer, der Freiherr Dionys Kemeny, sprach unaufgefordert


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/310>, abgerufen am 22.07.2024.