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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Möge daher Mailand lieber Republik werden als bei Oestreich bleiben. Die
Geldentschädigung, welche die Monarchie zu fordern hat, rasch festgestellt und die
Wahl ihrer Regierungsform den Lombarden selbst überlassen, -- das wird die
klügste und billigste Politik sein. Wir wollen nicht mehr festen Fuß in Oberitalien,
als die Sicherung der adriatischen Marine verlangt; in die inneren Verwickelungen
und Entwickelungen der italienischen Dinge mögen wir uns so wenig einmischen
als wir zugeben, daß sich England oder Frankreich in die unsern mische *>.


lH


Des Kaisers Rückkehr nach Wien.



"Wann er nit kommen will, soll er's halt bleiben lassen! Wovor is er denn
Kaiser? An Kaiser muß ah auf sein Posten sein, oder die Gschicht bat an End!"
So hatte meine Frau Wirthin im Juni mir hundertmal vorgesungen und dabei
den Arm recht martialisch in die Seite gestemmt. Heute stand sie vor der Haus--



Die Red.
5) Von einem Behalten der Lombardei sollte unter keiner Bedingung die Rede sein und
das nickt blos aus Rücksichten der Klugheit. Einige Achtung vor dem viclcilirten Prinzip der
Nationalitäten, auf das wir uns selbst in unsern Streitigkeiten mit Westen und Norden stützen,
dürsten wir auch gegen Süden an den Tag legen. Die 500,000 Deutschen Posens z. B. hatten
ein Recht auf den Anschluß an Deutschland, auch wenn Polen so mächtig wäre wie Rußland.
Ferner: wenn unseren Waffen in Schleswig-Holstein etwas Menschliches widerfahren wäre,
wenn wir das Unglück erlebt hätten, geschlagen zu werden, wer von uns würde daraus den
Dänen ein Recht auf den Besitz der Herzogthümer ableiten? Dies hieße, das Recht der Ero¬
berung, das Recht des Stärkern, unbedingt sanctionircn. Auch wir freuen uns aufrichtig über
den glücklichen und ehrenvollen Ausgang des einmal entbrannten lombardischen Krieges: den
Krieg selbst können wir nicht so ohne Weiteres beklatschen. Seine Entstehung und Begründung
sind nicht ganz klar; der Anfang verliert sich in die letzten Tage der Metternichschcn Herrschaft,
unter deren Einfluß noch unwillkürlich der greise Feldmarschall stand, als er den Mailändern
die geforderte Bürgcrwehr verweigerte; und sein Uebergang in einen "Proceß wegen Geld-
cntschädigungen" geschah, nach den ersten Unglücksfällen Radetzky's, auf jedenfalls ungewöhn¬
liche Weise; es war eine nachträgliche mildere Auslegung des Kampfes gegen "Hochvcr-
rä eher und Reh ellen," Hoffentlich werden wir diese tyrolerischen Argumente nicht mehr hören.
In einem Augenblick, wo unsere Frankfurter Souveräne keinen Anstand nehmen, den kleinsten
Bruchtheil deutscher Nationalität, ein Stückchen Limburg z. B., gegen ihre factische Regierung
zur Auflehnung zu reizen, -- und das blos auf Grund der Rationalität, denn die Schrift der
Pergamente spricht darin eben so undeutlich wie in Schleswig -- in einem solchen Augenblick
würde es sehr mißtönig klingen, von den Mailändern als unterworfenen Rebellen zu sprechen.
Diesen Punkt hätte der geehrte Herr Einsender etwas energischer hervorheben sollen. Wir
fürchten ohnedies, daß Venedig in der Zukunft auch eine Frage werden wird, obwohl die Noth¬
wehr, wegen Trieft, uns hierin einigermaßen rechtfertigt. -

Möge daher Mailand lieber Republik werden als bei Oestreich bleiben. Die
Geldentschädigung, welche die Monarchie zu fordern hat, rasch festgestellt und die
Wahl ihrer Regierungsform den Lombarden selbst überlassen, — das wird die
klügste und billigste Politik sein. Wir wollen nicht mehr festen Fuß in Oberitalien,
als die Sicherung der adriatischen Marine verlangt; in die inneren Verwickelungen
und Entwickelungen der italienischen Dinge mögen wir uns so wenig einmischen
als wir zugeben, daß sich England oder Frankreich in die unsern mische *>.


lH


Des Kaisers Rückkehr nach Wien.



„Wann er nit kommen will, soll er's halt bleiben lassen! Wovor is er denn
Kaiser? An Kaiser muß ah auf sein Posten sein, oder die Gschicht bat an End!"
So hatte meine Frau Wirthin im Juni mir hundertmal vorgesungen und dabei
den Arm recht martialisch in die Seite gestemmt. Heute stand sie vor der Haus--



Die Red.
5) Von einem Behalten der Lombardei sollte unter keiner Bedingung die Rede sein und
das nickt blos aus Rücksichten der Klugheit. Einige Achtung vor dem viclcilirten Prinzip der
Nationalitäten, auf das wir uns selbst in unsern Streitigkeiten mit Westen und Norden stützen,
dürsten wir auch gegen Süden an den Tag legen. Die 500,000 Deutschen Posens z. B. hatten
ein Recht auf den Anschluß an Deutschland, auch wenn Polen so mächtig wäre wie Rußland.
Ferner: wenn unseren Waffen in Schleswig-Holstein etwas Menschliches widerfahren wäre,
wenn wir das Unglück erlebt hätten, geschlagen zu werden, wer von uns würde daraus den
Dänen ein Recht auf den Besitz der Herzogthümer ableiten? Dies hieße, das Recht der Ero¬
berung, das Recht des Stärkern, unbedingt sanctionircn. Auch wir freuen uns aufrichtig über
den glücklichen und ehrenvollen Ausgang des einmal entbrannten lombardischen Krieges: den
Krieg selbst können wir nicht so ohne Weiteres beklatschen. Seine Entstehung und Begründung
sind nicht ganz klar; der Anfang verliert sich in die letzten Tage der Metternichschcn Herrschaft,
unter deren Einfluß noch unwillkürlich der greise Feldmarschall stand, als er den Mailändern
die geforderte Bürgcrwehr verweigerte; und sein Uebergang in einen „Proceß wegen Geld-
cntschädigungen" geschah, nach den ersten Unglücksfällen Radetzky's, auf jedenfalls ungewöhn¬
liche Weise; es war eine nachträgliche mildere Auslegung des Kampfes gegen „Hochvcr-
rä eher und Reh ellen," Hoffentlich werden wir diese tyrolerischen Argumente nicht mehr hören.
In einem Augenblick, wo unsere Frankfurter Souveräne keinen Anstand nehmen, den kleinsten
Bruchtheil deutscher Nationalität, ein Stückchen Limburg z. B., gegen ihre factische Regierung
zur Auflehnung zu reizen, — und das blos auf Grund der Rationalität, denn die Schrift der
Pergamente spricht darin eben so undeutlich wie in Schleswig — in einem solchen Augenblick
würde es sehr mißtönig klingen, von den Mailändern als unterworfenen Rebellen zu sprechen.
Diesen Punkt hätte der geehrte Herr Einsender etwas energischer hervorheben sollen. Wir
fürchten ohnedies, daß Venedig in der Zukunft auch eine Frage werden wird, obwohl die Noth¬
wehr, wegen Trieft, uns hierin einigermaßen rechtfertigt. -
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[0294] Möge daher Mailand lieber Republik werden als bei Oestreich bleiben. Die Geldentschädigung, welche die Monarchie zu fordern hat, rasch festgestellt und die Wahl ihrer Regierungsform den Lombarden selbst überlassen, — das wird die klügste und billigste Politik sein. Wir wollen nicht mehr festen Fuß in Oberitalien, als die Sicherung der adriatischen Marine verlangt; in die inneren Verwickelungen und Entwickelungen der italienischen Dinge mögen wir uns so wenig einmischen als wir zugeben, daß sich England oder Frankreich in die unsern mische *>. lH Des Kaisers Rückkehr nach Wien. „Wann er nit kommen will, soll er's halt bleiben lassen! Wovor is er denn Kaiser? An Kaiser muß ah auf sein Posten sein, oder die Gschicht bat an End!" So hatte meine Frau Wirthin im Juni mir hundertmal vorgesungen und dabei den Arm recht martialisch in die Seite gestemmt. Heute stand sie vor der Haus-- Die Red. 5) Von einem Behalten der Lombardei sollte unter keiner Bedingung die Rede sein und das nickt blos aus Rücksichten der Klugheit. Einige Achtung vor dem viclcilirten Prinzip der Nationalitäten, auf das wir uns selbst in unsern Streitigkeiten mit Westen und Norden stützen, dürsten wir auch gegen Süden an den Tag legen. Die 500,000 Deutschen Posens z. B. hatten ein Recht auf den Anschluß an Deutschland, auch wenn Polen so mächtig wäre wie Rußland. Ferner: wenn unseren Waffen in Schleswig-Holstein etwas Menschliches widerfahren wäre, wenn wir das Unglück erlebt hätten, geschlagen zu werden, wer von uns würde daraus den Dänen ein Recht auf den Besitz der Herzogthümer ableiten? Dies hieße, das Recht der Ero¬ berung, das Recht des Stärkern, unbedingt sanctionircn. Auch wir freuen uns aufrichtig über den glücklichen und ehrenvollen Ausgang des einmal entbrannten lombardischen Krieges: den Krieg selbst können wir nicht so ohne Weiteres beklatschen. Seine Entstehung und Begründung sind nicht ganz klar; der Anfang verliert sich in die letzten Tage der Metternichschcn Herrschaft, unter deren Einfluß noch unwillkürlich der greise Feldmarschall stand, als er den Mailändern die geforderte Bürgcrwehr verweigerte; und sein Uebergang in einen „Proceß wegen Geld- cntschädigungen" geschah, nach den ersten Unglücksfällen Radetzky's, auf jedenfalls ungewöhn¬ liche Weise; es war eine nachträgliche mildere Auslegung des Kampfes gegen „Hochvcr- rä eher und Reh ellen," Hoffentlich werden wir diese tyrolerischen Argumente nicht mehr hören. In einem Augenblick, wo unsere Frankfurter Souveräne keinen Anstand nehmen, den kleinsten Bruchtheil deutscher Nationalität, ein Stückchen Limburg z. B., gegen ihre factische Regierung zur Auflehnung zu reizen, — und das blos auf Grund der Rationalität, denn die Schrift der Pergamente spricht darin eben so undeutlich wie in Schleswig — in einem solchen Augenblick würde es sehr mißtönig klingen, von den Mailändern als unterworfenen Rebellen zu sprechen. Diesen Punkt hätte der geehrte Herr Einsender etwas energischer hervorheben sollen. Wir fürchten ohnedies, daß Venedig in der Zukunft auch eine Frage werden wird, obwohl die Noth¬ wehr, wegen Trieft, uns hierin einigermaßen rechtfertigt. -

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/294>, abgerufen am 26.06.2024.