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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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schon den Hals, um ans dem Rhein zu trinken. Man lese la Neforme, le Courier
franems, Democratie pacifique, von den Journalen des letzten Ranges gar nicht
zu sprechen. Erbitterter fast als über die Friedensliebe der Regierung sind die
Ultras über den Hochverrätherischen Gedanken, Arm in Arm mit England gehen
zu wollen. Dieser Ehebruch, sagt die Neforme, diese "ehebrecherische Verbindung"
mit England, "dem heuchlerischen, krämerischen England, welches sein letztes Kind
verkaufen würde, um einen Profit zu machen", ist eine bittere Ironie ans die
Freiheit der Völker. Italien sinkt wieder in sein Grab zurück. Legen wir Trauer
an um Italien wie um Polen. -- Das ist die gerechte Strafe dafür, daß Frank¬
reich seine Mission verräth und den Pfad seiner großen Revolution verläßt, daß
es nicht seine siegreichen Adler über die Grenzen schickt, um die Völker zu retten! Zene.

Die Ideenassociationen dieser Leute stehen unwandelbar fest wie Fixsterne oder
fixe Ideen. Bei dem Namen Oestreich werden sie stets an den Spielberg, den
Stock und Metternich denken, wenn diese Gegenstände längst ins Reich der Tra¬
dition gehören werden. So lange ein Habsburg auf der Welt ist, werden sie
in ihm einen Büttel der Freiheit sehen und bei seinem Namen eine Gänsehaut
affectiren. Es kommt gewiß ein Tag, wo die demokratischen Institutionen bei uns
fester wurzeln werden, als in Frankreich, allein das wird diese Phraseurs nicht
abhalten, von den Despoten dn Nord zu phantasiren und fortwährend die Völker,
"welche ihnen die Arme entgegenstrecken," mit Feuer und Schwert befreien zu
wollen.

Es kau" indeß weniger von einer Gefahr für die Freiheit in Italien die
Rede sein, als von der Gefahr einer Verlegenheit für uns. Frankreich und Eng¬
land sind über die Art der lombardischen Ausgleichung nicht einig. Letzteres nimmt
eben so entschieden Partei für Oestreich wie jenes gegen. Venedig wird von Frank¬
furt und London den Oestreichern zugesprochen. Wem soll die Lombardei zufalle"?
Den Karl Albert wird sie jetzt von selbst zurückstoßen. Als Republik hätte sie den
Beifall Frankreichs, aber schwerlich den Toskanas und der ander" Fürsten des
uneinigeil Italiens. Wenn sich nicht bald ein italienischer Eoburg für den "enen
Thron findet, so fürchten wir, daß Oestreich in die Versuchung geraes, die wieder-
besetzte Provinz zu behalte". Ja wir fürchten, daß sich in der Lombardei nnr zu
zahlreiche Stimmen erheben werden, um den Anschluß an Oestreich zu verlangen.
Die Institutionen, die den übrigen Provinzen der Monarchie zu Theil werden,
überbieten an Freisinnigkeit die Verfassungen Neapels, Sardiniens, Roms und
selbst Toskanas eben so sehr, wie schon unter dem -malen rvKÜ""; die östreichische
Verwaltung in der Lombardei die aller übrigen italienischen Staaten übertraf.
Dagegen kann es Deutschland nicht angenehm sein, wenn Oestreich für die Ehre,
das Protectorat über ein so Mnkelinüthiges Volk zu üben, eine Last an seine
Füße bindet, die ihm das künftige Aufgehen in Deutschland erschwert.'


Gvrnzbvten. I".

schon den Hals, um ans dem Rhein zu trinken. Man lese la Neforme, le Courier
franems, Democratie pacifique, von den Journalen des letzten Ranges gar nicht
zu sprechen. Erbitterter fast als über die Friedensliebe der Regierung sind die
Ultras über den Hochverrätherischen Gedanken, Arm in Arm mit England gehen
zu wollen. Dieser Ehebruch, sagt die Neforme, diese „ehebrecherische Verbindung"
mit England, „dem heuchlerischen, krämerischen England, welches sein letztes Kind
verkaufen würde, um einen Profit zu machen", ist eine bittere Ironie ans die
Freiheit der Völker. Italien sinkt wieder in sein Grab zurück. Legen wir Trauer
an um Italien wie um Polen. — Das ist die gerechte Strafe dafür, daß Frank¬
reich seine Mission verräth und den Pfad seiner großen Revolution verläßt, daß
es nicht seine siegreichen Adler über die Grenzen schickt, um die Völker zu retten! Zene.

Die Ideenassociationen dieser Leute stehen unwandelbar fest wie Fixsterne oder
fixe Ideen. Bei dem Namen Oestreich werden sie stets an den Spielberg, den
Stock und Metternich denken, wenn diese Gegenstände längst ins Reich der Tra¬
dition gehören werden. So lange ein Habsburg auf der Welt ist, werden sie
in ihm einen Büttel der Freiheit sehen und bei seinem Namen eine Gänsehaut
affectiren. Es kommt gewiß ein Tag, wo die demokratischen Institutionen bei uns
fester wurzeln werden, als in Frankreich, allein das wird diese Phraseurs nicht
abhalten, von den Despoten dn Nord zu phantasiren und fortwährend die Völker,
„welche ihnen die Arme entgegenstrecken," mit Feuer und Schwert befreien zu
wollen.

Es kau» indeß weniger von einer Gefahr für die Freiheit in Italien die
Rede sein, als von der Gefahr einer Verlegenheit für uns. Frankreich und Eng¬
land sind über die Art der lombardischen Ausgleichung nicht einig. Letzteres nimmt
eben so entschieden Partei für Oestreich wie jenes gegen. Venedig wird von Frank¬
furt und London den Oestreichern zugesprochen. Wem soll die Lombardei zufalle»?
Den Karl Albert wird sie jetzt von selbst zurückstoßen. Als Republik hätte sie den
Beifall Frankreichs, aber schwerlich den Toskanas und der ander» Fürsten des
uneinigeil Italiens. Wenn sich nicht bald ein italienischer Eoburg für den »enen
Thron findet, so fürchten wir, daß Oestreich in die Versuchung geraes, die wieder-
besetzte Provinz zu behalte«. Ja wir fürchten, daß sich in der Lombardei nnr zu
zahlreiche Stimmen erheben werden, um den Anschluß an Oestreich zu verlangen.
Die Institutionen, die den übrigen Provinzen der Monarchie zu Theil werden,
überbieten an Freisinnigkeit die Verfassungen Neapels, Sardiniens, Roms und
selbst Toskanas eben so sehr, wie schon unter dem -malen rvKÜ»«; die östreichische
Verwaltung in der Lombardei die aller übrigen italienischen Staaten übertraf.
Dagegen kann es Deutschland nicht angenehm sein, wenn Oestreich für die Ehre,
das Protectorat über ein so Mnkelinüthiges Volk zu üben, eine Last an seine
Füße bindet, die ihm das künftige Aufgehen in Deutschland erschwert.'


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/293>, abgerufen am 26.06.2024.