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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Hirsch nach Wasser. Trotzdem war Alles im besten Gange für die Pläne Alberts,
der Anschluß Mailands an Sardinien ward endlich eine ausgemachte Sache, die
Beistimmung der Großmächte war so viel wie zugesagt und es handelte sich nur
um die Abfindung mit Oestreich, welches annehmbare Bedingungen stellte. Da
macht der sinnlose Trotz der provisorischen Regierung ihm einen Strich durch die
Rechnung. Er muß noch einmal das Waffenglück versuchen und wird geschlagen.

Es würde eine mehr als kosmopolitische Selbstverläugnung erforderlich sein,
um sich nicht über die glänzende Tapferkeit der östreichischen Armee in diesem kurzen
Feldzuge zu freuen, denn sie hatte Scharten anszmvetzen und es wird uns gar
nicht schaden, wenn das Ausland unsere Waffen eben so achten lernt, wie den
Humanismus unserer Äußerst links raisvnuireuden Philosophen. Am Ende dürste
es auch den Ideen der Zeit nicht den Hals brechen, wenn Oestreich seinen be¬
drängten Finanzen ein wenig aufhelfen kann. Was Italien betrifft, so braucht
man das Recht seiner Nationalität darum nicht weniger anzuerkennen, obgleich
der Glaube an die moralische Macht derselben ziemlich erschüttert worden ist. In
den Köpfen der edleren Minderzahl, der Pio Nonos, Giobertis und Cicernvachios,
ist die Begeisterung für die Einigkeit und Freiheit Italiens gewiß echt und lauter,
aber in der Masse des Volks sieht es damit uoch luftig aus. An fliegendem
Enthusiasmus hat es, zum Entzücken der deutschen und jnngenglischen Belletristik,
seit Jahr und Tag dort nicht gefehlt; die malerischen, deklamatorischen und reli¬
giösen Demonstrationen für die heilige Sache waren höchst geschmackvoll; fruchtbarer
an Sonnetten ist kaum eine Periode Italiens gewesen. Kein Volk wüßte sinnreicher
mit zwei, drei Fahnen eine politische Procession zu arrangiren oder harmonischer
seine Evivas bis zum siebenten Himmel schallen zu lassen; auch die Todes- und
Nachcrufe gegen die Barbaren klangen in schauerlichem Chor über die Alpen. Aber
in der Stunde der Gefahr, da sich die beste Gelegenheit bietet, den Ernst dieser
Gesinnung zu erproben, wo hat das Volk nur einen Beweis von jener Männ¬
lichkeit gegeben, ohne die nichts Großes errungen wird? Oberitalien wird schimpf¬
lich im Stich gelassen. In Florenz, in Rom, in Neapel furchtbares Geschrei
gegen die Regierungen, sie sollen Oestreich vernichten, d. h. durch Machtsprüche,
durch eine Bannbulle des Papstes; denn die ausgezogenen Freiwilligen, die Gardia
civic von Rom, die wuthschnaubenden Crociati, die toscanischen Helden und die
lombardischen Studenten wetteifern mit einander im Ausreißen und wissen sich nnr
den eigenen Brüdern, welche sie zu befreien kamen, furchtbar zu machen; das da¬
heimgebliebene Volk drückt seine Verdammung der Feiglinge mit spartanischen Worten
aus und fährt fort daheimznbleiben. Die b-u'im biiwca, Radetzky nämlich, ver¬
wünscht, verflucht, in die unterste Hölle gescholten, aber nicht gehindert, hat es
nur mit der Picuwntesischen Armee zu thun. Im Lause von vierzehn Tagen schlägt
er fünf stegreiche Schlachten, wirft Carl Albert im Sturmlauf aus einer Position
Mes der andern und steht unter den Mauern von Mailand. Das Landvolk wird


Hirsch nach Wasser. Trotzdem war Alles im besten Gange für die Pläne Alberts,
der Anschluß Mailands an Sardinien ward endlich eine ausgemachte Sache, die
Beistimmung der Großmächte war so viel wie zugesagt und es handelte sich nur
um die Abfindung mit Oestreich, welches annehmbare Bedingungen stellte. Da
macht der sinnlose Trotz der provisorischen Regierung ihm einen Strich durch die
Rechnung. Er muß noch einmal das Waffenglück versuchen und wird geschlagen.

Es würde eine mehr als kosmopolitische Selbstverläugnung erforderlich sein,
um sich nicht über die glänzende Tapferkeit der östreichischen Armee in diesem kurzen
Feldzuge zu freuen, denn sie hatte Scharten anszmvetzen und es wird uns gar
nicht schaden, wenn das Ausland unsere Waffen eben so achten lernt, wie den
Humanismus unserer Äußerst links raisvnuireuden Philosophen. Am Ende dürste
es auch den Ideen der Zeit nicht den Hals brechen, wenn Oestreich seinen be¬
drängten Finanzen ein wenig aufhelfen kann. Was Italien betrifft, so braucht
man das Recht seiner Nationalität darum nicht weniger anzuerkennen, obgleich
der Glaube an die moralische Macht derselben ziemlich erschüttert worden ist. In
den Köpfen der edleren Minderzahl, der Pio Nonos, Giobertis und Cicernvachios,
ist die Begeisterung für die Einigkeit und Freiheit Italiens gewiß echt und lauter,
aber in der Masse des Volks sieht es damit uoch luftig aus. An fliegendem
Enthusiasmus hat es, zum Entzücken der deutschen und jnngenglischen Belletristik,
seit Jahr und Tag dort nicht gefehlt; die malerischen, deklamatorischen und reli¬
giösen Demonstrationen für die heilige Sache waren höchst geschmackvoll; fruchtbarer
an Sonnetten ist kaum eine Periode Italiens gewesen. Kein Volk wüßte sinnreicher
mit zwei, drei Fahnen eine politische Procession zu arrangiren oder harmonischer
seine Evivas bis zum siebenten Himmel schallen zu lassen; auch die Todes- und
Nachcrufe gegen die Barbaren klangen in schauerlichem Chor über die Alpen. Aber
in der Stunde der Gefahr, da sich die beste Gelegenheit bietet, den Ernst dieser
Gesinnung zu erproben, wo hat das Volk nur einen Beweis von jener Männ¬
lichkeit gegeben, ohne die nichts Großes errungen wird? Oberitalien wird schimpf¬
lich im Stich gelassen. In Florenz, in Rom, in Neapel furchtbares Geschrei
gegen die Regierungen, sie sollen Oestreich vernichten, d. h. durch Machtsprüche,
durch eine Bannbulle des Papstes; denn die ausgezogenen Freiwilligen, die Gardia
civic von Rom, die wuthschnaubenden Crociati, die toscanischen Helden und die
lombardischen Studenten wetteifern mit einander im Ausreißen und wissen sich nnr
den eigenen Brüdern, welche sie zu befreien kamen, furchtbar zu machen; das da¬
heimgebliebene Volk drückt seine Verdammung der Feiglinge mit spartanischen Worten
aus und fährt fort daheimznbleiben. Die b-u'im biiwca, Radetzky nämlich, ver¬
wünscht, verflucht, in die unterste Hölle gescholten, aber nicht gehindert, hat es
nur mit der Picuwntesischen Armee zu thun. Im Lause von vierzehn Tagen schlägt
er fünf stegreiche Schlachten, wirft Carl Albert im Sturmlauf aus einer Position
Mes der andern und steht unter den Mauern von Mailand. Das Landvolk wird


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/290>, abgerufen am 26.06.2024.