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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Radetzky's, -- gerade durch die Art, wie dieser seine Rückzüge bewerkstelligte und
bis zum günstigen Moment auf der Defensive blieb, -- und über die Hilfsmittel
Oestreichs keine Täuschungen machen. Andererseits durste er, den Völkern Ita¬
liens gegenüber, in deren Freiheitsliedern sein Name gefeiert ward, nicht allzuschnell
aus der Rolle fallen. Der Wurm des Mißtrauens nagte zwar im Stillen schon
an seinem jungen Lorbeer, aber mit angeborener Feinheit wußten die Italiener
öffentlich deu heißesten Glauben an seine Aufopferungslust zur Schau zu tragen
und priesen ihn als ihren Eid Campeador, als den Retter und Rächer des Ge-
sammtvaterlandes. Diese Rolle hatte der schlaue Fürst halb selbst gewühlt, halb
sich aufnöthigen lassen. Furcht vor der brüderlichen Hilfe Frankreichs und einem
republikanischen Aufstand im eigenen Königreich und der maßlose Ehrgeiz, welcher ihn
einst zum Carbonaro nud darauf zum Schutzpatron der Jesuiten gemacht hatte, trieben
ihn zuvorzukommen, das hohe Spiel zu wagen und eine Aufgabe zu unternehmen, die
man in Deutschland öfters dem König von Preußen zuzumuthen pflegte; als der
einzige italienische Monarch, dessen Soldaten diesen Namen verdienen und in dessen
Lande eine geordnete und zweckmäßige Verwaltung bekannt ist, gebührte ihm gewiß
die Ehre, an die Spitze der nationalen Bewegung gestellt zu werden. So groß
die Ehre, so ungewiß waren Erfolg und Vortheil, denn, kann man auch den Ver¬
gleich des sardinischen Militär- nud Beamteustaats mit unserer norddeutschen Macht
in mancher Beziehung nicht ganz hinkend nennen, so sticht der Rest Italiens gegen
den nichtpreußischen Rest Deutschlands nnr zu entsetzlich ab. Karl Albert war
nicht blind für dieses Mißverhältnis;, er wußte, wie wenig Unterstützung er von
den Enkeln der Römer und Etrurier hoffen durste; ließ er sich daher anch gern
wie den Bräutigam Italia'ö behandeln, so hätte er am liebsten sich damit begnügt,
rasch und sicher die fette Lombardei heimzuführen und auf die sauern Trauben Ve-
netia's von ganzem Herzen verzichtet. Er reichte dem Löwen von Se. Marko den,
kleinen Finger, der Form wegen -- Englands und fast mehr noch Frankreichs
Scheelblicke über die Möglichkeit einer solchen Mehrung des sardinischen Reichs
waren zu deutlich -- und suchte desto gewisser die Lombardei festzuhalten. Um
diese Beute hatte er ja schon mit anderen Feinden als Radetzky zu kämpfen, denn
so wenig die tapfern Longobarden sich aus dem Schlachtfeld" bemühten, so geschäftig
schürten sie den Parteienzwist in Mailand, wobei die Sendlinge der Allerwelts-
bruder - Nation nicht unthätig gewesen sind. Die Vvllblntrcpublikaner in Paris
zeigten sich dem monarchischen Befreier Italiens nichts weniger als hold, sie hoff¬
ten immer noch, daß hinter seinem Rücken eine radikalere Schilderhebuug, rein
durch humane Mittel, durch die moralische Gewalt des Beispiels sich bewerkstelligen
lassen und ihn sammt den Oestreichern fortjagen würde, damit einige kleine abhän¬
gige Republiken, eine piemontesische, lombardische, venetianische u. s. w., als vor¬
geschobene Barrikaden Frankreichs dienen könnten. Lamartine's Organ, erschrocken
über den starken Nachbar, der da entstehen sollte, schrie nach Savoyen wie der


Radetzky's, — gerade durch die Art, wie dieser seine Rückzüge bewerkstelligte und
bis zum günstigen Moment auf der Defensive blieb, — und über die Hilfsmittel
Oestreichs keine Täuschungen machen. Andererseits durste er, den Völkern Ita¬
liens gegenüber, in deren Freiheitsliedern sein Name gefeiert ward, nicht allzuschnell
aus der Rolle fallen. Der Wurm des Mißtrauens nagte zwar im Stillen schon
an seinem jungen Lorbeer, aber mit angeborener Feinheit wußten die Italiener
öffentlich deu heißesten Glauben an seine Aufopferungslust zur Schau zu tragen
und priesen ihn als ihren Eid Campeador, als den Retter und Rächer des Ge-
sammtvaterlandes. Diese Rolle hatte der schlaue Fürst halb selbst gewühlt, halb
sich aufnöthigen lassen. Furcht vor der brüderlichen Hilfe Frankreichs und einem
republikanischen Aufstand im eigenen Königreich und der maßlose Ehrgeiz, welcher ihn
einst zum Carbonaro nud darauf zum Schutzpatron der Jesuiten gemacht hatte, trieben
ihn zuvorzukommen, das hohe Spiel zu wagen und eine Aufgabe zu unternehmen, die
man in Deutschland öfters dem König von Preußen zuzumuthen pflegte; als der
einzige italienische Monarch, dessen Soldaten diesen Namen verdienen und in dessen
Lande eine geordnete und zweckmäßige Verwaltung bekannt ist, gebührte ihm gewiß
die Ehre, an die Spitze der nationalen Bewegung gestellt zu werden. So groß
die Ehre, so ungewiß waren Erfolg und Vortheil, denn, kann man auch den Ver¬
gleich des sardinischen Militär- nud Beamteustaats mit unserer norddeutschen Macht
in mancher Beziehung nicht ganz hinkend nennen, so sticht der Rest Italiens gegen
den nichtpreußischen Rest Deutschlands nnr zu entsetzlich ab. Karl Albert war
nicht blind für dieses Mißverhältnis;, er wußte, wie wenig Unterstützung er von
den Enkeln der Römer und Etrurier hoffen durste; ließ er sich daher anch gern
wie den Bräutigam Italia'ö behandeln, so hätte er am liebsten sich damit begnügt,
rasch und sicher die fette Lombardei heimzuführen und auf die sauern Trauben Ve-
netia's von ganzem Herzen verzichtet. Er reichte dem Löwen von Se. Marko den,
kleinen Finger, der Form wegen — Englands und fast mehr noch Frankreichs
Scheelblicke über die Möglichkeit einer solchen Mehrung des sardinischen Reichs
waren zu deutlich — und suchte desto gewisser die Lombardei festzuhalten. Um
diese Beute hatte er ja schon mit anderen Feinden als Radetzky zu kämpfen, denn
so wenig die tapfern Longobarden sich aus dem Schlachtfeld« bemühten, so geschäftig
schürten sie den Parteienzwist in Mailand, wobei die Sendlinge der Allerwelts-
bruder - Nation nicht unthätig gewesen sind. Die Vvllblntrcpublikaner in Paris
zeigten sich dem monarchischen Befreier Italiens nichts weniger als hold, sie hoff¬
ten immer noch, daß hinter seinem Rücken eine radikalere Schilderhebuug, rein
durch humane Mittel, durch die moralische Gewalt des Beispiels sich bewerkstelligen
lassen und ihn sammt den Oestreichern fortjagen würde, damit einige kleine abhän¬
gige Republiken, eine piemontesische, lombardische, venetianische u. s. w., als vor¬
geschobene Barrikaden Frankreichs dienen könnten. Lamartine's Organ, erschrocken
über den starken Nachbar, der da entstehen sollte, schrie nach Savoyen wie der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/289>, abgerufen am 26.06.2024.