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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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machen könne", das muß wohl so sein und bleiben... Solche Frechheit war dem
Herrn Hofrath noch nicht vorgekommen, er klingelte und Hvlweg fühlte sich fast
erleichtert, als er wieder zu seineu Dieben und Landstreichern kam.

Einige Wochen darauf wurde er vor denselben Manu geführt, der ihm eröff¬
nete: Wir könnten Sie nach Paragraph so und so als Hochverräther auf deu
Spielberg setzen mit 20 Pfund Eisen, danken Sie der Milde Ihrer Richter, Sie
sind begnadigt und gehen sogleich nach Ihrem Geburtsorte ab, deu Sie bis aus
Weiteres ohne höhere Erlaubniß nicht verlassen.

Aber sein Geburtsort war ein elendes Dorf, für ihn kaum besser als Sibi¬
rien. Ein Asyl für die erste Zeit faud er beim herrschaftlichen Arzt, seines Vaters
Freund und Nachfolger, der in derselben schindclbedccktcn Baracke wohnte, wo Hvlweg
geboren war. Kaum angekommen, ward er zum Oberamtmann beschieden, der
in Gegenwart des ganzen Amtspersvnals ihm eine Straf- und Sittenpredigt hielt,
nicht im besten Deutsch, doch voll patriarchalischer Hoheit. Der löbliche Herr
Oberamtmann hatte sich dazu eine neue Pfeife gestopft und stemmte die Rechte
gravitätisch in die Seite. Franz Holwcg, sagte er, wir sind von einer Prager
hohen Polizei ersucht, ein Aug' auf ihn zu habe". -- Wir wissen Alles. -- Dum¬
mes Zeug Haben's gemacht und Ihren Nattern im Grab beschimpft; war freilich
auch nicht vom besten Tuch, hat Schulden die Meng' hinterlassen. - - Schaun's,
rief er mit Energie, ein Holzhacker ist'n nützlicheres Glied der Gesellschaft, als
so'u Studirter, der sich so aufführt und an Sr. erhabenen kaiserlichen Majestät ver¬
greift. -- Ein Staatsverräther und unbefugter Pasquillant, -- das ist ja ärger
wie Rand und Mord! -- Das sag' ich Ihnen, gehn's und bessern Sie sich! --
Auch diese und ähnliche Demüthigungen überstand Holweg, ohne zu verzweifeln.
Eine schwere Krankheit, in die er bald nach der Heimkehr verfiel, entzog ihn deu
bösen Zungen des Dorfes und als er das Siechbett verließ, war er ein neuer
Mensch geworden.




Vor wenigen Tagen erhielt ich von Holweg folgende Zeilen: "Wenn Dn
einst in die böhmischen Wälder kommst, so geh "icht an der Thüre Deines Freun¬
des vorüber. Ich bin jetzt ein gefährlicheres Mitglied der menschlichen Gesellschaft
als vor Jahren, denn ich lebe als ausübender Arzt in C., wohlhabend und auge¬
sehen. Mein größter Stolz ist, daß ich die Schulden meines Vaters bis auf deu
letzten Heller bezahlen konnte. Die große Revolution ist, gottlob, ohne meine Hilfe
zu Stande gekommen, aber eine böse Ahnung sagt mir, daß Oestreich, welches
jetzt über die Grenze der alten Zeit geflüchtet ist, eine ebenso furchtbare Schule
wird durchmachen müssen, wie einst die östreichischen Flüchtlinge meines Gleichen.
Marie ist wirklich Frau Dircctoriu uno lebt drei Stunden von hier sehr glücklich
mit Wenzel Klnck, was mich mit dem Schelm vollständig ausgesöhnt hat. Aber
die zarte Panenka würdest Du nicht wiedererkennen. Sie hat sieben rpthwangige


machen könne», das muß wohl so sein und bleiben... Solche Frechheit war dem
Herrn Hofrath noch nicht vorgekommen, er klingelte und Hvlweg fühlte sich fast
erleichtert, als er wieder zu seineu Dieben und Landstreichern kam.

Einige Wochen darauf wurde er vor denselben Manu geführt, der ihm eröff¬
nete: Wir könnten Sie nach Paragraph so und so als Hochverräther auf deu
Spielberg setzen mit 20 Pfund Eisen, danken Sie der Milde Ihrer Richter, Sie
sind begnadigt und gehen sogleich nach Ihrem Geburtsorte ab, deu Sie bis aus
Weiteres ohne höhere Erlaubniß nicht verlassen.

Aber sein Geburtsort war ein elendes Dorf, für ihn kaum besser als Sibi¬
rien. Ein Asyl für die erste Zeit faud er beim herrschaftlichen Arzt, seines Vaters
Freund und Nachfolger, der in derselben schindclbedccktcn Baracke wohnte, wo Hvlweg
geboren war. Kaum angekommen, ward er zum Oberamtmann beschieden, der
in Gegenwart des ganzen Amtspersvnals ihm eine Straf- und Sittenpredigt hielt,
nicht im besten Deutsch, doch voll patriarchalischer Hoheit. Der löbliche Herr
Oberamtmann hatte sich dazu eine neue Pfeife gestopft und stemmte die Rechte
gravitätisch in die Seite. Franz Holwcg, sagte er, wir sind von einer Prager
hohen Polizei ersucht, ein Aug' auf ihn zu habe». — Wir wissen Alles. — Dum¬
mes Zeug Haben's gemacht und Ihren Nattern im Grab beschimpft; war freilich
auch nicht vom besten Tuch, hat Schulden die Meng' hinterlassen. - - Schaun's,
rief er mit Energie, ein Holzhacker ist'n nützlicheres Glied der Gesellschaft, als
so'u Studirter, der sich so aufführt und an Sr. erhabenen kaiserlichen Majestät ver¬
greift. — Ein Staatsverräther und unbefugter Pasquillant, — das ist ja ärger
wie Rand und Mord! — Das sag' ich Ihnen, gehn's und bessern Sie sich! —
Auch diese und ähnliche Demüthigungen überstand Holweg, ohne zu verzweifeln.
Eine schwere Krankheit, in die er bald nach der Heimkehr verfiel, entzog ihn deu
bösen Zungen des Dorfes und als er das Siechbett verließ, war er ein neuer
Mensch geworden.




Vor wenigen Tagen erhielt ich von Holweg folgende Zeilen: „Wenn Dn
einst in die böhmischen Wälder kommst, so geh »icht an der Thüre Deines Freun¬
des vorüber. Ich bin jetzt ein gefährlicheres Mitglied der menschlichen Gesellschaft
als vor Jahren, denn ich lebe als ausübender Arzt in C., wohlhabend und auge¬
sehen. Mein größter Stolz ist, daß ich die Schulden meines Vaters bis auf deu
letzten Heller bezahlen konnte. Die große Revolution ist, gottlob, ohne meine Hilfe
zu Stande gekommen, aber eine böse Ahnung sagt mir, daß Oestreich, welches
jetzt über die Grenze der alten Zeit geflüchtet ist, eine ebenso furchtbare Schule
wird durchmachen müssen, wie einst die östreichischen Flüchtlinge meines Gleichen.
Marie ist wirklich Frau Dircctoriu uno lebt drei Stunden von hier sehr glücklich
mit Wenzel Klnck, was mich mit dem Schelm vollständig ausgesöhnt hat. Aber
die zarte Panenka würdest Du nicht wiedererkennen. Sie hat sieben rpthwangige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/258>, abgerufen am 26.06.2024.