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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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schwer bepackten Seitentaschen, nach der Wohnung Mariens. Mariens Vater lebte
von einer kleinen Pension, die er als ehemaliger krcisämtlicher Schreiber dnrch
die Gunst des früheren Kreishauptmanns Grafen Czerweuitz bezog, in dessen Hanse
seine selige Frau erst Schaffnerin und dann Amme gewesen war. Als Schaffnerin
hatte die selige Wallascheck manche" Kreuzer zurück- und als Amme zum Glück
ihrer Tochter den Grund gelegt, denn die gutherzige Comtesse Charlotte hatte
ihrer Milchschwester Marie eine Mitgift von ich weiß nicht wie vielen hundert
Ducaten zugesagt. Kluck hatte das bald heraus und so oft er nach Prag zu
Wallascheck's kam und Panenka Marie sah, pflegte er wollüstig die Augen zu schlie¬
ßen und dachte sich die große Ducatenschnur dreimal um ihren weißen Hals und
schmalen Leib gewunden. Wenn er dann die Augen wieder öffnete, erschien ihm
Marie noch sechsmal hübscher als sie war.

Er ging nnn kurz und grade auf sein Ziel los. Baruschka, die geschwätzige
Magd, erzählte am nächsten Morgen, während sie Marien die Zöpfe flocht, Alles,
was sie von der Unterhandlung durch das Schlüsselloch erspäht und erlauscht.
Ja, sagte Baruschka, wie Herrn Kluck in Zimmer kommt -- Vatter sitzt grad aufn
Svffa, untern heiligen Florian und füttert Kanarienvogel -- macht Herrn Klnck
Kratzfuß und zieht ans seinige Taschen ein paar Nebhündl, so schön und fett,
Herr Jemine, dann ein Flaschen Tokaier und ein groß Stück Seiden auf ein Kleid
vor Panenka. -- Aber zieh nicht so. Baruschka, sagte Marie, Dn thust mir
weh. -- Ja, fuhr Baruschka fort, sagt Pantatitschck (Herr Väterchen) drauf, Herrn
Kluck sein gar zu gut und geben sich die Hand. Sagt Kluck, hab ich auch Ge¬
schenk bekommen voll gnädigen Grafen und zieht ganz stolz aus seinige Westen
eine große, ach wie große silberne Uhr und Pantatitschek nimmt seiniges Käppchen
von weißen Kopf und muß sich Herr" Kluck auf Svffa setzen. Dann Habens po-
malich (leise) gesprochen, mit einmal schüttelt Vatter Kopf und Kluck, ganz roth,
springt auf und fangt an auf Herrn Holwcg zu sprechen, ach Herr Jemine, hat
Kluck Herrn Holweg verklagt, Herrn Holwcg, schreit er, ist Narr und ist Lump
und sag ich idus in Gesicht. Dann sagt er wieder pomalich, daß Panenka Marie
will fortlaufen und bömische Prinzessin werden und Holweg bömische Prinz! --^
Baruschka, das hat Dir wohl Dein kleiner Finger erzählt, lachte Marie. -- Soll
mich Tschert (Teufel) nehmen, wenn er nicht sagt, böhmische Prinz und Karl soll
werden Justiziar in Czerwenitz, wenn er macht noch zwei Schulen, dabei klopft
Herrn Kluck sich auf Brust und sagt, daß Herr Graf nicht leiden kann so viel
Bömisches, und Panenka Marie soll werden Pauna Direktorin und fahren in
tzckipasch. -- Marie lächelte, aber zugleich seufzte sie so schwer, daß das kleine
Spiegelchen, vor dem sie stand, trüb angelaufen war wie ihre schönen Augen.
O Baruschka, Unglücksprophetin! Schon seh' ich die Katastrophe kommen.

Der Tag nach unserer Moldauscchrt war ein Festtag. Nach Tische lud Karl
mich, Holweg und den gelehrten Viala zum Kaffee ein. An der Thüre hüpfte


schwer bepackten Seitentaschen, nach der Wohnung Mariens. Mariens Vater lebte
von einer kleinen Pension, die er als ehemaliger krcisämtlicher Schreiber dnrch
die Gunst des früheren Kreishauptmanns Grafen Czerweuitz bezog, in dessen Hanse
seine selige Frau erst Schaffnerin und dann Amme gewesen war. Als Schaffnerin
hatte die selige Wallascheck manche» Kreuzer zurück- und als Amme zum Glück
ihrer Tochter den Grund gelegt, denn die gutherzige Comtesse Charlotte hatte
ihrer Milchschwester Marie eine Mitgift von ich weiß nicht wie vielen hundert
Ducaten zugesagt. Kluck hatte das bald heraus und so oft er nach Prag zu
Wallascheck's kam und Panenka Marie sah, pflegte er wollüstig die Augen zu schlie¬
ßen und dachte sich die große Ducatenschnur dreimal um ihren weißen Hals und
schmalen Leib gewunden. Wenn er dann die Augen wieder öffnete, erschien ihm
Marie noch sechsmal hübscher als sie war.

Er ging nnn kurz und grade auf sein Ziel los. Baruschka, die geschwätzige
Magd, erzählte am nächsten Morgen, während sie Marien die Zöpfe flocht, Alles,
was sie von der Unterhandlung durch das Schlüsselloch erspäht und erlauscht.
Ja, sagte Baruschka, wie Herrn Kluck in Zimmer kommt — Vatter sitzt grad aufn
Svffa, untern heiligen Florian und füttert Kanarienvogel — macht Herrn Klnck
Kratzfuß und zieht ans seinige Taschen ein paar Nebhündl, so schön und fett,
Herr Jemine, dann ein Flaschen Tokaier und ein groß Stück Seiden auf ein Kleid
vor Panenka. — Aber zieh nicht so. Baruschka, sagte Marie, Dn thust mir
weh. — Ja, fuhr Baruschka fort, sagt Pantatitschck (Herr Väterchen) drauf, Herrn
Kluck sein gar zu gut und geben sich die Hand. Sagt Kluck, hab ich auch Ge¬
schenk bekommen voll gnädigen Grafen und zieht ganz stolz aus seinige Westen
eine große, ach wie große silberne Uhr und Pantatitschek nimmt seiniges Käppchen
von weißen Kopf und muß sich Herr» Kluck auf Svffa setzen. Dann Habens po-
malich (leise) gesprochen, mit einmal schüttelt Vatter Kopf und Kluck, ganz roth,
springt auf und fangt an auf Herrn Holwcg zu sprechen, ach Herr Jemine, hat
Kluck Herrn Holweg verklagt, Herrn Holwcg, schreit er, ist Narr und ist Lump
und sag ich idus in Gesicht. Dann sagt er wieder pomalich, daß Panenka Marie
will fortlaufen und bömische Prinzessin werden und Holweg bömische Prinz! --^
Baruschka, das hat Dir wohl Dein kleiner Finger erzählt, lachte Marie. — Soll
mich Tschert (Teufel) nehmen, wenn er nicht sagt, böhmische Prinz und Karl soll
werden Justiziar in Czerwenitz, wenn er macht noch zwei Schulen, dabei klopft
Herrn Kluck sich auf Brust und sagt, daß Herr Graf nicht leiden kann so viel
Bömisches, und Panenka Marie soll werden Pauna Direktorin und fahren in
tzckipasch. — Marie lächelte, aber zugleich seufzte sie so schwer, daß das kleine
Spiegelchen, vor dem sie stand, trüb angelaufen war wie ihre schönen Augen.
O Baruschka, Unglücksprophetin! Schon seh' ich die Katastrophe kommen.

Der Tag nach unserer Moldauscchrt war ein Festtag. Nach Tische lud Karl
mich, Holweg und den gelehrten Viala zum Kaffee ein. An der Thüre hüpfte


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[0254] schwer bepackten Seitentaschen, nach der Wohnung Mariens. Mariens Vater lebte von einer kleinen Pension, die er als ehemaliger krcisämtlicher Schreiber dnrch die Gunst des früheren Kreishauptmanns Grafen Czerweuitz bezog, in dessen Hanse seine selige Frau erst Schaffnerin und dann Amme gewesen war. Als Schaffnerin hatte die selige Wallascheck manche» Kreuzer zurück- und als Amme zum Glück ihrer Tochter den Grund gelegt, denn die gutherzige Comtesse Charlotte hatte ihrer Milchschwester Marie eine Mitgift von ich weiß nicht wie vielen hundert Ducaten zugesagt. Kluck hatte das bald heraus und so oft er nach Prag zu Wallascheck's kam und Panenka Marie sah, pflegte er wollüstig die Augen zu schlie¬ ßen und dachte sich die große Ducatenschnur dreimal um ihren weißen Hals und schmalen Leib gewunden. Wenn er dann die Augen wieder öffnete, erschien ihm Marie noch sechsmal hübscher als sie war. Er ging nnn kurz und grade auf sein Ziel los. Baruschka, die geschwätzige Magd, erzählte am nächsten Morgen, während sie Marien die Zöpfe flocht, Alles, was sie von der Unterhandlung durch das Schlüsselloch erspäht und erlauscht. Ja, sagte Baruschka, wie Herrn Kluck in Zimmer kommt — Vatter sitzt grad aufn Svffa, untern heiligen Florian und füttert Kanarienvogel — macht Herrn Klnck Kratzfuß und zieht ans seinige Taschen ein paar Nebhündl, so schön und fett, Herr Jemine, dann ein Flaschen Tokaier und ein groß Stück Seiden auf ein Kleid vor Panenka. — Aber zieh nicht so. Baruschka, sagte Marie, Dn thust mir weh. — Ja, fuhr Baruschka fort, sagt Pantatitschck (Herr Väterchen) drauf, Herrn Kluck sein gar zu gut und geben sich die Hand. Sagt Kluck, hab ich auch Ge¬ schenk bekommen voll gnädigen Grafen und zieht ganz stolz aus seinige Westen eine große, ach wie große silberne Uhr und Pantatitschek nimmt seiniges Käppchen von weißen Kopf und muß sich Herr» Kluck auf Svffa setzen. Dann Habens po- malich (leise) gesprochen, mit einmal schüttelt Vatter Kopf und Kluck, ganz roth, springt auf und fangt an auf Herrn Holwcg zu sprechen, ach Herr Jemine, hat Kluck Herrn Holweg verklagt, Herrn Holwcg, schreit er, ist Narr und ist Lump und sag ich idus in Gesicht. Dann sagt er wieder pomalich, daß Panenka Marie will fortlaufen und bömische Prinzessin werden und Holweg bömische Prinz! --^ Baruschka, das hat Dir wohl Dein kleiner Finger erzählt, lachte Marie. — Soll mich Tschert (Teufel) nehmen, wenn er nicht sagt, böhmische Prinz und Karl soll werden Justiziar in Czerwenitz, wenn er macht noch zwei Schulen, dabei klopft Herrn Kluck sich auf Brust und sagt, daß Herr Graf nicht leiden kann so viel Bömisches, und Panenka Marie soll werden Pauna Direktorin und fahren in tzckipasch. — Marie lächelte, aber zugleich seufzte sie so schwer, daß das kleine Spiegelchen, vor dem sie stand, trüb angelaufen war wie ihre schönen Augen. O Baruschka, Unglücksprophetin! Schon seh' ich die Katastrophe kommen. Der Tag nach unserer Moldauscchrt war ein Festtag. Nach Tische lud Karl mich, Holweg und den gelehrten Viala zum Kaffee ein. An der Thüre hüpfte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/254>, abgerufen am 26.06.2024.