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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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dieses ist nämlich kein Jude -- sie waren es, die in den ersten Volksversammlun¬
gen auf feste Schritte drangen und sie sind es in jetziger Zeit, die mit einem den
Christen gewiß nicht nachstehenden Eifer sich dem Dienste unter den deutschen
Freischaaren widmen. Jene Verlockung blieb also erfolglos. Darauf versuchte
man durch Drohung und Verleumdung auf sie zu wirken. -- "Die Juden ver¬
kaufen vergiftete Lebensmittel, sie haben 5W" Thlr. gezahlt, um Militär gegen die
Polen herzuziehen, sie versetzen die Soldaten in trunkenen Zustand, um Excesse gegen
die Polen hervorzurufen;" so hieß es plötzlich in der Stadt Posen wie in der
Provinz; es stellten sich Polen vor die Läden jüdischer Kaufleute und hielten die
Kunden ab. Ob dieses Mittel ohne Zustimmung des polnischen Comite ergriffen
worden, überlassen wir aus folgendem authentischen Vorfalle zu entscheiden. Ein
jüdischer Handelsmann beklagte sich bei einem ihm bekannten katholischen Geistlichen
über die angegebene Störung und empfing einen Zettel zum Anheften an seine
Thüre, worin der Geistliche seine Ueberzeugung aussprach, daß er den Besitzer
des Ladens keiner Schandthat fähig erachte und man also ohne Besorgnis; mit ihm
in Verkehr treten könne. Kaum eine halbe Stunde lang prangte das Blatt an
der Ladenthüre, als der Geistliche vor das Comite citirt wurde; auf dem Rück¬
wege riß er seine beruhigende Erklärung mit eigner Hand herunter und cas-
sirte sie!!

Einen bessern Erfolg als bei der jüdischen Bevölkerung hatte die Propaganda
ans den Bauernstand, da derselbe sich von dem Gouvernement verlassen sah und
also zuletzt glauben mußte, es existire keine preußische Regierung mehr. Dennoch
fanden sich anfänglich nur die Knechte und Dienstleute bereit unter die bewaffneten
Schaaren zu treten, die Wirthe (angesessene Landleute) aber durchschauten die Pläne
der ihnen noch immer verhaßten Edelleute und folgten der Verlockung nicht. Da
machte man, als die Ankunft des Neorganisations-Commissarius zu erwarten stand,
am ersten April folgende Versprechungen:

1) Von dem Tage, wo das Glied einer Familie, welches ein zinspflichtiges Grund¬
stück besitzt, in die vaterländische Schaar eingereiht wird, hört der Zins auf.
2) Die Frauen und Kinder der Tagelöhner ?c., die in die vaterländischen Reihen
eintreten, erhalten während der Kriegsdauer den frühern Garten zur Benutzung,
dasselbe Deputat und ^ des Lohnes der Männer.
Die Familien der gebliebenen Tagelöhner werden aus dem Kreisfonds erhalten.
4) Die Ueberlebenden werden vom Grundbesitz "aus den Nationalgütern," Anstellung
im Staatsdienste oder Unterstützung in ihrem Gewerbe erhalten.
">) Die auf ständischen und ländlichen Grundstücken haftenden grundherrlichen Rechte
zur Jagd und zur Fischerei ze. werden aufgehoben.

Welche wichtige Zwecke vorgelegen haben müssen, da man diese völlig unaus¬
führbaren und die Rechte des Staats wie der Privatpersonen verletzenden Zusiche-
rungen aussprach, kann man aus dem Werthe erkennen, den Miroslawski den-


ß isch gezeigt und dadurch ihre Würdigkeit zur Emancipation bewiesen — Schreiber
dieses ist nämlich kein Jude — sie waren es, die in den ersten Volksversammlun¬
gen auf feste Schritte drangen und sie sind es in jetziger Zeit, die mit einem den
Christen gewiß nicht nachstehenden Eifer sich dem Dienste unter den deutschen
Freischaaren widmen. Jene Verlockung blieb also erfolglos. Darauf versuchte
man durch Drohung und Verleumdung auf sie zu wirken. — „Die Juden ver¬
kaufen vergiftete Lebensmittel, sie haben 5W» Thlr. gezahlt, um Militär gegen die
Polen herzuziehen, sie versetzen die Soldaten in trunkenen Zustand, um Excesse gegen
die Polen hervorzurufen;" so hieß es plötzlich in der Stadt Posen wie in der
Provinz; es stellten sich Polen vor die Läden jüdischer Kaufleute und hielten die
Kunden ab. Ob dieses Mittel ohne Zustimmung des polnischen Comite ergriffen
worden, überlassen wir aus folgendem authentischen Vorfalle zu entscheiden. Ein
jüdischer Handelsmann beklagte sich bei einem ihm bekannten katholischen Geistlichen
über die angegebene Störung und empfing einen Zettel zum Anheften an seine
Thüre, worin der Geistliche seine Ueberzeugung aussprach, daß er den Besitzer
des Ladens keiner Schandthat fähig erachte und man also ohne Besorgnis; mit ihm
in Verkehr treten könne. Kaum eine halbe Stunde lang prangte das Blatt an
der Ladenthüre, als der Geistliche vor das Comite citirt wurde; auf dem Rück¬
wege riß er seine beruhigende Erklärung mit eigner Hand herunter und cas-
sirte sie!!

Einen bessern Erfolg als bei der jüdischen Bevölkerung hatte die Propaganda
ans den Bauernstand, da derselbe sich von dem Gouvernement verlassen sah und
also zuletzt glauben mußte, es existire keine preußische Regierung mehr. Dennoch
fanden sich anfänglich nur die Knechte und Dienstleute bereit unter die bewaffneten
Schaaren zu treten, die Wirthe (angesessene Landleute) aber durchschauten die Pläne
der ihnen noch immer verhaßten Edelleute und folgten der Verlockung nicht. Da
machte man, als die Ankunft des Neorganisations-Commissarius zu erwarten stand,
am ersten April folgende Versprechungen:

1) Von dem Tage, wo das Glied einer Familie, welches ein zinspflichtiges Grund¬
stück besitzt, in die vaterländische Schaar eingereiht wird, hört der Zins auf.
2) Die Frauen und Kinder der Tagelöhner ?c., die in die vaterländischen Reihen
eintreten, erhalten während der Kriegsdauer den frühern Garten zur Benutzung,
dasselbe Deputat und ^ des Lohnes der Männer.
Die Familien der gebliebenen Tagelöhner werden aus dem Kreisfonds erhalten.
4) Die Ueberlebenden werden vom Grundbesitz „aus den Nationalgütern," Anstellung
im Staatsdienste oder Unterstützung in ihrem Gewerbe erhalten.
">) Die auf ständischen und ländlichen Grundstücken haftenden grundherrlichen Rechte
zur Jagd und zur Fischerei ze. werden aufgehoben.

Welche wichtige Zwecke vorgelegen haben müssen, da man diese völlig unaus¬
führbaren und die Rechte des Staats wie der Privatpersonen verletzenden Zusiche-
rungen aussprach, kann man aus dem Werthe erkennen, den Miroslawski den-


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[0251] ß isch gezeigt und dadurch ihre Würdigkeit zur Emancipation bewiesen — Schreiber dieses ist nämlich kein Jude — sie waren es, die in den ersten Volksversammlun¬ gen auf feste Schritte drangen und sie sind es in jetziger Zeit, die mit einem den Christen gewiß nicht nachstehenden Eifer sich dem Dienste unter den deutschen Freischaaren widmen. Jene Verlockung blieb also erfolglos. Darauf versuchte man durch Drohung und Verleumdung auf sie zu wirken. — „Die Juden ver¬ kaufen vergiftete Lebensmittel, sie haben 5W» Thlr. gezahlt, um Militär gegen die Polen herzuziehen, sie versetzen die Soldaten in trunkenen Zustand, um Excesse gegen die Polen hervorzurufen;" so hieß es plötzlich in der Stadt Posen wie in der Provinz; es stellten sich Polen vor die Läden jüdischer Kaufleute und hielten die Kunden ab. Ob dieses Mittel ohne Zustimmung des polnischen Comite ergriffen worden, überlassen wir aus folgendem authentischen Vorfalle zu entscheiden. Ein jüdischer Handelsmann beklagte sich bei einem ihm bekannten katholischen Geistlichen über die angegebene Störung und empfing einen Zettel zum Anheften an seine Thüre, worin der Geistliche seine Ueberzeugung aussprach, daß er den Besitzer des Ladens keiner Schandthat fähig erachte und man also ohne Besorgnis; mit ihm in Verkehr treten könne. Kaum eine halbe Stunde lang prangte das Blatt an der Ladenthüre, als der Geistliche vor das Comite citirt wurde; auf dem Rück¬ wege riß er seine beruhigende Erklärung mit eigner Hand herunter und cas- sirte sie!! Einen bessern Erfolg als bei der jüdischen Bevölkerung hatte die Propaganda ans den Bauernstand, da derselbe sich von dem Gouvernement verlassen sah und also zuletzt glauben mußte, es existire keine preußische Regierung mehr. Dennoch fanden sich anfänglich nur die Knechte und Dienstleute bereit unter die bewaffneten Schaaren zu treten, die Wirthe (angesessene Landleute) aber durchschauten die Pläne der ihnen noch immer verhaßten Edelleute und folgten der Verlockung nicht. Da machte man, als die Ankunft des Neorganisations-Commissarius zu erwarten stand, am ersten April folgende Versprechungen: 1) Von dem Tage, wo das Glied einer Familie, welches ein zinspflichtiges Grund¬ stück besitzt, in die vaterländische Schaar eingereiht wird, hört der Zins auf. 2) Die Frauen und Kinder der Tagelöhner ?c., die in die vaterländischen Reihen eintreten, erhalten während der Kriegsdauer den frühern Garten zur Benutzung, dasselbe Deputat und ^ des Lohnes der Männer. Die Familien der gebliebenen Tagelöhner werden aus dem Kreisfonds erhalten. 4) Die Ueberlebenden werden vom Grundbesitz „aus den Nationalgütern," Anstellung im Staatsdienste oder Unterstützung in ihrem Gewerbe erhalten. ">) Die auf ständischen und ländlichen Grundstücken haftenden grundherrlichen Rechte zur Jagd und zur Fischerei ze. werden aufgehoben. Welche wichtige Zwecke vorgelegen haben müssen, da man diese völlig unaus¬ führbaren und die Rechte des Staats wie der Privatpersonen verletzenden Zusiche- rungen aussprach, kann man aus dem Werthe erkennen, den Miroslawski den-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/251>, abgerufen am 26.06.2024.