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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Die Unterschriften dieser Adresse enthielten auch die Namen Libell und Eßmann.
Sie trägt die Überschrift: Das Nationalcomite an das deutsche Comite, ist datirt
den 29. März, wurde aber dem deutschen Comite gar nicht mitgetheilt, über¬
haupt nicht in Posen verbreitet, war aber am 30. März schon an die Ecken
Berlins geheftet. Dazu bedenke man, daß noch am 2. April von dem polni¬
schen Comite dein Deutschen eine verbindliche Danksagung abgestattet wurde, da
dasselbe, natürlich ohne von jener Antwort Etwas zu ahnen, auf das Gesuch des
polnischen Comites den polnischen Commissarien Deutsche beigesellt hatte, um in
Schubin, in Krotoszyn und in Lissa, woselbst man die Polen auf derbe Weise
zurückgewiesen hatte, Ausgleichungen zu versuchen! Man kann es dem deutschen
Comite nicht verargen, wenn es sich, nachdem ihm jene Antwort zu Gesicht ge¬
kommen, nicht ferner in Unterhandlungen mit dem polnischen einließ!

Wir haben berichtet, daß das deutsche Comite am 27. eine Deputation nach
Berlin sandte; dieselbe hatte aber keineswegs den Auftrag, deu Polen entgegen¬
zuwirken. Die der polnischen Deputation aus dem Großherzogthum Posen am
24. ertheilte Cabinetsordre, die am 24. bekannt wurde, lautete nämlich:


"Auf deu von Ihnen vorgetragenen Wunsch will ich gerne eine nationale Reorga¬
nisation des Großherzogthums Posen, welche in möglichst kurzer Zeit stattfinden
soll, anbahnen. Ich genehmige daher auch eine Commission aus beiden Natio¬
nalitäten, die mit meinem Oberpräsidenten gemeinschaftlich über die Reorgani¬
sation zu berathen und nach dem Resultate dieser Berathung die nöthigen
Anträge zu stellen haben wird. Die gedachte Commission kann aber nur wirk¬
sam sein, wenn und so lange die gesetzmäßige Ordnung und die Autorität der
Behörden im Großherzogthum Posen aufrecht erhalten wird."

Eine solche Verzögerung der Reorganisation, wenn eine solche einmal statt¬
finden sollte, schien eben in hohem Grade bedenklich, da sie die Autorität der do-
Minirenden exaltirten Partei befestigen mußte.

Die Deputation hatte demnach den Auftrag auf sofortige Zugeständnisse zu
Gingen und zwar auf solche, die deu Polen eine Garantie für die Zukunft gäben.

Man schlug dazu die sofortige Einsetzung eines Polen als Oberpräsidenten
mit dem Auftrage, die Provinz nach dem Wiener Tractate von 1815 zu reorgani-
stren, vor, da man allein auf diese Weise der besonnenen polnischen Partei
die nöthige Macht wieder in die Hand zu geben hoffen konnte.

Die polnischen Deputirten in Berlin hatten sich aber mit der obigen Cabi-
netsordre nicht begnügt und brachten in der Nacht, in der die Deputaten des
deutschem Comites von Posen abgereist waren, ein Ministerialrescript mit, nach
welchem ^e Zusammensetzung der Reorganisationscommission aus Eingebornen,
mit der "Hoffnung, daß'von denselben auch die Interessen der Deutschen berück¬
sichtiget werden würden," gestattet wurde.

Es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß die Polen in dem ersten Passus
die Ermächtigung finden würden, die Commission allein aus Eingebornen ihrer


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Die Unterschriften dieser Adresse enthielten auch die Namen Libell und Eßmann.
Sie trägt die Überschrift: Das Nationalcomite an das deutsche Comite, ist datirt
den 29. März, wurde aber dem deutschen Comite gar nicht mitgetheilt, über¬
haupt nicht in Posen verbreitet, war aber am 30. März schon an die Ecken
Berlins geheftet. Dazu bedenke man, daß noch am 2. April von dem polni¬
schen Comite dein Deutschen eine verbindliche Danksagung abgestattet wurde, da
dasselbe, natürlich ohne von jener Antwort Etwas zu ahnen, auf das Gesuch des
polnischen Comites den polnischen Commissarien Deutsche beigesellt hatte, um in
Schubin, in Krotoszyn und in Lissa, woselbst man die Polen auf derbe Weise
zurückgewiesen hatte, Ausgleichungen zu versuchen! Man kann es dem deutschen
Comite nicht verargen, wenn es sich, nachdem ihm jene Antwort zu Gesicht ge¬
kommen, nicht ferner in Unterhandlungen mit dem polnischen einließ!

Wir haben berichtet, daß das deutsche Comite am 27. eine Deputation nach
Berlin sandte; dieselbe hatte aber keineswegs den Auftrag, deu Polen entgegen¬
zuwirken. Die der polnischen Deputation aus dem Großherzogthum Posen am
24. ertheilte Cabinetsordre, die am 24. bekannt wurde, lautete nämlich:


„Auf deu von Ihnen vorgetragenen Wunsch will ich gerne eine nationale Reorga¬
nisation des Großherzogthums Posen, welche in möglichst kurzer Zeit stattfinden
soll, anbahnen. Ich genehmige daher auch eine Commission aus beiden Natio¬
nalitäten, die mit meinem Oberpräsidenten gemeinschaftlich über die Reorgani¬
sation zu berathen und nach dem Resultate dieser Berathung die nöthigen
Anträge zu stellen haben wird. Die gedachte Commission kann aber nur wirk¬
sam sein, wenn und so lange die gesetzmäßige Ordnung und die Autorität der
Behörden im Großherzogthum Posen aufrecht erhalten wird."

Eine solche Verzögerung der Reorganisation, wenn eine solche einmal statt¬
finden sollte, schien eben in hohem Grade bedenklich, da sie die Autorität der do-
Minirenden exaltirten Partei befestigen mußte.

Die Deputation hatte demnach den Auftrag auf sofortige Zugeständnisse zu
Gingen und zwar auf solche, die deu Polen eine Garantie für die Zukunft gäben.

Man schlug dazu die sofortige Einsetzung eines Polen als Oberpräsidenten
mit dem Auftrage, die Provinz nach dem Wiener Tractate von 1815 zu reorgani-
stren, vor, da man allein auf diese Weise der besonnenen polnischen Partei
die nöthige Macht wieder in die Hand zu geben hoffen konnte.

Die polnischen Deputirten in Berlin hatten sich aber mit der obigen Cabi-
netsordre nicht begnügt und brachten in der Nacht, in der die Deputaten des
deutschem Comites von Posen abgereist waren, ein Ministerialrescript mit, nach
welchem ^e Zusammensetzung der Reorganisationscommission aus Eingebornen,
mit der „Hoffnung, daß'von denselben auch die Interessen der Deutschen berück¬
sichtiget werden würden," gestattet wurde.

Es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß die Polen in dem ersten Passus
die Ermächtigung finden würden, die Commission allein aus Eingebornen ihrer


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[0247] Die Unterschriften dieser Adresse enthielten auch die Namen Libell und Eßmann. Sie trägt die Überschrift: Das Nationalcomite an das deutsche Comite, ist datirt den 29. März, wurde aber dem deutschen Comite gar nicht mitgetheilt, über¬ haupt nicht in Posen verbreitet, war aber am 30. März schon an die Ecken Berlins geheftet. Dazu bedenke man, daß noch am 2. April von dem polni¬ schen Comite dein Deutschen eine verbindliche Danksagung abgestattet wurde, da dasselbe, natürlich ohne von jener Antwort Etwas zu ahnen, auf das Gesuch des polnischen Comites den polnischen Commissarien Deutsche beigesellt hatte, um in Schubin, in Krotoszyn und in Lissa, woselbst man die Polen auf derbe Weise zurückgewiesen hatte, Ausgleichungen zu versuchen! Man kann es dem deutschen Comite nicht verargen, wenn es sich, nachdem ihm jene Antwort zu Gesicht ge¬ kommen, nicht ferner in Unterhandlungen mit dem polnischen einließ! Wir haben berichtet, daß das deutsche Comite am 27. eine Deputation nach Berlin sandte; dieselbe hatte aber keineswegs den Auftrag, deu Polen entgegen¬ zuwirken. Die der polnischen Deputation aus dem Großherzogthum Posen am 24. ertheilte Cabinetsordre, die am 24. bekannt wurde, lautete nämlich: „Auf deu von Ihnen vorgetragenen Wunsch will ich gerne eine nationale Reorga¬ nisation des Großherzogthums Posen, welche in möglichst kurzer Zeit stattfinden soll, anbahnen. Ich genehmige daher auch eine Commission aus beiden Natio¬ nalitäten, die mit meinem Oberpräsidenten gemeinschaftlich über die Reorgani¬ sation zu berathen und nach dem Resultate dieser Berathung die nöthigen Anträge zu stellen haben wird. Die gedachte Commission kann aber nur wirk¬ sam sein, wenn und so lange die gesetzmäßige Ordnung und die Autorität der Behörden im Großherzogthum Posen aufrecht erhalten wird." Eine solche Verzögerung der Reorganisation, wenn eine solche einmal statt¬ finden sollte, schien eben in hohem Grade bedenklich, da sie die Autorität der do- Minirenden exaltirten Partei befestigen mußte. Die Deputation hatte demnach den Auftrag auf sofortige Zugeständnisse zu Gingen und zwar auf solche, die deu Polen eine Garantie für die Zukunft gäben. Man schlug dazu die sofortige Einsetzung eines Polen als Oberpräsidenten mit dem Auftrage, die Provinz nach dem Wiener Tractate von 1815 zu reorgani- stren, vor, da man allein auf diese Weise der besonnenen polnischen Partei die nöthige Macht wieder in die Hand zu geben hoffen konnte. Die polnischen Deputirten in Berlin hatten sich aber mit der obigen Cabi- netsordre nicht begnügt und brachten in der Nacht, in der die Deputaten des deutschem Comites von Posen abgereist waren, ein Ministerialrescript mit, nach welchem ^e Zusammensetzung der Reorganisationscommission aus Eingebornen, mit der „Hoffnung, daß'von denselben auch die Interessen der Deutschen berück¬ sichtiget werden würden," gestattet wurde. Es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß die Polen in dem ersten Passus die Ermächtigung finden würden, die Commission allein aus Eingebornen ihrer 31*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/247>, abgerufen am 29.06.2024.