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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Weise erhielten. Von einem "brüderlichen" Zusammenleben der Dentschen und
Polen aber war natürlich keine Rede mehr.

Die Polen fingen nun auch in der Stadt Posen ihre Rüstungen an, auf
dem Platze vor der Bernhardiner Kirche exercirten täglich etwa 500 Mann unter
der Anleitung der jungen Polen aus Berlin, die mit Säbeln bewaffnet die Stra¬
ßen durchzogen. Reclamationen bei den Behörden blieben ohne Erfolg; dieselben
entschuldigten ihre Unthätigkeit mit dem Mangel an Instructionen, und kamen
dergleichen an, so hatten sich die Zeitverhältnisse so verändert, daß man sich
genöthigt sah, wiederum neue abzuwarten. Es wurde immer klarer, daß die
Polen während der Unterhandlungen ihrer Deputirten in Berlin dahin strebten,
ihre Macht hier so zu vergrößern, daß ihre Gesuche zu gebieterischen Forderungen
gesteigert werden konnten. Das deutsche Comite sandte also seinen Vorsitzenden',
Gerichts-Rath Neumann in Begleitung der Herren Blau, O>. Heppke, Poppe
und Treppmacher nach Berlin, um das Ministerium, von der Sachlage in Kennt¬
niß zu setzen und die öffentliche Meinung Berlins aufzuklären.

Außerdem erließ das deutsche Comite am 26. März eine Proclamation an
die deutschen und eine an die polnischen Landbewohner, um dieselben zur Ruhe
und Einigkeit aufzufordern. Dieselbe begann mit den Worten:


"Mitbürger, die Liebe zum Vaterlands ist das köstlichste Gut einer Nation, darum
bezeugt Jeder, der ein gleiches Gefühl in sich trägt, darum bezeugen die Deut¬
schen und andere Nationen Europas Euern Bestrebungen zur Wiederherstellung
Eurer politischen Freiheit ihre warme Theilnahme; -- aber lasset die Frucht
reifen, bevor Ihr sie erndtet." --

Der Geist dieser Proclamation möchte noch aus folgender Stelle zu erken¬
nen sein:


"Bedenket, daß Ihr die Edelsten Eurer Nation, die mit ehrenwerthen Sinne und
mit Mäßigung den Weg zur Wiederherstellung Eurer Selbstständigkeit verfol-
gen, in ihren Bestrebungen lahmt."

Der Schluß ruft die Einflußreichen, vorzüglich die Geistlichkeit auf:


"Belehre sie, daß sie die Gefühle der Vaterlandsliebe mit den Pflichten der Klug¬
heit, der Moral und des Glaubens zu vereinigen haben.

Wir lassen eine Antwort folgen, zu der sich das polnische Comite bewo¬
gen fand:


"Es wird die Mahnung ausgesprochen, die Frucht erst reisen zu lassen, ehe wir sie
erndten, also ein Zweifel in unsere Reise für den Genuß der Freiheit gesetzt."

"Ihr sondert Euch von ihnen aus, indem Ihr das Werk der christlichen Völker¬
verbrüderung stört und Zwietracht säen wollt zwischen uns und Deutschland, ---
denn Anderes bezweckt Ihr nicht, gleich jenen, die vor zwei Jahren -- oder
sind vielleicht dieselben noch in Eurer Mitte? - uns Gift und Dolch andich¬
teten, uns durch bösen Leumund zu verderben. -- Wehe dann Euch ze."

Weise erhielten. Von einem „brüderlichen" Zusammenleben der Dentschen und
Polen aber war natürlich keine Rede mehr.

Die Polen fingen nun auch in der Stadt Posen ihre Rüstungen an, auf
dem Platze vor der Bernhardiner Kirche exercirten täglich etwa 500 Mann unter
der Anleitung der jungen Polen aus Berlin, die mit Säbeln bewaffnet die Stra¬
ßen durchzogen. Reclamationen bei den Behörden blieben ohne Erfolg; dieselben
entschuldigten ihre Unthätigkeit mit dem Mangel an Instructionen, und kamen
dergleichen an, so hatten sich die Zeitverhältnisse so verändert, daß man sich
genöthigt sah, wiederum neue abzuwarten. Es wurde immer klarer, daß die
Polen während der Unterhandlungen ihrer Deputirten in Berlin dahin strebten,
ihre Macht hier so zu vergrößern, daß ihre Gesuche zu gebieterischen Forderungen
gesteigert werden konnten. Das deutsche Comite sandte also seinen Vorsitzenden',
Gerichts-Rath Neumann in Begleitung der Herren Blau, O>. Heppke, Poppe
und Treppmacher nach Berlin, um das Ministerium, von der Sachlage in Kennt¬
niß zu setzen und die öffentliche Meinung Berlins aufzuklären.

Außerdem erließ das deutsche Comite am 26. März eine Proclamation an
die deutschen und eine an die polnischen Landbewohner, um dieselben zur Ruhe
und Einigkeit aufzufordern. Dieselbe begann mit den Worten:


„Mitbürger, die Liebe zum Vaterlands ist das köstlichste Gut einer Nation, darum
bezeugt Jeder, der ein gleiches Gefühl in sich trägt, darum bezeugen die Deut¬
schen und andere Nationen Europas Euern Bestrebungen zur Wiederherstellung
Eurer politischen Freiheit ihre warme Theilnahme; — aber lasset die Frucht
reifen, bevor Ihr sie erndtet." —

Der Geist dieser Proclamation möchte noch aus folgender Stelle zu erken¬
nen sein:


„Bedenket, daß Ihr die Edelsten Eurer Nation, die mit ehrenwerthen Sinne und
mit Mäßigung den Weg zur Wiederherstellung Eurer Selbstständigkeit verfol-
gen, in ihren Bestrebungen lahmt."

Der Schluß ruft die Einflußreichen, vorzüglich die Geistlichkeit auf:


„Belehre sie, daß sie die Gefühle der Vaterlandsliebe mit den Pflichten der Klug¬
heit, der Moral und des Glaubens zu vereinigen haben.

Wir lassen eine Antwort folgen, zu der sich das polnische Comite bewo¬
gen fand:


„Es wird die Mahnung ausgesprochen, die Frucht erst reisen zu lassen, ehe wir sie
erndten, also ein Zweifel in unsere Reise für den Genuß der Freiheit gesetzt."

„Ihr sondert Euch von ihnen aus, indem Ihr das Werk der christlichen Völker¬
verbrüderung stört und Zwietracht säen wollt zwischen uns und Deutschland, —-
denn Anderes bezweckt Ihr nicht, gleich jenen, die vor zwei Jahren — oder
sind vielleicht dieselben noch in Eurer Mitte? - uns Gift und Dolch andich¬
teten, uns durch bösen Leumund zu verderben. — Wehe dann Euch ze."

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[0246] Weise erhielten. Von einem „brüderlichen" Zusammenleben der Dentschen und Polen aber war natürlich keine Rede mehr. Die Polen fingen nun auch in der Stadt Posen ihre Rüstungen an, auf dem Platze vor der Bernhardiner Kirche exercirten täglich etwa 500 Mann unter der Anleitung der jungen Polen aus Berlin, die mit Säbeln bewaffnet die Stra¬ ßen durchzogen. Reclamationen bei den Behörden blieben ohne Erfolg; dieselben entschuldigten ihre Unthätigkeit mit dem Mangel an Instructionen, und kamen dergleichen an, so hatten sich die Zeitverhältnisse so verändert, daß man sich genöthigt sah, wiederum neue abzuwarten. Es wurde immer klarer, daß die Polen während der Unterhandlungen ihrer Deputirten in Berlin dahin strebten, ihre Macht hier so zu vergrößern, daß ihre Gesuche zu gebieterischen Forderungen gesteigert werden konnten. Das deutsche Comite sandte also seinen Vorsitzenden', Gerichts-Rath Neumann in Begleitung der Herren Blau, O>. Heppke, Poppe und Treppmacher nach Berlin, um das Ministerium, von der Sachlage in Kennt¬ niß zu setzen und die öffentliche Meinung Berlins aufzuklären. Außerdem erließ das deutsche Comite am 26. März eine Proclamation an die deutschen und eine an die polnischen Landbewohner, um dieselben zur Ruhe und Einigkeit aufzufordern. Dieselbe begann mit den Worten: „Mitbürger, die Liebe zum Vaterlands ist das köstlichste Gut einer Nation, darum bezeugt Jeder, der ein gleiches Gefühl in sich trägt, darum bezeugen die Deut¬ schen und andere Nationen Europas Euern Bestrebungen zur Wiederherstellung Eurer politischen Freiheit ihre warme Theilnahme; — aber lasset die Frucht reifen, bevor Ihr sie erndtet." — Der Geist dieser Proclamation möchte noch aus folgender Stelle zu erken¬ nen sein: „Bedenket, daß Ihr die Edelsten Eurer Nation, die mit ehrenwerthen Sinne und mit Mäßigung den Weg zur Wiederherstellung Eurer Selbstständigkeit verfol- gen, in ihren Bestrebungen lahmt." Der Schluß ruft die Einflußreichen, vorzüglich die Geistlichkeit auf: „Belehre sie, daß sie die Gefühle der Vaterlandsliebe mit den Pflichten der Klug¬ heit, der Moral und des Glaubens zu vereinigen haben. Wir lassen eine Antwort folgen, zu der sich das polnische Comite bewo¬ gen fand: „Es wird die Mahnung ausgesprochen, die Frucht erst reisen zu lassen, ehe wir sie erndten, also ein Zweifel in unsere Reise für den Genuß der Freiheit gesetzt." „Ihr sondert Euch von ihnen aus, indem Ihr das Werk der christlichen Völker¬ verbrüderung stört und Zwietracht säen wollt zwischen uns und Deutschland, —- denn Anderes bezweckt Ihr nicht, gleich jenen, die vor zwei Jahren — oder sind vielleicht dieselben noch in Eurer Mitte? - uns Gift und Dolch andich¬ teten, uns durch bösen Leumund zu verderben. — Wehe dann Euch ze."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/246>, abgerufen am 28.09.2024.