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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Quittung geraubt. Das Bedenklichste bei diesen Gewaltstreichen blieb, daß man
ihnen in den Augen des schlichten Volkes den Schein der Loyalität zu verschaffen
wußte, so dein gewöhnlichen Straßenraube durch Quittungertheilung. Auch fehlte
es nicht an Eigenthums- und Personenverletzung schon in den ersten Tagen. Am
22. bereits war der Grcnzaufseher Krebs zu Komorze seiner Waffen beraubt wor¬
den, nachdem mau ihn zu Boden geworfen und ihm mit den Worten: "deutscher
Hund, ergib Dich!" Heugabeln auf die Brust gesetzt hatte. In Dusznik bei
Posen hatte man einen wohlhabenden Schänker seines Hab und Guts beraubt.
Ju Zlvthowo wurde der Bürger Rosenbaum nebst Frau und Kindern gemißhan¬
delt, seiner Habe beraubt und verjagt. Dies sind nur ein paar Beispiele unter
Hunderten. Das polnische National - Comite nahm nun, so oft das deutsche Co-
urt,- sich deshalb beschwerte, den Schein an, als wenn es jene Thaten nicht nur
tadle, sondern auch eifrig bemüht sei, den erwachsenen Schaden zu ersetzen, ja
ähnlichen zu verhindern, that jedoch von dem Allen das Gegentheil. Auch in den
ersten Tagen schon suchte man die Regierung in den Kreisen an sich zu reißen;
aus Schroda, Wreschen und Pleschen mußten die Landräthe fliehen, in fast allen
überwiegend polnischen Orten wurden die deutschgesinnten Districtscommissarien
und Bürgermeister abgesetzt, zur Flucht getrieben: und das erste Geschäft der
polnischen Kommissare war dann, die preußischen Adler zu beschimpfen und
niederzureißen, selbst an dem Postwagen, der nach der polnischen Grenze geht,
litt man denselben nicht. Am bedenklichsten aber erschienen die an allen polnischen
Orten in's Werk gesetzten Truppenwerbnngen. Am 24. März erklärte GorSki
zu Kurnik, einem Städtchen, das dem bekannten Grafen Dziatyuski gehört und
nur zwei Meilen von Posen entfernt liegt, also in unmittelbarer Verbindung mit
dem Haupt-Comite in Posen steht, öffentlich, daß den Frauen und Kindern der
Deutschen die Köpfe abgehauen und vor die Thüren ihrer Häuser geworfen wer¬
den sollten, wenn diese sich weigerten bei einem Ausmarsche anzuziehen. Von
^n deutschen Gutsbesitzern wurden Pferde, Fourage und Proviant im Namen
posnischen Comites requirirt und halbjährige Steuern eingetrieben.

Trotzdem kam es in Posen selbst, obgleich das Militair zufolge des von
dem Magistrate unterstützten Gesundes des polnischen National-Comite'ö
aus der Stadt nach den Forts gezogen und nur 500 Gewehre an Bürger ausge¬
theilt waren, zu keinen thätlichen Excessen. Man hütete sich wohlweislich davor,
da eine Niederlage beim Zusammentreffen mit der Garnison unvermeidlich erschien
und in Berlin durch die Ruhe in der Proviuzial-Hauptstadt die Ansicht unterstützt
werden konnte, die Unruhen seien nicht von dem Central-Comite angeregt,
sondern ^n Ausfluß des allgemein übereinstimmenden Volks¬
willens.

Beide Comite's hatten sich für permanent erklärt und Schutzwachen gebildet,
die un bewaffn et die Straßen durchzogen und die Ruhe auf bewundernswürdige


Srenzbotm. III. iz^z

Quittung geraubt. Das Bedenklichste bei diesen Gewaltstreichen blieb, daß man
ihnen in den Augen des schlichten Volkes den Schein der Loyalität zu verschaffen
wußte, so dein gewöhnlichen Straßenraube durch Quittungertheilung. Auch fehlte
es nicht an Eigenthums- und Personenverletzung schon in den ersten Tagen. Am
22. bereits war der Grcnzaufseher Krebs zu Komorze seiner Waffen beraubt wor¬
den, nachdem mau ihn zu Boden geworfen und ihm mit den Worten: „deutscher
Hund, ergib Dich!" Heugabeln auf die Brust gesetzt hatte. In Dusznik bei
Posen hatte man einen wohlhabenden Schänker seines Hab und Guts beraubt.
Ju Zlvthowo wurde der Bürger Rosenbaum nebst Frau und Kindern gemißhan¬
delt, seiner Habe beraubt und verjagt. Dies sind nur ein paar Beispiele unter
Hunderten. Das polnische National - Comite nahm nun, so oft das deutsche Co-
urt,- sich deshalb beschwerte, den Schein an, als wenn es jene Thaten nicht nur
tadle, sondern auch eifrig bemüht sei, den erwachsenen Schaden zu ersetzen, ja
ähnlichen zu verhindern, that jedoch von dem Allen das Gegentheil. Auch in den
ersten Tagen schon suchte man die Regierung in den Kreisen an sich zu reißen;
aus Schroda, Wreschen und Pleschen mußten die Landräthe fliehen, in fast allen
überwiegend polnischen Orten wurden die deutschgesinnten Districtscommissarien
und Bürgermeister abgesetzt, zur Flucht getrieben: und das erste Geschäft der
polnischen Kommissare war dann, die preußischen Adler zu beschimpfen und
niederzureißen, selbst an dem Postwagen, der nach der polnischen Grenze geht,
litt man denselben nicht. Am bedenklichsten aber erschienen die an allen polnischen
Orten in's Werk gesetzten Truppenwerbnngen. Am 24. März erklärte GorSki
zu Kurnik, einem Städtchen, das dem bekannten Grafen Dziatyuski gehört und
nur zwei Meilen von Posen entfernt liegt, also in unmittelbarer Verbindung mit
dem Haupt-Comite in Posen steht, öffentlich, daß den Frauen und Kindern der
Deutschen die Köpfe abgehauen und vor die Thüren ihrer Häuser geworfen wer¬
den sollten, wenn diese sich weigerten bei einem Ausmarsche anzuziehen. Von
^n deutschen Gutsbesitzern wurden Pferde, Fourage und Proviant im Namen
posnischen Comites requirirt und halbjährige Steuern eingetrieben.

Trotzdem kam es in Posen selbst, obgleich das Militair zufolge des von
dem Magistrate unterstützten Gesundes des polnischen National-Comite'ö
aus der Stadt nach den Forts gezogen und nur 500 Gewehre an Bürger ausge¬
theilt waren, zu keinen thätlichen Excessen. Man hütete sich wohlweislich davor,
da eine Niederlage beim Zusammentreffen mit der Garnison unvermeidlich erschien
und in Berlin durch die Ruhe in der Proviuzial-Hauptstadt die Ansicht unterstützt
werden konnte, die Unruhen seien nicht von dem Central-Comite angeregt,
sondern ^n Ausfluß des allgemein übereinstimmenden Volks¬
willens.

Beide Comite's hatten sich für permanent erklärt und Schutzwachen gebildet,
die un bewaffn et die Straßen durchzogen und die Ruhe auf bewundernswürdige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/245>, abgerufen am 28.09.2024.