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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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der Frage aber, wann die Entscheidung entgegen genommen werden könne, wich
er aus. Genug, die Offenheit mit der die Deutschen den Polen entgegen traten,
ward nicht erwiedert; man entschloß sich daher noch in derselben Nacht, die münd¬
lich ausgesprochenen Fragen dnrch eine Zuschrift zu fixiren und zur bestimmteren
Beantwortung zu übersenden. Die Antwort erfolgte am Nachmittage des anderen
Tages und lehnte den Beitritt eines Deutschen zu den Verhandlungen des Natio¬
nalcomite''s entschieden ab; zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung wollte man
die Hilft der Deutschen nöthigenfalls in Anspruch nehmen.

So war das Comite schon am zweiten Tage seines Bestehens entweder zu
dem Entschlüsse gekommen, sich eine Macht nicht in brüderlicher Berücksichtigung
der Deutschen, sondern zum Schaden derselben anzumaßen, oder doch mit dem
Gedanken vertraut, daß man nöthigenfalls auch solche Mittel uicht verschmähen
wolle, die man den Deutschen zu verbergen habe. Dem am folgenden Tage, den
22. März, von einer durch alle Stände vertretenen großen Versammlung gewähl¬
ten deutschen Comite, bestehend aus dem Schuldirector l)>. Barth, den Assessoren
Bracheogel, v. Crusaz und Edler, öl. nett. Handtke, Bürger Katy, Gerichtsrath
Neumann, Gerichtsdirectvr Seger, Medizinalrath Snttinger, Kaufmann Trepp¬
macher und Rector Vauselow, erging es nicht besser. Dasselbe zeigte dem polni¬
schen Comite seine Constituirung an, erhielt aber nicht einmal eine Antwort.
Zwar verhandelte es mit dem deutschen Comite mündlich und suchte dabei die
freundlichsten Gesinnungen an den Tag zu legen, aber von der Aufrichtigkeit der¬
selben zeigte die schon nach fünf Tagen gegen das deutsche Comite in Berlin ver¬
breitete Bekanntmachung, auf die wir noch zurückkommen werden. So wußten die
Polen, auf die gutmüthige Leichtgläubigkeit der Deutschen bauend, dieselben hier
durch Freundlichkeit zu berücken und dnrch freche Lügen im Stammlande zu ver¬
dächtigen.

Die Lage der Deutschen in den kleinen Städten und auf dem Lande erregte
indeß von Tag zu Tage begründetere Besorgnisse, die Beschwerden, die beim
deutschen Comite" einliefen, häuften sich mit jeder Stunde. Es stellte sich heraus,
daß man das Gerücht vom Tode des Königs überall zu verbreiten sich bestrebte.
Die Verhöhnung der preußischen Behörden von Seiten der mit dem posener pol¬
nischen National - Comite" in der genauesten Verbindung handelnden Kreis-Comi¬
te's ging in's Grenzenlose. Schon am 22. März war in Pogorzelice die Kasse
des Zollamtes genommen, mit der Kreiskasse geschah es in Wreschen am 23., in
Buel am 26. auf gleiche Weise. Man erkühnte sich sogar die Kassen-Bücher ab¬
zuschließen und über den Empfang der Gelder Namens des Comite's zu quittiren;
in Wreschen that Solches der Probst Lnkosicevicz, ja er nahm nicht Anstand die
O-uittung mit dem Kirchensiegel zu besiegeln. Schon am 22. hatte man in Zer-
kow die Post angehalten, die Poststücke durchsucht, das Briefgeheimniß verletzt,
Privatbriefe erbrochen und zurückgehalten und 500 Rthlr. Kassengelder gegen


der Frage aber, wann die Entscheidung entgegen genommen werden könne, wich
er aus. Genug, die Offenheit mit der die Deutschen den Polen entgegen traten,
ward nicht erwiedert; man entschloß sich daher noch in derselben Nacht, die münd¬
lich ausgesprochenen Fragen dnrch eine Zuschrift zu fixiren und zur bestimmteren
Beantwortung zu übersenden. Die Antwort erfolgte am Nachmittage des anderen
Tages und lehnte den Beitritt eines Deutschen zu den Verhandlungen des Natio¬
nalcomite''s entschieden ab; zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung wollte man
die Hilft der Deutschen nöthigenfalls in Anspruch nehmen.

So war das Comite schon am zweiten Tage seines Bestehens entweder zu
dem Entschlüsse gekommen, sich eine Macht nicht in brüderlicher Berücksichtigung
der Deutschen, sondern zum Schaden derselben anzumaßen, oder doch mit dem
Gedanken vertraut, daß man nöthigenfalls auch solche Mittel uicht verschmähen
wolle, die man den Deutschen zu verbergen habe. Dem am folgenden Tage, den
22. März, von einer durch alle Stände vertretenen großen Versammlung gewähl¬
ten deutschen Comite, bestehend aus dem Schuldirector l)>. Barth, den Assessoren
Bracheogel, v. Crusaz und Edler, öl. nett. Handtke, Bürger Katy, Gerichtsrath
Neumann, Gerichtsdirectvr Seger, Medizinalrath Snttinger, Kaufmann Trepp¬
macher und Rector Vauselow, erging es nicht besser. Dasselbe zeigte dem polni¬
schen Comite seine Constituirung an, erhielt aber nicht einmal eine Antwort.
Zwar verhandelte es mit dem deutschen Comite mündlich und suchte dabei die
freundlichsten Gesinnungen an den Tag zu legen, aber von der Aufrichtigkeit der¬
selben zeigte die schon nach fünf Tagen gegen das deutsche Comite in Berlin ver¬
breitete Bekanntmachung, auf die wir noch zurückkommen werden. So wußten die
Polen, auf die gutmüthige Leichtgläubigkeit der Deutschen bauend, dieselben hier
durch Freundlichkeit zu berücken und dnrch freche Lügen im Stammlande zu ver¬
dächtigen.

Die Lage der Deutschen in den kleinen Städten und auf dem Lande erregte
indeß von Tag zu Tage begründetere Besorgnisse, die Beschwerden, die beim
deutschen Comite" einliefen, häuften sich mit jeder Stunde. Es stellte sich heraus,
daß man das Gerücht vom Tode des Königs überall zu verbreiten sich bestrebte.
Die Verhöhnung der preußischen Behörden von Seiten der mit dem posener pol¬
nischen National - Comite" in der genauesten Verbindung handelnden Kreis-Comi¬
te's ging in's Grenzenlose. Schon am 22. März war in Pogorzelice die Kasse
des Zollamtes genommen, mit der Kreiskasse geschah es in Wreschen am 23., in
Buel am 26. auf gleiche Weise. Man erkühnte sich sogar die Kassen-Bücher ab¬
zuschließen und über den Empfang der Gelder Namens des Comite's zu quittiren;
in Wreschen that Solches der Probst Lnkosicevicz, ja er nahm nicht Anstand die
O-uittung mit dem Kirchensiegel zu besiegeln. Schon am 22. hatte man in Zer-
kow die Post angehalten, die Poststücke durchsucht, das Briefgeheimniß verletzt,
Privatbriefe erbrochen und zurückgehalten und 500 Rthlr. Kassengelder gegen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/244>, abgerufen am 29.06.2024.