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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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wurde von der exaltirten Partei ein Geist heraufbeschworen, der, wir fürchten,
nicht bald zu bändigen sein wird, bald wurde zu Mitteln der Lüge und Hinterlist
gegriffen, die einer nach Freiheit strebende" Nation eben so unwürdig sind, wie
jedes einzelnen Ehrenmannes. Aeußerte doch Einer der Leiter unverholen: "dem
Vaterlande muß mau nicht allein Gut und Blut zum Opfer bringen, sondern
auch die Ehre!"

Welches war inmitten dieser Gährung das Verhalten der Deutschen in Posen?

Schon am 20. März wurde in unzähligen Exemplaren eine bei dem
Vorsitzenden des polnischen Comite's, Buchhändler Stefauski, gedruckte
Ansprache an die Deutschen verbreitet, welche unter einer Menge von Schmähungen
über das zeitherige Benehmen der Deutschen in der Provinz folgende Stelle
enthielt:


"Fragt euch selbst, ob Ihr irgend welchen Anspruch daraus machen könnt, von
uns einen Funken der Achtung oder Zuneigung zu erwarten? "

"Noch ist es Zeit, einen großen Fluch zu sühnen, verstreicht sie ungenützt, so
werdet Ihr oder Eure Kinder von demselben zermalmt werden."

Die Schlußworte nach einigen Ermahnungen mit ferneren Feindseligkeiten
einzuhalten, lauteten:


"Und unsere Kinder werden Euch lieben und hochschätzen, wie wir Euch hassen
und verachten."

Das war das erste Wort, das von deu Polen an die Deutschen und zwar
an einem Tage ertönte, an welchem eine Deputation sich zu dem Könige von
Preußen begab, um von demselben im Wege der Petition die nationale
Freiheit zu erlangen. Zwar desavouirte das polnische Comite später, auf die
Beschwerde einiger Deutschen, jene giftigen Worte und erließ am folgenden Tage
einen versöhnlichen Zuruf, worin es u. A. heißt:


"Wir bieten Euch die brüderliche Rechte und hoffen und erwarten, daß unsere
Sache mit Euch aus dem Wege friedlicher Verhandlung sich beilegen wird
und muß."

Zwar wurde mit dieser neue" Bekanntmachung in der genannten Buch¬
handlung auch ferner noch die zuerst angegebene, jedoch mit Weglassung der
Schlußworte:


"wie wir Euch jetzt hassen und verachten"

ausgetheilt, dennoch aber hielten mehrere Deutsche in freudiger Aufregung über
das königliche Wort, welches das Aufgehen Preußens in das gemeinsame deutsche
Vaterland ausgesprochen, sich gedrungen, die angebotene Bruderhand durch einen
öffentlichen Act feierlichst anzunehmen.

Dieser Act erfolgte vor dem imposanten Landschaftsgebäude in Gegenwart
einiger Tausende beider Nationalitäten. Es wurden zwei dazu vorbereitete Adressen
als Antwort aus die zuletzt erwähnte Zuschrift vorgetragen und die eine, welche


wurde von der exaltirten Partei ein Geist heraufbeschworen, der, wir fürchten,
nicht bald zu bändigen sein wird, bald wurde zu Mitteln der Lüge und Hinterlist
gegriffen, die einer nach Freiheit strebende» Nation eben so unwürdig sind, wie
jedes einzelnen Ehrenmannes. Aeußerte doch Einer der Leiter unverholen: „dem
Vaterlande muß mau nicht allein Gut und Blut zum Opfer bringen, sondern
auch die Ehre!"

Welches war inmitten dieser Gährung das Verhalten der Deutschen in Posen?

Schon am 20. März wurde in unzähligen Exemplaren eine bei dem
Vorsitzenden des polnischen Comite's, Buchhändler Stefauski, gedruckte
Ansprache an die Deutschen verbreitet, welche unter einer Menge von Schmähungen
über das zeitherige Benehmen der Deutschen in der Provinz folgende Stelle
enthielt:


„Fragt euch selbst, ob Ihr irgend welchen Anspruch daraus machen könnt, von
uns einen Funken der Achtung oder Zuneigung zu erwarten? "

„Noch ist es Zeit, einen großen Fluch zu sühnen, verstreicht sie ungenützt, so
werdet Ihr oder Eure Kinder von demselben zermalmt werden."

Die Schlußworte nach einigen Ermahnungen mit ferneren Feindseligkeiten
einzuhalten, lauteten:


„Und unsere Kinder werden Euch lieben und hochschätzen, wie wir Euch hassen
und verachten."

Das war das erste Wort, das von deu Polen an die Deutschen und zwar
an einem Tage ertönte, an welchem eine Deputation sich zu dem Könige von
Preußen begab, um von demselben im Wege der Petition die nationale
Freiheit zu erlangen. Zwar desavouirte das polnische Comite später, auf die
Beschwerde einiger Deutschen, jene giftigen Worte und erließ am folgenden Tage
einen versöhnlichen Zuruf, worin es u. A. heißt:


„Wir bieten Euch die brüderliche Rechte und hoffen und erwarten, daß unsere
Sache mit Euch aus dem Wege friedlicher Verhandlung sich beilegen wird
und muß."

Zwar wurde mit dieser neue» Bekanntmachung in der genannten Buch¬
handlung auch ferner noch die zuerst angegebene, jedoch mit Weglassung der
Schlußworte:


„wie wir Euch jetzt hassen und verachten"

ausgetheilt, dennoch aber hielten mehrere Deutsche in freudiger Aufregung über
das königliche Wort, welches das Aufgehen Preußens in das gemeinsame deutsche
Vaterland ausgesprochen, sich gedrungen, die angebotene Bruderhand durch einen
öffentlichen Act feierlichst anzunehmen.

Dieser Act erfolgte vor dem imposanten Landschaftsgebäude in Gegenwart
einiger Tausende beider Nationalitäten. Es wurden zwei dazu vorbereitete Adressen
als Antwort aus die zuletzt erwähnte Zuschrift vorgetragen und die eine, welche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/242>, abgerufen am 29.06.2024.