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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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bestimmte Kreise ab; bald sah man die Polen nur in bestimmten Restaurationen,
von denen sich die Deutschen immer mehr zurückzogen. Besorglicher wurde der
Zustand, als am U>. März Abends die Berliner Post völlig ausblieb.

Wenn aber nach dem wohl vorbereiteten Aufstand der Polen im Jahre 1846 sich
die Ansicht festgestellt hatte, daß der Erfolg ein anderer hätte werden müssen, wäre
für denselben ein politisch richtigerer Zeitpunkt abgewartet worden, so war es na¬
türlich, daß die Polen nach dem Sturze des französischen Königthums, nach der
Erhebung fast sämmtlicher deutschen Staaten, nach der Kunde vom Kampf des
Volkes in Berlin, den Augenblick für ihre große Schilderhebung gekommen glaub¬
ten. Montag den 20. März verbreitete sich mit Blitzesschnelle in der Stadt Posen
das Gerücht von einem Aufstande. Von der Wallischei her, dem östlich von der
Warthe gelegenen, überwiegend von Polen bewohnten Theile der Stadt, sollten
bewaffnete Häuser heranziehn. Wie aus der Erde gerufen standen bedeutende
Colonnen preußischen Militärs aus den Straßen, das Schloß, in dem der Ober-
präsident der Provinz wohnt, wurde stark besetzt und auf dem Kanonen- und Wil¬
helmsplatze concentrirten sich bedeutende Truppenmassen, die Läden wurden ge¬
schlossen, doch kam es zu keinem bedenklichen Auftritt. Die Ursache war eine aus
Polen bestehende Deputation, die sich zum Oberpräsidenten mit dem Gesuche
begeben hatte, eine Petition an den König berathen und durch Bevollmäch¬
tigte nach Berlin senden zu dürfen. Die Genehmigung wurde ertheilt und
auf dieselbe hin bildete sich das polnische Nativnalcomitv aus den Gutsbesitzern
Graf Eduard v. Potworowski, Andrzejevski, Berwinsky, Moraszevsli, Land-
schastsdirector v. Furochowski und ObriK v. Niegolewsky, den Geistlichen Fromm-
hvly und Prusziuowski, den Bürgern Choslowski und Stefanski, so wie dem
Bauer Pullacz. Als Deputirte sandte man den Erzbischof v. Przylust'i, den Gra¬
fen Potworowski und Milzyuski, den Justizcommissarius Krauthoser (der später
seinen Namen in Krotowski polonisirte) und die deutschen Stadtverordneten Posens
^""linerzienrach Bielefeld, Landgerichtsrath Boy und Kaufmann Mamroth nach
Berlin. --

Nach Rückkunft der Deputation von dem Herrn Ob erPräsidenten steckte sich
hie und da eine Pole eine Schleife von weißen und rothen Bändchen an, Polizei
und Militär wollten es anfänglich hindern, doch bald wurde ihnen jedes Einschrei-
höheren Orts verboten. So war der Nachmittag herangekommen, die Unruhe
U'air geschwunden und das schöne Wetter lockte die Bevölkerung auf die Straßen,
denen meistentheils von Damenhänden aus den geöffneten Fenstern die rothen
und weißen Bändchen, Schleifen und Cocarden, wie ein Schwarm bunter Schmet¬
terlinge herabschwebten, bald zeigte sich auch hier und da eine polnische Fahne
und ehe der Abend kam, trug Alles was sich Pole nennt, bis auf den zerlumpten
Bettler, die nationalen Abzeichen.

Es blieb jedoch nicht bei diesem friedlichen Enthusiasmus, denn gar schnell


bestimmte Kreise ab; bald sah man die Polen nur in bestimmten Restaurationen,
von denen sich die Deutschen immer mehr zurückzogen. Besorglicher wurde der
Zustand, als am U>. März Abends die Berliner Post völlig ausblieb.

Wenn aber nach dem wohl vorbereiteten Aufstand der Polen im Jahre 1846 sich
die Ansicht festgestellt hatte, daß der Erfolg ein anderer hätte werden müssen, wäre
für denselben ein politisch richtigerer Zeitpunkt abgewartet worden, so war es na¬
türlich, daß die Polen nach dem Sturze des französischen Königthums, nach der
Erhebung fast sämmtlicher deutschen Staaten, nach der Kunde vom Kampf des
Volkes in Berlin, den Augenblick für ihre große Schilderhebung gekommen glaub¬
ten. Montag den 20. März verbreitete sich mit Blitzesschnelle in der Stadt Posen
das Gerücht von einem Aufstande. Von der Wallischei her, dem östlich von der
Warthe gelegenen, überwiegend von Polen bewohnten Theile der Stadt, sollten
bewaffnete Häuser heranziehn. Wie aus der Erde gerufen standen bedeutende
Colonnen preußischen Militärs aus den Straßen, das Schloß, in dem der Ober-
präsident der Provinz wohnt, wurde stark besetzt und auf dem Kanonen- und Wil¬
helmsplatze concentrirten sich bedeutende Truppenmassen, die Läden wurden ge¬
schlossen, doch kam es zu keinem bedenklichen Auftritt. Die Ursache war eine aus
Polen bestehende Deputation, die sich zum Oberpräsidenten mit dem Gesuche
begeben hatte, eine Petition an den König berathen und durch Bevollmäch¬
tigte nach Berlin senden zu dürfen. Die Genehmigung wurde ertheilt und
auf dieselbe hin bildete sich das polnische Nativnalcomitv aus den Gutsbesitzern
Graf Eduard v. Potworowski, Andrzejevski, Berwinsky, Moraszevsli, Land-
schastsdirector v. Furochowski und ObriK v. Niegolewsky, den Geistlichen Fromm-
hvly und Prusziuowski, den Bürgern Choslowski und Stefanski, so wie dem
Bauer Pullacz. Als Deputirte sandte man den Erzbischof v. Przylust'i, den Gra¬
fen Potworowski und Milzyuski, den Justizcommissarius Krauthoser (der später
seinen Namen in Krotowski polonisirte) und die deutschen Stadtverordneten Posens
^»»linerzienrach Bielefeld, Landgerichtsrath Boy und Kaufmann Mamroth nach
Berlin. —

Nach Rückkunft der Deputation von dem Herrn Ob erPräsidenten steckte sich
hie und da eine Pole eine Schleife von weißen und rothen Bändchen an, Polizei
und Militär wollten es anfänglich hindern, doch bald wurde ihnen jedes Einschrei-
höheren Orts verboten. So war der Nachmittag herangekommen, die Unruhe
U'air geschwunden und das schöne Wetter lockte die Bevölkerung auf die Straßen,
denen meistentheils von Damenhänden aus den geöffneten Fenstern die rothen
und weißen Bändchen, Schleifen und Cocarden, wie ein Schwarm bunter Schmet¬
terlinge herabschwebten, bald zeigte sich auch hier und da eine polnische Fahne
und ehe der Abend kam, trug Alles was sich Pole nennt, bis auf den zerlumpten
Bettler, die nationalen Abzeichen.

Es blieb jedoch nicht bei diesem friedlichen Enthusiasmus, denn gar schnell


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[0241] bestimmte Kreise ab; bald sah man die Polen nur in bestimmten Restaurationen, von denen sich die Deutschen immer mehr zurückzogen. Besorglicher wurde der Zustand, als am U>. März Abends die Berliner Post völlig ausblieb. Wenn aber nach dem wohl vorbereiteten Aufstand der Polen im Jahre 1846 sich die Ansicht festgestellt hatte, daß der Erfolg ein anderer hätte werden müssen, wäre für denselben ein politisch richtigerer Zeitpunkt abgewartet worden, so war es na¬ türlich, daß die Polen nach dem Sturze des französischen Königthums, nach der Erhebung fast sämmtlicher deutschen Staaten, nach der Kunde vom Kampf des Volkes in Berlin, den Augenblick für ihre große Schilderhebung gekommen glaub¬ ten. Montag den 20. März verbreitete sich mit Blitzesschnelle in der Stadt Posen das Gerücht von einem Aufstande. Von der Wallischei her, dem östlich von der Warthe gelegenen, überwiegend von Polen bewohnten Theile der Stadt, sollten bewaffnete Häuser heranziehn. Wie aus der Erde gerufen standen bedeutende Colonnen preußischen Militärs aus den Straßen, das Schloß, in dem der Ober- präsident der Provinz wohnt, wurde stark besetzt und auf dem Kanonen- und Wil¬ helmsplatze concentrirten sich bedeutende Truppenmassen, die Läden wurden ge¬ schlossen, doch kam es zu keinem bedenklichen Auftritt. Die Ursache war eine aus Polen bestehende Deputation, die sich zum Oberpräsidenten mit dem Gesuche begeben hatte, eine Petition an den König berathen und durch Bevollmäch¬ tigte nach Berlin senden zu dürfen. Die Genehmigung wurde ertheilt und auf dieselbe hin bildete sich das polnische Nativnalcomitv aus den Gutsbesitzern Graf Eduard v. Potworowski, Andrzejevski, Berwinsky, Moraszevsli, Land- schastsdirector v. Furochowski und ObriK v. Niegolewsky, den Geistlichen Fromm- hvly und Prusziuowski, den Bürgern Choslowski und Stefanski, so wie dem Bauer Pullacz. Als Deputirte sandte man den Erzbischof v. Przylust'i, den Gra¬ fen Potworowski und Milzyuski, den Justizcommissarius Krauthoser (der später seinen Namen in Krotowski polonisirte) und die deutschen Stadtverordneten Posens ^»»linerzienrach Bielefeld, Landgerichtsrath Boy und Kaufmann Mamroth nach Berlin. — Nach Rückkunft der Deputation von dem Herrn Ob erPräsidenten steckte sich hie und da eine Pole eine Schleife von weißen und rothen Bändchen an, Polizei und Militär wollten es anfänglich hindern, doch bald wurde ihnen jedes Einschrei- höheren Orts verboten. So war der Nachmittag herangekommen, die Unruhe U'air geschwunden und das schöne Wetter lockte die Bevölkerung auf die Straßen, denen meistentheils von Damenhänden aus den geöffneten Fenstern die rothen und weißen Bändchen, Schleifen und Cocarden, wie ein Schwarm bunter Schmet¬ terlinge herabschwebten, bald zeigte sich auch hier und da eine polnische Fahne und ehe der Abend kam, trug Alles was sich Pole nennt, bis auf den zerlumpten Bettler, die nationalen Abzeichen. Es blieb jedoch nicht bei diesem friedlichen Enthusiasmus, denn gar schnell

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/241>, abgerufen am 29.06.2024.