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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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manchen Gegenden zum Himmel schreit. Hier liegt die Hauptaufgabe der neuen
Zeit, dies ist die HerculeSarbeit der neuen Minister, die Last, welche sie heben
müssen oder an der sie untergehen werden. Muß ich sagen, daß ich hier nicht
von der Einführung wüster socialistischer Theorien rede, sondern von Lösung der
praktisch gewordenen Aufgabe einen verständigen, zeitgemäßen, genügenden Volks¬
unterricht in großem Maßstabe einzuführen. Oder glaubt das Finanzministerium
eine gründliche Umgestaltung des Erziehungs - und Armenwesens selbst bei erwei¬
terten Pflichten und Rechten der einzelnen Communen ohne Aufwendung eines Re.
formcapitals von vielen Millionen durchzusetzen? Möge der Finanzminister sich
hüten, daß sein Auge, welches scharf und sicher das Naheliegende durchschaut, sich
nicht als zu kurzsichtig erweise für die Aufgabe einer großen Zukunft. Jetzt den
Kredit über die äußerste Nothwendigkeit anspannen, den der Staat erst wiederge¬
wonnen, heißt dem Staat den Lebensnerv seiner Zukunft durchreißen. -- Findet
der Minister es aber ja nothwendig, -- und ich bestreite die Nothwendigkeit -- eine
oder einzelne Eisenbahnen schon jetzt zu übernehmen, so mag er die noch im Schatz
liegenden Staatschuldscheiue dazu verwenden, im schlimmsten Fall auch neue ma¬
chen, nur kein Papiergeld.

Ein anderes Bedenken gegen die Prinzipien des gegenwärtigen Finanzministe¬
riums liegt in der Ansicht des Finanzministers über die Domänen. Er hält ein
Uebergehen derselben in Privatbesitz für vortheilhaft, sowohl für die Staatskassen,
als für das Volksleben, und hat die Absicht die Ermächtigung zum Verkauf, viel¬
leicht zur Dismembration durchzusetzen. Ein Verkauf der Domänen wäre offenbar
nicht nur eine höchst populäre Maßregel, sondern anch für die Staatskasse sehr
ersprießlich, denn ich glaube nicht, daß sie im Durchschnitt gerechnet gegenwärtig
Mehr als zwei Procent ihres Capitalwerths als Reinertrag in die Staatskasse ab¬
liefern. Trotz alledem ist der ausgedehnte Verkauf derselben ein Unglück für Preu¬
ßen. Der hohe Nutzen und die segensreiche Wirksamkeit dieser Staatsgüter ist
aber wo anders, als in den Finanztabcllen zu suchen. Die Domänen Preußens
sind Hauptwerkstätten landwirtschaftlicher Cultur, sie haben wesentlich dazu beigetra¬
gen, der norddeutschen Landwirthschaft rationelle Unterlagen und die bedeutende und
^ergische Entwickelung zu geben, welche Bewunderung abnöthigt. Ein flüchtiger
Vlick auf die Bewirthschaftung der meisten Staatsgüter in der Mark, Sachsen
und den übrigen Provinzen wird dies bestätigen; nicht zufällig ist es, daß ein
guter Theil der landwirtschaftlichen Autoritäten unserer Zeit Domänenpächter
sind, und seinen guten Grund hat es, daß ihre Pachtungen fast sämmtlich Pflanz¬
schulen für eine intelligente, strebsame Jugend und zum großen Theil Mustcrwirth-
schaften Md. Dies kommt daher, weil sie der praktischen Tüchtigkeit und dem
strebenden Talent ohne sehr große Capitalsanlagen einen weiten Raum für freies
Schaffen eröffnen. Der Pächter einer Domäne bedarf außer seiner Caution, dem
Betriebscapital und vielleicht dem Inventarium kein Vermögen, um die schöpferische


"SrenM-n. III. ,84". Zg

manchen Gegenden zum Himmel schreit. Hier liegt die Hauptaufgabe der neuen
Zeit, dies ist die HerculeSarbeit der neuen Minister, die Last, welche sie heben
müssen oder an der sie untergehen werden. Muß ich sagen, daß ich hier nicht
von der Einführung wüster socialistischer Theorien rede, sondern von Lösung der
praktisch gewordenen Aufgabe einen verständigen, zeitgemäßen, genügenden Volks¬
unterricht in großem Maßstabe einzuführen. Oder glaubt das Finanzministerium
eine gründliche Umgestaltung des Erziehungs - und Armenwesens selbst bei erwei¬
terten Pflichten und Rechten der einzelnen Communen ohne Aufwendung eines Re.
formcapitals von vielen Millionen durchzusetzen? Möge der Finanzminister sich
hüten, daß sein Auge, welches scharf und sicher das Naheliegende durchschaut, sich
nicht als zu kurzsichtig erweise für die Aufgabe einer großen Zukunft. Jetzt den
Kredit über die äußerste Nothwendigkeit anspannen, den der Staat erst wiederge¬
wonnen, heißt dem Staat den Lebensnerv seiner Zukunft durchreißen. — Findet
der Minister es aber ja nothwendig, — und ich bestreite die Nothwendigkeit — eine
oder einzelne Eisenbahnen schon jetzt zu übernehmen, so mag er die noch im Schatz
liegenden Staatschuldscheiue dazu verwenden, im schlimmsten Fall auch neue ma¬
chen, nur kein Papiergeld.

Ein anderes Bedenken gegen die Prinzipien des gegenwärtigen Finanzministe¬
riums liegt in der Ansicht des Finanzministers über die Domänen. Er hält ein
Uebergehen derselben in Privatbesitz für vortheilhaft, sowohl für die Staatskassen,
als für das Volksleben, und hat die Absicht die Ermächtigung zum Verkauf, viel¬
leicht zur Dismembration durchzusetzen. Ein Verkauf der Domänen wäre offenbar
nicht nur eine höchst populäre Maßregel, sondern anch für die Staatskasse sehr
ersprießlich, denn ich glaube nicht, daß sie im Durchschnitt gerechnet gegenwärtig
Mehr als zwei Procent ihres Capitalwerths als Reinertrag in die Staatskasse ab¬
liefern. Trotz alledem ist der ausgedehnte Verkauf derselben ein Unglück für Preu¬
ßen. Der hohe Nutzen und die segensreiche Wirksamkeit dieser Staatsgüter ist
aber wo anders, als in den Finanztabcllen zu suchen. Die Domänen Preußens
sind Hauptwerkstätten landwirtschaftlicher Cultur, sie haben wesentlich dazu beigetra¬
gen, der norddeutschen Landwirthschaft rationelle Unterlagen und die bedeutende und
^ergische Entwickelung zu geben, welche Bewunderung abnöthigt. Ein flüchtiger
Vlick auf die Bewirthschaftung der meisten Staatsgüter in der Mark, Sachsen
und den übrigen Provinzen wird dies bestätigen; nicht zufällig ist es, daß ein
guter Theil der landwirtschaftlichen Autoritäten unserer Zeit Domänenpächter
sind, und seinen guten Grund hat es, daß ihre Pachtungen fast sämmtlich Pflanz¬
schulen für eine intelligente, strebsame Jugend und zum großen Theil Mustcrwirth-
schaften Md. Dies kommt daher, weil sie der praktischen Tüchtigkeit und dem
strebenden Talent ohne sehr große Capitalsanlagen einen weiten Raum für freies
Schaffen eröffnen. Der Pächter einer Domäne bedarf außer seiner Caution, dem
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[0237] manchen Gegenden zum Himmel schreit. Hier liegt die Hauptaufgabe der neuen Zeit, dies ist die HerculeSarbeit der neuen Minister, die Last, welche sie heben müssen oder an der sie untergehen werden. Muß ich sagen, daß ich hier nicht von der Einführung wüster socialistischer Theorien rede, sondern von Lösung der praktisch gewordenen Aufgabe einen verständigen, zeitgemäßen, genügenden Volks¬ unterricht in großem Maßstabe einzuführen. Oder glaubt das Finanzministerium eine gründliche Umgestaltung des Erziehungs - und Armenwesens selbst bei erwei¬ terten Pflichten und Rechten der einzelnen Communen ohne Aufwendung eines Re. formcapitals von vielen Millionen durchzusetzen? Möge der Finanzminister sich hüten, daß sein Auge, welches scharf und sicher das Naheliegende durchschaut, sich nicht als zu kurzsichtig erweise für die Aufgabe einer großen Zukunft. Jetzt den Kredit über die äußerste Nothwendigkeit anspannen, den der Staat erst wiederge¬ wonnen, heißt dem Staat den Lebensnerv seiner Zukunft durchreißen. — Findet der Minister es aber ja nothwendig, — und ich bestreite die Nothwendigkeit — eine oder einzelne Eisenbahnen schon jetzt zu übernehmen, so mag er die noch im Schatz liegenden Staatschuldscheiue dazu verwenden, im schlimmsten Fall auch neue ma¬ chen, nur kein Papiergeld. Ein anderes Bedenken gegen die Prinzipien des gegenwärtigen Finanzministe¬ riums liegt in der Ansicht des Finanzministers über die Domänen. Er hält ein Uebergehen derselben in Privatbesitz für vortheilhaft, sowohl für die Staatskassen, als für das Volksleben, und hat die Absicht die Ermächtigung zum Verkauf, viel¬ leicht zur Dismembration durchzusetzen. Ein Verkauf der Domänen wäre offenbar nicht nur eine höchst populäre Maßregel, sondern anch für die Staatskasse sehr ersprießlich, denn ich glaube nicht, daß sie im Durchschnitt gerechnet gegenwärtig Mehr als zwei Procent ihres Capitalwerths als Reinertrag in die Staatskasse ab¬ liefern. Trotz alledem ist der ausgedehnte Verkauf derselben ein Unglück für Preu¬ ßen. Der hohe Nutzen und die segensreiche Wirksamkeit dieser Staatsgüter ist aber wo anders, als in den Finanztabcllen zu suchen. Die Domänen Preußens sind Hauptwerkstätten landwirtschaftlicher Cultur, sie haben wesentlich dazu beigetra¬ gen, der norddeutschen Landwirthschaft rationelle Unterlagen und die bedeutende und ^ergische Entwickelung zu geben, welche Bewunderung abnöthigt. Ein flüchtiger Vlick auf die Bewirthschaftung der meisten Staatsgüter in der Mark, Sachsen und den übrigen Provinzen wird dies bestätigen; nicht zufällig ist es, daß ein guter Theil der landwirtschaftlichen Autoritäten unserer Zeit Domänenpächter sind, und seinen guten Grund hat es, daß ihre Pachtungen fast sämmtlich Pflanz¬ schulen für eine intelligente, strebsame Jugend und zum großen Theil Mustcrwirth- schaften Md. Dies kommt daher, weil sie der praktischen Tüchtigkeit und dem strebenden Talent ohne sehr große Capitalsanlagen einen weiten Raum für freies Schaffen eröffnen. Der Pächter einer Domäne bedarf außer seiner Caution, dem Betriebscapital und vielleicht dem Inventarium kein Vermögen, um die schöpferische «SrenM-n. III. ,84«. Zg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/237>, abgerufen am 28.09.2024.