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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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boten, war doch bei dem herrschenden Mißtrauen und dem gedrückten Cours aller
Staatspapiere und Börseneffecten leicht vorauszusehen, daß eine solche Operation
die Course auch der alten Staatsschuldscheine noch tiefer herabgedrückt und den
Verkauf sehr schwierig gemacht, jedenfalls höchst bedeutende Einbußen herbeige¬
führt hätte. Die neue Anleihe ni pari zu veräußern, wäre selbst bei 6 pCt. Zinsen
ganz unmöglich gewesen und schon der Gedanke an 1 5 Millionen neuer Staats-
schnldscheine hätte ein Haarsträuben über alle Börsen gebracht. Eine Geldanleihe
gegen mäßige Zinsen von allen guten Leuten, welche Geld zu geben hatten,
war die beste Hilfe. Aber wie die Summe von 15 Millionen, welche durch den
letzten vereinigten Landtag bewilligt worden war, ans den dreimal verschlossenen
Geldkasten herauszaubern, auf denen die Eigenthümer höchst mißtrauisch und kopf¬
schüttelnd saßen? Das Finanzministerium schrieb eine freiwillige Anleihe aus,
versprach fünf Procent Zinsen und erklärte außer dem Geld von patriotischen
Seelen auch verarbeitetes Silber u. s. w. zum Silberwertl) annehmen zu wollen.
Natürlich hatte die Sache schlechten Fortgang, die Taxatoren hatten dnrch einige
Zeit die angenehme Arbeit, silberne Kettchen, Zahnstocher und dergleichen nach
ihrem Groschenwerth taxiren zu müssen und nach Verlauf von mehr als zwei Mo-
,malen waren erst iz Million zusammen, obgleich aus einzelnen Regionen bedeu-
tende Werthe beigesteuert wurden. Da erklärte das Ministerium der Constituante
traurig, da gar keine Aussicht sei die Bedürfnisse des Schatzes durch patriotische
Beiträge zu decken, sei es genöthigt vom 10. August, dem Schlußtermin der frei¬
willigen Einzahlungen, eine Zwangsanleihe zu erheben, die in angemessener Scala
nach der Größe des Vermögens aus allem Capitalistenvermögen von 4000 Thlr.
und aus allen Einkünften von 400 Thlr. aufwärts eingezogen werden müßte; na¬
türlich könnte solche Anleihe nur mit pCt. verzinst werden und es wäre klug,
wenn Alle, denen die Zwangsanleihe drohe, die jetzt gebotene Gelegenheit be¬
nutzten, sich durch Betheiligung bei der freiwilligen Anleihe eine Revenue von
5 pCt. zu sichern. Das half, der Zudrang zu den Annahinestätten wurde eben
so unmäßig, als er früher wünschenswert!) gewesen war, und es ist nicht zu
zweifeln, daß bis Mitte August die Summe von 15 Millionen zusammen sein wird.
Es ist anzunehmen, daß der Finanzminister die Kraft des Landes richtig schätzte
und das Schreckbild der Zmangsanleihe aufhing, um eine freiwillige Betheiligung
zu erzwingen.

Wenn man loben muß, was das Finanzministerium bis jetzt gethan, so ist
ihm noch höher anzurechnen, was es nicht gethan hat. Hansemann hat dem
Drängen, große Summen neues Papiergeld zu creiren, fest widerstanden und
hat die vielerlei dahin zielenden, von Speculanten gearbeiteten Pläne sämmtlich
verworfen. Papiergeld ist ein durch das Machtwort des Staates geschaffenes
Geldzeichen, das seinen Werth nicht in sich trägt, sondern des Vertrauens bedarf,
paß der Staat jeder Zeit im Stande sein werde, dasselbe gegen baares Geld ein-


boten, war doch bei dem herrschenden Mißtrauen und dem gedrückten Cours aller
Staatspapiere und Börseneffecten leicht vorauszusehen, daß eine solche Operation
die Course auch der alten Staatsschuldscheine noch tiefer herabgedrückt und den
Verkauf sehr schwierig gemacht, jedenfalls höchst bedeutende Einbußen herbeige¬
führt hätte. Die neue Anleihe ni pari zu veräußern, wäre selbst bei 6 pCt. Zinsen
ganz unmöglich gewesen und schon der Gedanke an 1 5 Millionen neuer Staats-
schnldscheine hätte ein Haarsträuben über alle Börsen gebracht. Eine Geldanleihe
gegen mäßige Zinsen von allen guten Leuten, welche Geld zu geben hatten,
war die beste Hilfe. Aber wie die Summe von 15 Millionen, welche durch den
letzten vereinigten Landtag bewilligt worden war, ans den dreimal verschlossenen
Geldkasten herauszaubern, auf denen die Eigenthümer höchst mißtrauisch und kopf¬
schüttelnd saßen? Das Finanzministerium schrieb eine freiwillige Anleihe aus,
versprach fünf Procent Zinsen und erklärte außer dem Geld von patriotischen
Seelen auch verarbeitetes Silber u. s. w. zum Silberwertl) annehmen zu wollen.
Natürlich hatte die Sache schlechten Fortgang, die Taxatoren hatten dnrch einige
Zeit die angenehme Arbeit, silberne Kettchen, Zahnstocher und dergleichen nach
ihrem Groschenwerth taxiren zu müssen und nach Verlauf von mehr als zwei Mo-
,malen waren erst iz Million zusammen, obgleich aus einzelnen Regionen bedeu-
tende Werthe beigesteuert wurden. Da erklärte das Ministerium der Constituante
traurig, da gar keine Aussicht sei die Bedürfnisse des Schatzes durch patriotische
Beiträge zu decken, sei es genöthigt vom 10. August, dem Schlußtermin der frei¬
willigen Einzahlungen, eine Zwangsanleihe zu erheben, die in angemessener Scala
nach der Größe des Vermögens aus allem Capitalistenvermögen von 4000 Thlr.
und aus allen Einkünften von 400 Thlr. aufwärts eingezogen werden müßte; na¬
türlich könnte solche Anleihe nur mit pCt. verzinst werden und es wäre klug,
wenn Alle, denen die Zwangsanleihe drohe, die jetzt gebotene Gelegenheit be¬
nutzten, sich durch Betheiligung bei der freiwilligen Anleihe eine Revenue von
5 pCt. zu sichern. Das half, der Zudrang zu den Annahinestätten wurde eben
so unmäßig, als er früher wünschenswert!) gewesen war, und es ist nicht zu
zweifeln, daß bis Mitte August die Summe von 15 Millionen zusammen sein wird.
Es ist anzunehmen, daß der Finanzminister die Kraft des Landes richtig schätzte
und das Schreckbild der Zmangsanleihe aufhing, um eine freiwillige Betheiligung
zu erzwingen.

Wenn man loben muß, was das Finanzministerium bis jetzt gethan, so ist
ihm noch höher anzurechnen, was es nicht gethan hat. Hansemann hat dem
Drängen, große Summen neues Papiergeld zu creiren, fest widerstanden und
hat die vielerlei dahin zielenden, von Speculanten gearbeiteten Pläne sämmtlich
verworfen. Papiergeld ist ein durch das Machtwort des Staates geschaffenes
Geldzeichen, das seinen Werth nicht in sich trägt, sondern des Vertrauens bedarf,
paß der Staat jeder Zeit im Stande sein werde, dasselbe gegen baares Geld ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/232>, abgerufen am 29.06.2024.