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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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missen. Wo Papiergeld geschaffen wird, müssen auch Kräfte und Anordnungen
vorhanden sein, welche einen augenblicklichen, stets bereiten Umtausch desselben
gegen Silber möglich machen. Und es genügt hier keineswegs, daß der Staat,
wie in Preußen selbst bei Vermehrung des Papiergeldes der Fall sein würde, ein
Capitalsvermögen an Gütern, Grundstücken und Anlagen besitzt, dessen niedrigster
Taxwerth den Betrag des Papiergeldes überstiege. Denn abgesehen davon, daß
solche Werthe schwankend und veränderlich sind und in Zeiten der Aufregung und
finanziellen Erschlaffung eben so, ja noch mehr entwerthet werden, als die flüssi¬
gen Stellvertreter des baaren Geldes, so leiden sie noch zu allen Zeiten an dem
Uebelstand, daß ihr eigener Verkauf, d. h. ihr Umsatz in baares Geld, welcher
doch nothwendig vorausgehen muß, ehe sie zur Deckung dienen können, schwierig
und weitläufig ist, in Zeiten der finanziellen Verlegenheit aber gar nicht bewirkt
werden kann. Wohl mögen sie eine hinreichende Sicherheit für verzinsliche Staats¬
schuldscheine darbieten, welche man gleich den landschaftlichen Pfandbriefen als
Hypothekeninstrumente betrachten kann; denn bei der Ausgabe von Schuldscheinen
schreibt der Staat die Einlösnngs- und Tilgungsform selbst vor, er vertheilt die
Einlösung auf eine Reihe von Jahren und kündigt die festgesetzten Quoten in be¬
stimmten Fristen; ganz anders ist es mit unverzinslichen Papiergeld. Jeder Tag,
jeder Schrecken kann das Vertrauen des Volkes zu seinem Geldzeichen so erschüt¬
tern, daß es massenhaft den Austausch gegen Silber begehrt, und ein solcher Kas¬
sensturm wird verhängnißvoll für die Besitzer des Papiergeldes, wie für den Staat,
wenn die Mittel zur Einlösung nicht sicher sind, nicht stets bereit liegen. Denn
in diesem Fall sinkt der Werth des Papiers dem baaren Geld gegenüber augen¬
blicklich, es entstehen Coursdifferenzen in den kleinen Kreisen des Volkslebens,
wo der Verlust von Silbergroschen ein Unglück wird und die nothwendige Folge
davon sind allgemeine Entmuthigung und Erbitterung, Lähmung des Verkehrs und
tätliche Gefährdung des Staatscredits. Sehr theuer und mit vielen Schmerzen
seit Law das Menschengeschlecht diese Lehre bezahlt; die Bankerotte der Staa¬
tenbanken in Amerika, jetzt die östreichische Bankkrisis sind die traurigen Beweise
dafür. Wenn die Oestreicher es für ein Glück halten, daß die Entwerthung ihrer
Banknoten nicht den Staat direct, sondern nnr ein offizielles Privatinstitut treffe,
so ist zwar im Allgemeinen richtig, daß Banknoten besser von Privatinstituten als
vom Staat ausgegeben werden, vorausgesetzt, daß diese solid sind, aber für Oest¬
reich ist de,g ein seltsamer Trostgrund. Denn gerade der Umstand, daß sein Hanpt-
verkehrsmittel, was doch für allen geschäftlichen Umsatz entschieden die Banknoten
find, kein metallnes Staatsgcld, sondern nnr das Geldzeichen eines Privatinsti¬
tuts ist, wäre -- bei den Handelsverhältnissen Oestreichs -- sür sich allein schon
Symptom eines abenteuerlichen und ungefügen Finanzwesens, auch wenn man
seine Geschieb^ nicht wüßte, die nicht viel besser ist als ein 80jähriger Bankerott.
Und wenn die Entwerthung der Banknoten Verstimmung, Verfall des Handels,


missen. Wo Papiergeld geschaffen wird, müssen auch Kräfte und Anordnungen
vorhanden sein, welche einen augenblicklichen, stets bereiten Umtausch desselben
gegen Silber möglich machen. Und es genügt hier keineswegs, daß der Staat,
wie in Preußen selbst bei Vermehrung des Papiergeldes der Fall sein würde, ein
Capitalsvermögen an Gütern, Grundstücken und Anlagen besitzt, dessen niedrigster
Taxwerth den Betrag des Papiergeldes überstiege. Denn abgesehen davon, daß
solche Werthe schwankend und veränderlich sind und in Zeiten der Aufregung und
finanziellen Erschlaffung eben so, ja noch mehr entwerthet werden, als die flüssi¬
gen Stellvertreter des baaren Geldes, so leiden sie noch zu allen Zeiten an dem
Uebelstand, daß ihr eigener Verkauf, d. h. ihr Umsatz in baares Geld, welcher
doch nothwendig vorausgehen muß, ehe sie zur Deckung dienen können, schwierig
und weitläufig ist, in Zeiten der finanziellen Verlegenheit aber gar nicht bewirkt
werden kann. Wohl mögen sie eine hinreichende Sicherheit für verzinsliche Staats¬
schuldscheine darbieten, welche man gleich den landschaftlichen Pfandbriefen als
Hypothekeninstrumente betrachten kann; denn bei der Ausgabe von Schuldscheinen
schreibt der Staat die Einlösnngs- und Tilgungsform selbst vor, er vertheilt die
Einlösung auf eine Reihe von Jahren und kündigt die festgesetzten Quoten in be¬
stimmten Fristen; ganz anders ist es mit unverzinslichen Papiergeld. Jeder Tag,
jeder Schrecken kann das Vertrauen des Volkes zu seinem Geldzeichen so erschüt¬
tern, daß es massenhaft den Austausch gegen Silber begehrt, und ein solcher Kas¬
sensturm wird verhängnißvoll für die Besitzer des Papiergeldes, wie für den Staat,
wenn die Mittel zur Einlösung nicht sicher sind, nicht stets bereit liegen. Denn
in diesem Fall sinkt der Werth des Papiers dem baaren Geld gegenüber augen¬
blicklich, es entstehen Coursdifferenzen in den kleinen Kreisen des Volkslebens,
wo der Verlust von Silbergroschen ein Unglück wird und die nothwendige Folge
davon sind allgemeine Entmuthigung und Erbitterung, Lähmung des Verkehrs und
tätliche Gefährdung des Staatscredits. Sehr theuer und mit vielen Schmerzen
seit Law das Menschengeschlecht diese Lehre bezahlt; die Bankerotte der Staa¬
tenbanken in Amerika, jetzt die östreichische Bankkrisis sind die traurigen Beweise
dafür. Wenn die Oestreicher es für ein Glück halten, daß die Entwerthung ihrer
Banknoten nicht den Staat direct, sondern nnr ein offizielles Privatinstitut treffe,
so ist zwar im Allgemeinen richtig, daß Banknoten besser von Privatinstituten als
vom Staat ausgegeben werden, vorausgesetzt, daß diese solid sind, aber für Oest¬
reich ist de,g ein seltsamer Trostgrund. Denn gerade der Umstand, daß sein Hanpt-
verkehrsmittel, was doch für allen geschäftlichen Umsatz entschieden die Banknoten
find, kein metallnes Staatsgcld, sondern nnr das Geldzeichen eines Privatinsti¬
tuts ist, wäre — bei den Handelsverhältnissen Oestreichs — sür sich allein schon
Symptom eines abenteuerlichen und ungefügen Finanzwesens, auch wenn man
seine Geschieb^ nicht wüßte, die nicht viel besser ist als ein 80jähriger Bankerott.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/233>, abgerufen am 29.06.2024.