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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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des Toleranzkönigs durfte dreimal verhaßter sein, als er es war, so hätte dies
die Bourgeoisie nicht verhindert, ihr Eigenthum und ihr Leben auf das Hel-
denmüthigste zu vertheidigen. "Wenn" auf den Februarbarricaden so artige Fähn¬
lein geflattert und so sinnreiche Devisen geglänzt hätten, wie auf denen im Juni
-- inen't aux ni-onri'etiüres! -- viünljueuis, I"z >,iIll"Ac, viüncus, l'incoixli"! --
glauben Sie, daß auch dann die Studenten mit rcvolutionirt hätten, daß die
Nationalgarde mit den Barricadiers gemeine Sache gemacht und die Ligne be¬
schworen hätte, Gewehr in Arm stehen zu bleiben und mit dem piznnie xouvroux
zu fraternisiren? -- --

Eine Antwort auf diese Frage ist wohl überflüssig. Die Jünger von Barbvs
und Blcmqui aber wären gewiß fein ruhig zu Hause geblieben, wenn sie am 23.
Juni sich jene Frage hätten stellen wollen. Viele von den Theilnehmern am letzten
Kampf, die das Glück hatten, der Gefangennehmung zu entgehen, entschuldigen
jetzt den Wahnsinn ihres Beginnens damit, daß sie erstens darauf gerechnet hätten,
die Nationalgarde werde, wie im Februar, sich neutral verhalten und zweitens
hätten sie vorausgesetzt, die Garde Mohne werde, ohne sich zu besinnen, zu ihnen
übergehen, denn die Mohne besteht aus jungen Leuten und wie sollten junge Leute
zaudern, jedem ,,cri "I<; revolution" jauchzend zu antworten? In der That wur¬
den die Mohnes, welche in die Hände der Aufrührer sielen, von diesen als "Ver¬
räther" angesehen und deshalb mit so ausgesuchter Grausamkeit mißhandelt.

Der Proceß gegen die Insurgenten naht übrigens seinem Ende, denn die
Republik ist zu dem Entschluß gekommen, den Knoten dieser verwickelten Niesen-
nntersuchung durch eine allgemeine Amnestie zu lösen, von welcher blos die gemein¬
sten Missethäter, wie z. B. die Mörder des Generals Brca, ausgenommen blei¬
ben sollen. Die "Deportation" war eine Eingebung des ersten Schreckens nud
da sie einige Tausende betroffen, sechzig tausend Ouvriers erbittert, zur Reinigung
der Hauptstadt von gefährlichen Elementen aber doch nicht ausgereicht hätte, so ist
ihr die Amnestie gewiß vorzuziehen; die Hockherzigkeit einer solchen Maßregel
imponirt dem Volke, weil sie Muth und Vertrauen zeigt, während die Verstär¬
kung, welche sie den Feinden der Ordnung für die Zukunft in Aussicht stellt,
nicht sehr bedeutend ist.

Um so ängstlicher werden die Geburtsstätten der Emeute, die Clubs, über¬
wacht. Ein Gesetzentwurf über die Beschränkungen des Vereinsrechtes zählt bereits
13 in der Nationalversammlung discutirte Artikel und athmet einen Polizeigeist,
welcher dem vormärzlichen Preußen alle Ehre gemacht hätte *). Der zweite Artikel
des vorgeschlagenen Dekrets verlangt nicht nur, daß jeder Club, gleichviel ob ein
politischer oder uichtpolitischer, einen Polizeibeamten bei seinen Sitzungen zulasse



*) Das Dekret ist bereits nach einem fehlgeschlagenen Versuch der äußersten Linken, es
durch ein Unarten.ut zu mildern, mit einer Majorität von K29 gegen Ivv Stimmen ange¬
nommen worden Die Red. .

des Toleranzkönigs durfte dreimal verhaßter sein, als er es war, so hätte dies
die Bourgeoisie nicht verhindert, ihr Eigenthum und ihr Leben auf das Hel-
denmüthigste zu vertheidigen. „Wenn" auf den Februarbarricaden so artige Fähn¬
lein geflattert und so sinnreiche Devisen geglänzt hätten, wie auf denen im Juni
— inen't aux ni-onri'etiüres! — viünljueuis, I«z >,iIll»Ac, viüncus, l'incoixli«! —
glauben Sie, daß auch dann die Studenten mit rcvolutionirt hätten, daß die
Nationalgarde mit den Barricadiers gemeine Sache gemacht und die Ligne be¬
schworen hätte, Gewehr in Arm stehen zu bleiben und mit dem piznnie xouvroux
zu fraternisiren? — —

Eine Antwort auf diese Frage ist wohl überflüssig. Die Jünger von Barbvs
und Blcmqui aber wären gewiß fein ruhig zu Hause geblieben, wenn sie am 23.
Juni sich jene Frage hätten stellen wollen. Viele von den Theilnehmern am letzten
Kampf, die das Glück hatten, der Gefangennehmung zu entgehen, entschuldigen
jetzt den Wahnsinn ihres Beginnens damit, daß sie erstens darauf gerechnet hätten,
die Nationalgarde werde, wie im Februar, sich neutral verhalten und zweitens
hätten sie vorausgesetzt, die Garde Mohne werde, ohne sich zu besinnen, zu ihnen
übergehen, denn die Mohne besteht aus jungen Leuten und wie sollten junge Leute
zaudern, jedem ,,cri «I<; revolution" jauchzend zu antworten? In der That wur¬
den die Mohnes, welche in die Hände der Aufrührer sielen, von diesen als „Ver¬
räther" angesehen und deshalb mit so ausgesuchter Grausamkeit mißhandelt.

Der Proceß gegen die Insurgenten naht übrigens seinem Ende, denn die
Republik ist zu dem Entschluß gekommen, den Knoten dieser verwickelten Niesen-
nntersuchung durch eine allgemeine Amnestie zu lösen, von welcher blos die gemein¬
sten Missethäter, wie z. B. die Mörder des Generals Brca, ausgenommen blei¬
ben sollen. Die „Deportation" war eine Eingebung des ersten Schreckens nud
da sie einige Tausende betroffen, sechzig tausend Ouvriers erbittert, zur Reinigung
der Hauptstadt von gefährlichen Elementen aber doch nicht ausgereicht hätte, so ist
ihr die Amnestie gewiß vorzuziehen; die Hockherzigkeit einer solchen Maßregel
imponirt dem Volke, weil sie Muth und Vertrauen zeigt, während die Verstär¬
kung, welche sie den Feinden der Ordnung für die Zukunft in Aussicht stellt,
nicht sehr bedeutend ist.

Um so ängstlicher werden die Geburtsstätten der Emeute, die Clubs, über¬
wacht. Ein Gesetzentwurf über die Beschränkungen des Vereinsrechtes zählt bereits
13 in der Nationalversammlung discutirte Artikel und athmet einen Polizeigeist,
welcher dem vormärzlichen Preußen alle Ehre gemacht hätte *). Der zweite Artikel
des vorgeschlagenen Dekrets verlangt nicht nur, daß jeder Club, gleichviel ob ein
politischer oder uichtpolitischer, einen Polizeibeamten bei seinen Sitzungen zulasse



*) Das Dekret ist bereits nach einem fehlgeschlagenen Versuch der äußersten Linken, es
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nommen worden Die Red. .
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/217>, abgerufen am 29.06.2024.