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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Adel vertauscht hatte, ohne deshalb für Preußen eine bessere Stimmung zu ge¬
winnen in einem Volk, dessen auss.lließlicher Inhalt der Haß gegen seine "Unter¬
drücker" geworden war. Graf Arnim scheint bei aller staatsmännischen Vorsicht
Momenten eines fliegenden Enthusiasmus uicht unzugänglich. Der deutsche Königs¬
ritt fällt in die Zeit seiner Verwaltung und die polnischen Deputirten erhielten
gesprächsweise Zusicherung einer Sympathie, deren bestimmten Umfang man gar
nicht übersehen konnte. Was das Volk betrifft, so ist wohl augenscheinlich, daß
der neuerwachte Freiheitstrieb, der nun, nachdem er mit den preußischen Garden
fertig war, sich nach einem Gegenstand umsah, es auf einen Krieg gegen Ru߬
land gemünzt hatte, das mau sich gar nicht schauderhaft genug vorstellen konnte
und mit Polen und Franzosen Hand in Hand einen Kreuzzug gegen die Barbaren
des Ostens in Aussicht stellte. Was die eigenthümliche Lage der Provinz Posen
betrifft, so hatte man in Berlin, das über dergleichen concrete Bestimmtheiten
stets hinauszusein strebte, eigentlich gar keine Vorstellung davon.

Die Polen bildeten nun schnell ein Nationalcomitv, das Volk wurde bewaff¬
net und mit der Reorganisation eifrig fortgeschritten. Die erstaunten Behörden,
dnrch sich kreuzende Verordnungen in Verwirrung gesetzt, sahen unthätig zu. Die
Polen wurden ungeduldig, als sich das neue polnische Reich nicht augenblicklich
aus der Lust auf die polnische Erde herabsenken wollte; sie hatten nun an Posen
schon nicht genug, sie machten ihr historisches Anrecht auf Westpreußen, einen
Theil von Schlesien geltend und die widerwärtigsten Rodomontaden stimmten schnell
genug die Begeisterung der Deutschen herab. In einer Volksversammlung, etwa
14 Tage nach der Revolution, machte ein Pole den Berlinern die heftigsten Vor¬
würfe, daß Polen noch nicht wieder hergestellt sei. Nur schüchtern wagte, der Vor¬
sitzende, Herr v. Hvltzendorf, darauf zu replicireu, daß man die Revolution doch
nicht lediglich zu Gunsten Polens gemacht habe. Darauf gaben sich in der Person
ihrer Vertreter Deutschland und Polen die Hände und verhießen sich ein gegen¬
seitiges Schlitz- und Trutzbündniß.

Das Nationalcomite beging zwei Fehler. Einmal überstürzte es sich in sei¬
ner Hoffnung und machte dadurch seine Stellung unmöglich, sodann war es un¬
wahr gegen die Deutschen in Posen. Indem es äußerlich mit ihnen ftaternisirte,
begünstigte es den fanatischen Einfluß der Geistlichen und Demagogen, die von
dem Tode des Königs von Preußen sprachen und die Befreiung der katholischen
Kirche von den protestantischen Bedrückern verkündeten. Ein und der andere junge
Edelmann knöpfte im Gespräch mit seinem Bauer den Oberrock auf und ließ den
Stern des künftigen Königs sehen.

Aber auf der andern Seite darf mau uicht verkennen, daß die Stellung des
preußischen Gouvernements eine eben so zweideutige war - - wenn diese auch durch
den Umschwung der Ereignisse, durch die Unbekanntschaft des neuen Ministeriums
Camphausen mit allen Einzelheiten der Verwaltung entschuldigt werden mag. Wa"


Adel vertauscht hatte, ohne deshalb für Preußen eine bessere Stimmung zu ge¬
winnen in einem Volk, dessen auss.lließlicher Inhalt der Haß gegen seine „Unter¬
drücker" geworden war. Graf Arnim scheint bei aller staatsmännischen Vorsicht
Momenten eines fliegenden Enthusiasmus uicht unzugänglich. Der deutsche Königs¬
ritt fällt in die Zeit seiner Verwaltung und die polnischen Deputirten erhielten
gesprächsweise Zusicherung einer Sympathie, deren bestimmten Umfang man gar
nicht übersehen konnte. Was das Volk betrifft, so ist wohl augenscheinlich, daß
der neuerwachte Freiheitstrieb, der nun, nachdem er mit den preußischen Garden
fertig war, sich nach einem Gegenstand umsah, es auf einen Krieg gegen Ru߬
land gemünzt hatte, das mau sich gar nicht schauderhaft genug vorstellen konnte
und mit Polen und Franzosen Hand in Hand einen Kreuzzug gegen die Barbaren
des Ostens in Aussicht stellte. Was die eigenthümliche Lage der Provinz Posen
betrifft, so hatte man in Berlin, das über dergleichen concrete Bestimmtheiten
stets hinauszusein strebte, eigentlich gar keine Vorstellung davon.

Die Polen bildeten nun schnell ein Nationalcomitv, das Volk wurde bewaff¬
net und mit der Reorganisation eifrig fortgeschritten. Die erstaunten Behörden,
dnrch sich kreuzende Verordnungen in Verwirrung gesetzt, sahen unthätig zu. Die
Polen wurden ungeduldig, als sich das neue polnische Reich nicht augenblicklich
aus der Lust auf die polnische Erde herabsenken wollte; sie hatten nun an Posen
schon nicht genug, sie machten ihr historisches Anrecht auf Westpreußen, einen
Theil von Schlesien geltend und die widerwärtigsten Rodomontaden stimmten schnell
genug die Begeisterung der Deutschen herab. In einer Volksversammlung, etwa
14 Tage nach der Revolution, machte ein Pole den Berlinern die heftigsten Vor¬
würfe, daß Polen noch nicht wieder hergestellt sei. Nur schüchtern wagte, der Vor¬
sitzende, Herr v. Hvltzendorf, darauf zu replicireu, daß man die Revolution doch
nicht lediglich zu Gunsten Polens gemacht habe. Darauf gaben sich in der Person
ihrer Vertreter Deutschland und Polen die Hände und verhießen sich ein gegen¬
seitiges Schlitz- und Trutzbündniß.

Das Nationalcomite beging zwei Fehler. Einmal überstürzte es sich in sei¬
ner Hoffnung und machte dadurch seine Stellung unmöglich, sodann war es un¬
wahr gegen die Deutschen in Posen. Indem es äußerlich mit ihnen ftaternisirte,
begünstigte es den fanatischen Einfluß der Geistlichen und Demagogen, die von
dem Tode des Königs von Preußen sprachen und die Befreiung der katholischen
Kirche von den protestantischen Bedrückern verkündeten. Ein und der andere junge
Edelmann knöpfte im Gespräch mit seinem Bauer den Oberrock auf und ließ den
Stern des künftigen Königs sehen.

Aber auf der andern Seite darf mau uicht verkennen, daß die Stellung des
preußischen Gouvernements eine eben so zweideutige war - - wenn diese auch durch
den Umschwung der Ereignisse, durch die Unbekanntschaft des neuen Ministeriums
Camphausen mit allen Einzelheiten der Verwaltung entschuldigt werden mag. Wa»


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[0209] Adel vertauscht hatte, ohne deshalb für Preußen eine bessere Stimmung zu ge¬ winnen in einem Volk, dessen auss.lließlicher Inhalt der Haß gegen seine „Unter¬ drücker" geworden war. Graf Arnim scheint bei aller staatsmännischen Vorsicht Momenten eines fliegenden Enthusiasmus uicht unzugänglich. Der deutsche Königs¬ ritt fällt in die Zeit seiner Verwaltung und die polnischen Deputirten erhielten gesprächsweise Zusicherung einer Sympathie, deren bestimmten Umfang man gar nicht übersehen konnte. Was das Volk betrifft, so ist wohl augenscheinlich, daß der neuerwachte Freiheitstrieb, der nun, nachdem er mit den preußischen Garden fertig war, sich nach einem Gegenstand umsah, es auf einen Krieg gegen Ru߬ land gemünzt hatte, das mau sich gar nicht schauderhaft genug vorstellen konnte und mit Polen und Franzosen Hand in Hand einen Kreuzzug gegen die Barbaren des Ostens in Aussicht stellte. Was die eigenthümliche Lage der Provinz Posen betrifft, so hatte man in Berlin, das über dergleichen concrete Bestimmtheiten stets hinauszusein strebte, eigentlich gar keine Vorstellung davon. Die Polen bildeten nun schnell ein Nationalcomitv, das Volk wurde bewaff¬ net und mit der Reorganisation eifrig fortgeschritten. Die erstaunten Behörden, dnrch sich kreuzende Verordnungen in Verwirrung gesetzt, sahen unthätig zu. Die Polen wurden ungeduldig, als sich das neue polnische Reich nicht augenblicklich aus der Lust auf die polnische Erde herabsenken wollte; sie hatten nun an Posen schon nicht genug, sie machten ihr historisches Anrecht auf Westpreußen, einen Theil von Schlesien geltend und die widerwärtigsten Rodomontaden stimmten schnell genug die Begeisterung der Deutschen herab. In einer Volksversammlung, etwa 14 Tage nach der Revolution, machte ein Pole den Berlinern die heftigsten Vor¬ würfe, daß Polen noch nicht wieder hergestellt sei. Nur schüchtern wagte, der Vor¬ sitzende, Herr v. Hvltzendorf, darauf zu replicireu, daß man die Revolution doch nicht lediglich zu Gunsten Polens gemacht habe. Darauf gaben sich in der Person ihrer Vertreter Deutschland und Polen die Hände und verhießen sich ein gegen¬ seitiges Schlitz- und Trutzbündniß. Das Nationalcomite beging zwei Fehler. Einmal überstürzte es sich in sei¬ ner Hoffnung und machte dadurch seine Stellung unmöglich, sodann war es un¬ wahr gegen die Deutschen in Posen. Indem es äußerlich mit ihnen ftaternisirte, begünstigte es den fanatischen Einfluß der Geistlichen und Demagogen, die von dem Tode des Königs von Preußen sprachen und die Befreiung der katholischen Kirche von den protestantischen Bedrückern verkündeten. Ein und der andere junge Edelmann knöpfte im Gespräch mit seinem Bauer den Oberrock auf und ließ den Stern des künftigen Königs sehen. Aber auf der andern Seite darf mau uicht verkennen, daß die Stellung des preußischen Gouvernements eine eben so zweideutige war - - wenn diese auch durch den Umschwung der Ereignisse, durch die Unbekanntschaft des neuen Ministeriums Camphausen mit allen Einzelheiten der Verwaltung entschuldigt werden mag. Wa»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/209>, abgerufen am 29.06.2024.