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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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gesetzten Falle zu der ultim" r-dew rorum gegriffen werden muß, das ist eine
Frage, die nach dem Interesse Deutschlands zu entscheiden ist. Aber mit dem
Schluß anzufangen, ist mindestens voreilig.




Wenn wir die internationalen Verhältnisse weiter verfolgen, so stoßen wir
zunächst auf Schleswig-Holstein: eine Frage, die mit der Limburger große
Aehnlichkeit hat, obgleich hier der entschiedene Wille eines stammverwandten Volkes,
einem fremden Gebieter nicht mehr zu gehorchen, als ein wesentliches Moment
hinzukommt. Die Unterhandlungen find um gescheitert, der Krieg beginnt von
Neuem und der Handel der Ostseeländer wird neuen Vexationen unterworfen.
Die Erklärung des Reichsminifteriums läßt nun allerdings hoffen, daß diesmal
der Krieg ernster und Mit größern Mitteln geführt werden wird, als bisher.
Wenn einmal Waffen die Lösung sein sollen, so darf man damit nicht spielen.
Jenes Spiel lag übrigens weder in der Schuld des ausgezeichneten Feldherrn --
den die radikale Partei gern in Opposition gegen die preußische Regierung gesetzt
hatte, weil sie für Ereignisse, wie der bekannte Brief des Generals an den
Prinzen von Preußen, ein ziemlich kurzes Gedächtniß hat -- noch in der des preu¬
ßischen Staats, der wahrhaftig auch in diesen Fragen sich wieder für die deutsche
Sache aufgeopfert hat. Selbst um Jütland dauernd zu besetzen -- eigentlich auch,
noch kein entscheidender Schritt -- ist die Aufbietung einer Heermasse nothwendig,
die für einen anscheinend viel größern Krieg ausreichen würde. Die Einmischung
Schwedens hat weniger zu bedeuten, da Nußland in der Nesselrode'schen Circular-
note eine Sprache führt, die wenigstens so friedlich klingt, als es die Umstände
irgend erlauben wollen. Diesen einmal angefangenen Krieg müssen wir nun soweit
durchführen, daß er zu des Reiches Nutzen und Frommen ausschlägt; aber eben
darum ist es dringend nothwendig, uus die andern Seiten frei zu halten und
nicht z. B. mit Niederland uus in eine Verwickelung einzulassen, deren Ausdeh¬
nung wir gar nicht zu ermessen im Stande sind.

Günstiger gestaltet es sich in den südöstlichen Grenzen. Die Ungarn, die
bisher mit einer Art burschikosein Ungestüm nach allen Seiten hin aufschlugen,
sind seit ihrem Zusammenstoß mit den Kroaten einigermaßen zu dem Bewußtsein
gekommen, daß sie sich auf Deutschland stützen müssen, um sich selber zu erhalten.
Kossuth ist, bei allem theatralischen Anstrich, den er seinem Auftreten zu geben
weiß, ein besonnener und gewitzter Mann, und die Entscheidung, die er dem
jugendlichen Reichstag zu Gunsten Oestreichs in Italien abzubringen wußte, macht
eben so seinem Talent, das Volk zu behandeln, als feiner politischen Einsicht
Ehre. Ans den Erfolg des italienischen Kriegs und auf den Abschluß eines ehren¬
vollen Friedens wird diese Entscheidung des Reichstags von dem segensreichsten
Einfluß sein; um so mehr, da man mit ziemlicher Sicherheit voraussehen kann,
die Uebernahme eines Theils der östreichischen Staatsschuld werde jener ersten


gesetzten Falle zu der ultim» r-dew rorum gegriffen werden muß, das ist eine
Frage, die nach dem Interesse Deutschlands zu entscheiden ist. Aber mit dem
Schluß anzufangen, ist mindestens voreilig.




Wenn wir die internationalen Verhältnisse weiter verfolgen, so stoßen wir
zunächst auf Schleswig-Holstein: eine Frage, die mit der Limburger große
Aehnlichkeit hat, obgleich hier der entschiedene Wille eines stammverwandten Volkes,
einem fremden Gebieter nicht mehr zu gehorchen, als ein wesentliches Moment
hinzukommt. Die Unterhandlungen find um gescheitert, der Krieg beginnt von
Neuem und der Handel der Ostseeländer wird neuen Vexationen unterworfen.
Die Erklärung des Reichsminifteriums läßt nun allerdings hoffen, daß diesmal
der Krieg ernster und Mit größern Mitteln geführt werden wird, als bisher.
Wenn einmal Waffen die Lösung sein sollen, so darf man damit nicht spielen.
Jenes Spiel lag übrigens weder in der Schuld des ausgezeichneten Feldherrn —
den die radikale Partei gern in Opposition gegen die preußische Regierung gesetzt
hatte, weil sie für Ereignisse, wie der bekannte Brief des Generals an den
Prinzen von Preußen, ein ziemlich kurzes Gedächtniß hat — noch in der des preu¬
ßischen Staats, der wahrhaftig auch in diesen Fragen sich wieder für die deutsche
Sache aufgeopfert hat. Selbst um Jütland dauernd zu besetzen — eigentlich auch,
noch kein entscheidender Schritt — ist die Aufbietung einer Heermasse nothwendig,
die für einen anscheinend viel größern Krieg ausreichen würde. Die Einmischung
Schwedens hat weniger zu bedeuten, da Nußland in der Nesselrode'schen Circular-
note eine Sprache führt, die wenigstens so friedlich klingt, als es die Umstände
irgend erlauben wollen. Diesen einmal angefangenen Krieg müssen wir nun soweit
durchführen, daß er zu des Reiches Nutzen und Frommen ausschlägt; aber eben
darum ist es dringend nothwendig, uus die andern Seiten frei zu halten und
nicht z. B. mit Niederland uus in eine Verwickelung einzulassen, deren Ausdeh¬
nung wir gar nicht zu ermessen im Stande sind.

Günstiger gestaltet es sich in den südöstlichen Grenzen. Die Ungarn, die
bisher mit einer Art burschikosein Ungestüm nach allen Seiten hin aufschlugen,
sind seit ihrem Zusammenstoß mit den Kroaten einigermaßen zu dem Bewußtsein
gekommen, daß sie sich auf Deutschland stützen müssen, um sich selber zu erhalten.
Kossuth ist, bei allem theatralischen Anstrich, den er seinem Auftreten zu geben
weiß, ein besonnener und gewitzter Mann, und die Entscheidung, die er dem
jugendlichen Reichstag zu Gunsten Oestreichs in Italien abzubringen wußte, macht
eben so seinem Talent, das Volk zu behandeln, als feiner politischen Einsicht
Ehre. Ans den Erfolg des italienischen Kriegs und auf den Abschluß eines ehren¬
vollen Friedens wird diese Entscheidung des Reichstags von dem segensreichsten
Einfluß sein; um so mehr, da man mit ziemlicher Sicherheit voraussehen kann,
die Uebernahme eines Theils der östreichischen Staatsschuld werde jener ersten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/206>, abgerufen am 29.06.2024.