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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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träglicher Einwilligung der bisherigen Souveräne, einen Staat nach dem andern
dem seinigen einzuverleiben, bis endlich ganz Deutschland mit Ausnahme von
Limburg dazu gehört hätte und in Folge dessen hätte er nun den Rechtsanspruch
erhoben, daß Limburg von seinem bisherigen Verband mit dem Königreich der
Niederlande gelöst und realiter mit dem "übrigen Deutschland" vereinigt werden
sollte; hätte sich Niederland einem solchen Anspruch ohne Weiteres gefügt?

Oder ein anderer Fall. Die republikanische Partei hätte den Sieg davon¬
getragen und die Nationalversammlung hätte sämmtliche Fürsten mediatisirt -- sie
schreibt sich ja ohnehin das Recht zu! -- Indem sie nun die Abschaffung aller
monarchischen Herrschaft als Grundgesetz aufgestellt hätte, wäre dann da auch wohl
der Herzog vou Limburg rechtlich seiner Stellung enthoben?

Und im Wesentlichen sind wir in demselben Fall. Es wird immer von einem
Herzog von Limburg geredet, der von dem König der Niederlande verschieden sei;
eine von den heillosen Fictionen der alten diplomatischen Schule, die gar zu sehr
nach der alten Lehre von der Dreieinigkeit schmeckt.

Durch Art. 67 der Wiener Congreßacte wurde das Großherzogthum Luxem¬
burg dem König der Niederlande mit der Berechtigung übertragen, die Succession
daselbst, in Betreff seiner Descendenz, nach seinem Ermessen zu bestimmen. --
Durch den Bnndesbeschluß vom 18. August 183" wurde der Beschluß gefaßt: die
Feststellung der dem Bunde im Limburgschen zu gewährenden Gebietsentschädigung
ist einer besondern Unterhandlung zwischen dem Bunde und Sr. königl. nieder¬
ländischen Majestät vorbehalten. - In Folge dieser Unterhandlung ward vom
deutschen Bunde, trotz aller "Unzukömmlichkeiten," der Vorbehalt acceptirt, das
Herzogthum Limburg unter dieselbe Verfassung und Verwaltung mit dem König¬
reich der Niederlande zu stellen^

Das alles, ich gebe es zu, war nur möglich uuter den damaligen politischen
Verhältnissen. Aber in Betracht jener Verhältnisse ist ja auch mir jener Vertrag
abgeschlossen worden, auf welchem das durch einen Act der Bundesgesctzgcbnng
definitiv festgestellte Verhältniß zwischen Deutschland und Holland in Betreff Lim-
hurgs beruht.

Wenn nun, nach veränderter Sachlage, das Reich erklärt: das Fortbestehen
der bisherigen Verhältnisse ist unmöglich, daher müssen diese so verändert werden,
wie es mit meiner jetzigen Verfassung übereinstimmt, ohne den frühern Verhält¬
nissen irgend Rechnung zu trage" -- so ist das keine rechtliche Entscheidung,
sondern -- "ein kühner Griff" -- wie die Wahl des Reichsverwesers selbst, und
es liegt wohl in unserm eigenen Interesse, die Zahl der "kühnen Griffe" nickt
zu sehr anwachsen zu lassen.

Die jetzige Lage Limburgs fortbestehen zu lassen, ist allerdings nicht möglich.
Sie kann aber rechtlich verändert werden nur durch einen Vertrag, nicht durch
ein einseitiges Decret. Ob ein Bertrag zu Stande kommt, ob im entgcgcn-


Gr"nzbottn. III.

träglicher Einwilligung der bisherigen Souveräne, einen Staat nach dem andern
dem seinigen einzuverleiben, bis endlich ganz Deutschland mit Ausnahme von
Limburg dazu gehört hätte und in Folge dessen hätte er nun den Rechtsanspruch
erhoben, daß Limburg von seinem bisherigen Verband mit dem Königreich der
Niederlande gelöst und realiter mit dem „übrigen Deutschland" vereinigt werden
sollte; hätte sich Niederland einem solchen Anspruch ohne Weiteres gefügt?

Oder ein anderer Fall. Die republikanische Partei hätte den Sieg davon¬
getragen und die Nationalversammlung hätte sämmtliche Fürsten mediatisirt — sie
schreibt sich ja ohnehin das Recht zu! — Indem sie nun die Abschaffung aller
monarchischen Herrschaft als Grundgesetz aufgestellt hätte, wäre dann da auch wohl
der Herzog vou Limburg rechtlich seiner Stellung enthoben?

Und im Wesentlichen sind wir in demselben Fall. Es wird immer von einem
Herzog von Limburg geredet, der von dem König der Niederlande verschieden sei;
eine von den heillosen Fictionen der alten diplomatischen Schule, die gar zu sehr
nach der alten Lehre von der Dreieinigkeit schmeckt.

Durch Art. 67 der Wiener Congreßacte wurde das Großherzogthum Luxem¬
burg dem König der Niederlande mit der Berechtigung übertragen, die Succession
daselbst, in Betreff seiner Descendenz, nach seinem Ermessen zu bestimmen. —
Durch den Bnndesbeschluß vom 18. August 183« wurde der Beschluß gefaßt: die
Feststellung der dem Bunde im Limburgschen zu gewährenden Gebietsentschädigung
ist einer besondern Unterhandlung zwischen dem Bunde und Sr. königl. nieder¬
ländischen Majestät vorbehalten. - In Folge dieser Unterhandlung ward vom
deutschen Bunde, trotz aller „Unzukömmlichkeiten," der Vorbehalt acceptirt, das
Herzogthum Limburg unter dieselbe Verfassung und Verwaltung mit dem König¬
reich der Niederlande zu stellen^

Das alles, ich gebe es zu, war nur möglich uuter den damaligen politischen
Verhältnissen. Aber in Betracht jener Verhältnisse ist ja auch mir jener Vertrag
abgeschlossen worden, auf welchem das durch einen Act der Bundesgesctzgcbnng
definitiv festgestellte Verhältniß zwischen Deutschland und Holland in Betreff Lim-
hurgs beruht.

Wenn nun, nach veränderter Sachlage, das Reich erklärt: das Fortbestehen
der bisherigen Verhältnisse ist unmöglich, daher müssen diese so verändert werden,
wie es mit meiner jetzigen Verfassung übereinstimmt, ohne den frühern Verhält¬
nissen irgend Rechnung zu trage» — so ist das keine rechtliche Entscheidung,
sondern — „ein kühner Griff" — wie die Wahl des Reichsverwesers selbst, und
es liegt wohl in unserm eigenen Interesse, die Zahl der „kühnen Griffe" nickt
zu sehr anwachsen zu lassen.

Die jetzige Lage Limburgs fortbestehen zu lassen, ist allerdings nicht möglich.
Sie kann aber rechtlich verändert werden nur durch einen Vertrag, nicht durch
ein einseitiges Decret. Ob ein Bertrag zu Stande kommt, ob im entgcgcn-


Gr«nzbottn. III.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/205>, abgerufen am 29.06.2024.