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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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vollständig in die des Bundesstaates übertritt, vom König der Niederlande aber
geltend gemacht werden wollte, daß er nur dem deutschen Staaten bunte mit
Limburg zugetreten sei, so würde dies theils auf der falschen Voraussetzung be¬
ruhen, daß dieser Beitritt ein willkürlicher gewesen sei, was er doch entschieden
nicht war, theils ein Einwand sein, auf welchen sich ganz mit glei¬
chem Rechte jeder andre deutsche Bundesstaat würde berufen kön¬
nen, den aber die deutsche Nationalversammlung nun und nim¬
mer anerkennen kann, ohne den schon erkämpften Boden der Ein¬
heit Deutschlands unter ihren Füßen wanken zu sehen. Wenn trotz
aller "Unzukömmlichkeiten," deren möglichen Eintritt auch die Bundesversammlung
im Jahr 1839 nicht verkannte, es für rechtlich möglich gehalten wurde, daß das
in den deutschen Bund aufgenommene Herzogthum Limburg mit dem Königreich
der Niederlande gleiche Verfassung und Verwaltung haben könne, so erklärt sich
dies aus der laxen Auffassung des Wesens des deutschen Bundes, welche zur
officiellen Theorie geworden war. Diese Theorie kann aber fernerhin keine Gel¬
tung mehr haben. Deutschland ist sich seines Rechts und seiner Pflicht bewußt
geworden und kann nicht länger dulden, daß einzelne Theile eine exceptionelle
Stellung einnehmen und sich zu einem fremden Staate in einem mit der politischen
und staatsrechtlichen Einheit Deutschlands unvereinbarer Verhältniß befinden.
Dies ist in Betreff Limburgs jetzt, nachdem Deutschland zum Bundesstaat zu¬
sammengewachsen ist, entschieden der Fall, indem ein und dasselbe Gebiet nicht
zwei verschiedenen gesetzgebenden Gewalten unterworfen sein kann. Denn im We¬
sen der Staatsgewalt, die sich auch im Bundesstaat, nicht aber im Staatenbund
an der Spitze findet, liegt die Eigenschaft der Ausschließlichkeit*).

Aus diesen Gründen -- die einzelnen Redner haben keine wesentlichen hin¬
zugefügt -- beschloß die Nationalversammlung mit einer an Einstimmigkeit gren¬
zenden Majorität: 1) "daß sie die bisherige Vereinigung des zum deutschen Bunde
^hörigen Herzogthums Limburg mit dem Königreich der Niederlande unter Einer
Verfassung und Verwaltung als unvereinbar mit der dentschen Bundesverfassung
betrachte, und 2) daß es sich von selbst verstehe, daß der am 27 Mai gefaßte
Beschluß der Nationalversammlung, wonach alle Bestimmungen einzelner deutscher
Verfassungen, welche mit dem von ihr zu gründenden allgemeinen Verfassungswerke
nicht übereinstimmen, nur nach Maßgabe des letztern als giltig zu betrachten
sind, --. auch für das Herzogthum Limburg verpflichtend sei."

Daß die Nationalversammlung im guten Glauben an ihr Recht so handelte,
erhellt schon daraus, daß sie in dem zweiten Punkt -- der Schuldfrage -- an
Stelle des Decrets die Unterhandlung eintreten ließ; und doch würde es, bei der,



*) Das bezieht sich doch auch wohl auf die im gegenwärtigen Wiener Reichstag projec-
tirte legislative Union Galiziens mit Oestreich?

vollständig in die des Bundesstaates übertritt, vom König der Niederlande aber
geltend gemacht werden wollte, daß er nur dem deutschen Staaten bunte mit
Limburg zugetreten sei, so würde dies theils auf der falschen Voraussetzung be¬
ruhen, daß dieser Beitritt ein willkürlicher gewesen sei, was er doch entschieden
nicht war, theils ein Einwand sein, auf welchen sich ganz mit glei¬
chem Rechte jeder andre deutsche Bundesstaat würde berufen kön¬
nen, den aber die deutsche Nationalversammlung nun und nim¬
mer anerkennen kann, ohne den schon erkämpften Boden der Ein¬
heit Deutschlands unter ihren Füßen wanken zu sehen. Wenn trotz
aller „Unzukömmlichkeiten," deren möglichen Eintritt auch die Bundesversammlung
im Jahr 1839 nicht verkannte, es für rechtlich möglich gehalten wurde, daß das
in den deutschen Bund aufgenommene Herzogthum Limburg mit dem Königreich
der Niederlande gleiche Verfassung und Verwaltung haben könne, so erklärt sich
dies aus der laxen Auffassung des Wesens des deutschen Bundes, welche zur
officiellen Theorie geworden war. Diese Theorie kann aber fernerhin keine Gel¬
tung mehr haben. Deutschland ist sich seines Rechts und seiner Pflicht bewußt
geworden und kann nicht länger dulden, daß einzelne Theile eine exceptionelle
Stellung einnehmen und sich zu einem fremden Staate in einem mit der politischen
und staatsrechtlichen Einheit Deutschlands unvereinbarer Verhältniß befinden.
Dies ist in Betreff Limburgs jetzt, nachdem Deutschland zum Bundesstaat zu¬
sammengewachsen ist, entschieden der Fall, indem ein und dasselbe Gebiet nicht
zwei verschiedenen gesetzgebenden Gewalten unterworfen sein kann. Denn im We¬
sen der Staatsgewalt, die sich auch im Bundesstaat, nicht aber im Staatenbund
an der Spitze findet, liegt die Eigenschaft der Ausschließlichkeit*).

Aus diesen Gründen — die einzelnen Redner haben keine wesentlichen hin¬
zugefügt — beschloß die Nationalversammlung mit einer an Einstimmigkeit gren¬
zenden Majorität: 1) „daß sie die bisherige Vereinigung des zum deutschen Bunde
^hörigen Herzogthums Limburg mit dem Königreich der Niederlande unter Einer
Verfassung und Verwaltung als unvereinbar mit der dentschen Bundesverfassung
betrachte, und 2) daß es sich von selbst verstehe, daß der am 27 Mai gefaßte
Beschluß der Nationalversammlung, wonach alle Bestimmungen einzelner deutscher
Verfassungen, welche mit dem von ihr zu gründenden allgemeinen Verfassungswerke
nicht übereinstimmen, nur nach Maßgabe des letztern als giltig zu betrachten
sind, —. auch für das Herzogthum Limburg verpflichtend sei."

Daß die Nationalversammlung im guten Glauben an ihr Recht so handelte,
erhellt schon daraus, daß sie in dem zweiten Punkt — der Schuldfrage — an
Stelle des Decrets die Unterhandlung eintreten ließ; und doch würde es, bei der,



*) Das bezieht sich doch auch wohl auf die im gegenwärtigen Wiener Reichstag projec-
tirte legislative Union Galiziens mit Oestreich?
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/203>, abgerufen am 29.06.2024.