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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Es tritt hier zunächst die Lia burger Frage ein. Nach den Tractaten
von 1839 nimmt Niederland das Recht in Anspruch, das Herzogthum Limburg
-- unbeschadet seiner Verpflichtung gegen das Reich -- in Beziehung auf Admi¬
nistration und Verfassung mit dem Königreich der Niederlande zu vereinigen und
demselben einen Theil der niederländischen Staatsschuld aufzubürden. In beiden
Punkten hat ihm die Nationalversammlung das Recht dazu abgesprochen.

Der niederländische Gesandte hatte am 16. August 1839 dem Bundestag fol¬
gende Erklärung übergeben: "Se. Maj. beabsichtigen, an die Stelle des dnrch den
Londoner Vertrag abgetretenen Theils des Großherzogthums Luxemburg mit dem
ganzen Herzogthum Limburg dem deutschen Bunde beizutreten und wenn Sie
auch Sich vorbehalten müssen, das Herzogthum Limburg (das für ewige Zeiten
nach der für die niederländische Krone bestehenden Snccessionsordnnng vererbt
werden soll), unter dieselbe Verfassung und Verwaltung mit dem Königreich der
Niederlande zu stellen, so verbinden Se. Maj. doch damit die Zusicherung, daß
dieser Umstand die Anwendung der deutschen Bundesverfassung auf das erwähnte
Herzogthum in keiner Weise hindern soll "

Der Bundestag acceptirte diese Erklärung, mit der Bemerkung: "er finde
darin die sicherste Bürgschaft dafür, daß die Weisheit Sr> Maj. Maßregeln treffen
werde, welche geeignet seien, den Unzukömmlichkeiten vorzubeugen, die sonst mög¬
licher Weise aus diesen Verhältnissen entstehen könnten."

Die Versammlung hat nun so argumentire.

Das gegenwärtige Verhältniß des Herzogthums Limburg zu Deutschland
beruht nicht auf einem Vertrage zwischen Deutschland und Niederland, sondern
auf einem Act der Bundesgesetzgebung, wodurch die von dem König der Nieder¬
lande als Großherzog von Luxemburg, also in seiner Eigenschaft als Bundesglied,
zur Erfüllung einer ihm als Bundesglied schon obliegenden Verpflichtung, für das
abgetretene Luxemburgische dargebotene Entschädigung sür genügend erkannt wurde.
Es kann daher auch gegenwärtig durch einen Ausspruch der Nationalversammlung
über die Verhältnisse Limburgs zu Deutschland kein vertragungsmäßiges Recht
des Königreichs der Niederlande gegen Deutschland verletzt werden. Hat der
König der Niederlande, als Herzog von Limburg, Verpflichtung gegen Holland
übernommen, die mit der Stellung des Bundesglieds jetzt unverträglich sind, so ist
es seiue Sache, sich mit Holland deshalb abzufinden.

Das Herzogthum Limburg ist ein deutsches Bundesland, wie jedes andere,
daraus folgt, daß, wie bisher die durch die deutsche Bundesversammlung gefaßten
Beschlüsse für das Herzogthum maßgebend waren, nun auch die Beschlüsse der
Nationalversammlung für dasselbe bindend sind. Deutschland gibt sich jetzt durch
das gesetzmäßige Organ seines Willens, die constituirende Versammlung, seine
Gesammtverfassung. Dieser müssen sich alle einzelnen Theile, mithin auch Limburg,
unterwerfen, und wenn dabei Deutschland aus der Sphäre des Staatenbundes


Es tritt hier zunächst die Lia burger Frage ein. Nach den Tractaten
von 1839 nimmt Niederland das Recht in Anspruch, das Herzogthum Limburg
— unbeschadet seiner Verpflichtung gegen das Reich — in Beziehung auf Admi¬
nistration und Verfassung mit dem Königreich der Niederlande zu vereinigen und
demselben einen Theil der niederländischen Staatsschuld aufzubürden. In beiden
Punkten hat ihm die Nationalversammlung das Recht dazu abgesprochen.

Der niederländische Gesandte hatte am 16. August 1839 dem Bundestag fol¬
gende Erklärung übergeben: „Se. Maj. beabsichtigen, an die Stelle des dnrch den
Londoner Vertrag abgetretenen Theils des Großherzogthums Luxemburg mit dem
ganzen Herzogthum Limburg dem deutschen Bunde beizutreten und wenn Sie
auch Sich vorbehalten müssen, das Herzogthum Limburg (das für ewige Zeiten
nach der für die niederländische Krone bestehenden Snccessionsordnnng vererbt
werden soll), unter dieselbe Verfassung und Verwaltung mit dem Königreich der
Niederlande zu stellen, so verbinden Se. Maj. doch damit die Zusicherung, daß
dieser Umstand die Anwendung der deutschen Bundesverfassung auf das erwähnte
Herzogthum in keiner Weise hindern soll "

Der Bundestag acceptirte diese Erklärung, mit der Bemerkung: „er finde
darin die sicherste Bürgschaft dafür, daß die Weisheit Sr> Maj. Maßregeln treffen
werde, welche geeignet seien, den Unzukömmlichkeiten vorzubeugen, die sonst mög¬
licher Weise aus diesen Verhältnissen entstehen könnten."

Die Versammlung hat nun so argumentire.

Das gegenwärtige Verhältniß des Herzogthums Limburg zu Deutschland
beruht nicht auf einem Vertrage zwischen Deutschland und Niederland, sondern
auf einem Act der Bundesgesetzgebung, wodurch die von dem König der Nieder¬
lande als Großherzog von Luxemburg, also in seiner Eigenschaft als Bundesglied,
zur Erfüllung einer ihm als Bundesglied schon obliegenden Verpflichtung, für das
abgetretene Luxemburgische dargebotene Entschädigung sür genügend erkannt wurde.
Es kann daher auch gegenwärtig durch einen Ausspruch der Nationalversammlung
über die Verhältnisse Limburgs zu Deutschland kein vertragungsmäßiges Recht
des Königreichs der Niederlande gegen Deutschland verletzt werden. Hat der
König der Niederlande, als Herzog von Limburg, Verpflichtung gegen Holland
übernommen, die mit der Stellung des Bundesglieds jetzt unverträglich sind, so ist
es seiue Sache, sich mit Holland deshalb abzufinden.

Das Herzogthum Limburg ist ein deutsches Bundesland, wie jedes andere,
daraus folgt, daß, wie bisher die durch die deutsche Bundesversammlung gefaßten
Beschlüsse für das Herzogthum maßgebend waren, nun auch die Beschlüsse der
Nationalversammlung für dasselbe bindend sind. Deutschland gibt sich jetzt durch
das gesetzmäßige Organ seines Willens, die constituirende Versammlung, seine
Gesammtverfassung. Dieser müssen sich alle einzelnen Theile, mithin auch Limburg,
unterwerfen, und wenn dabei Deutschland aus der Sphäre des Staatenbundes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/202>, abgerufen am 28.09.2024.